Medizin:Hoffnung für schwer kranke Corona-Patienten

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Der Entzündungshemmer Dexamethason könnte laut Oxford-Studie die Sterberate bei schweren Covid-19-Verläufen senken. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Die Sterblichkeit bei künstlich beatmeten Patienten ist laut einer Studie aus Großbritannien unter Dexamethason um ein Drittel geringer.
  • Das Medikament hemmt Entzündungsvorgänge im Körper.
  • Noch ist die komplette Studie allerdings nicht veröffentlicht.

Von Werner Bartens

Berichte über Therapieerfolge im Kampf gegen Covid-19 verbreiten sich in Windeseile. Wie gut und dauerhaft die Behandlungen tatsächlich wirken, zeigt sich allerdings erst mittelfristig. Vor diesem Hintergrund müssen die Schlagzeilen der BBC eingeordnet werden, die ein bekanntes Medikament bereits als Kur gegen die Corona-Pandemie feiert. Die Rede ist von Dexamethason, einem Steroid, das gegen Entzündungen aller Art und rheumatische Erkrankungen seit Jahrzehnten verwendet wird.

Ärzte und Wissenschaftler der Universität Oxford haben im März 2020 die Recovery-Studie mit mehr als 11 500 Patienten gestartet, in der verschiedene Therapieoptionen getestet wurden. Ein Teil der Probanden - etwas mehr als 2100 - bekam einmal täglich sechs Milligramm Dexamethason entweder oral oder intravenös verabreicht. In der Kontrollgruppe lag die Sterblichkeit nach 28 Tagen bei jenen Patienten, die künstlich beatmet werden mussten, bei 41 Prozent. Von den Patienten, die zusätzlich Sauerstoff benötigten, ohne intubiert werden zu müssen, starben in diesem Zeitraum 25 Prozent. Erkrankten Patienten schwer, aber benötigten weder künstliche Beatmung noch Sauerstoffzufuhr, starben 13 Prozent von ihnen.

Das Mittel ist kostengünstig und jede Klinik hat es auf Lager

Unter der Behandlung mit Dexamethason lag die Sterblichkeit der künstlich beatmeten Patienten hingegen um ein Drittel niedriger. In der Gruppe der Patienten mit Sauerstoffzufuhr senkte das Medikament die Sterblichkeit immerhin noch um 20 Prozent. Auf die Sterblichkeit der anderen Schwerkranken hatte das Mittel hingegen keinen Einfluss.

"Dexamethason ist das erste Medikament, das die Überlebensrate bei Covid-19 verbessert", sagt einer der Studienleiter, der Infektionsexperte Peter Horby von der Universität Oxford. "Das ist ein äußerst erfreuliches Ergebnis. Die geringere Sterblichkeit zeigt sich deutlich bei jenen Patienten, die so stark erkrankt sind, dass sie Sauerstoff benötigen und deshalb sollte das Mittel zur Standardbehandlung bei ihnen werden. Zudem ist das Medikament kostengünstig, jede Klinik hat es auf Lager und es kann sofort verwendet werden, um weltweit Leben zu retten."

Auch wenn die Wissenschaftler den genauen Wirkmechanismus noch nicht verstanden haben, hemmt Dexamethason vermutlich die Entzündungsprozesse, die nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 in der Lunge ausgelöst werden. Viele Patienten erkranken deshalb schwer, weil die körpereigene Abwehrreaktion gegen den Erreger ("Zytokin-Sturm") so heftig ausfällt und die befallenen Organe in Mitleidenschaft zieht.

"Seit Covid-19 vor sechs Monaten auftauchte, galt die Suche besonders einem Medikament, das Schwerkranken zu überleben hilft", sagt der Epidemiologe Martin Landray von der Universität Oxford, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Diese vorläufigen Ergebnisse der Recovery-Studie zeigen klar, dass für Patienten mit schweren Atemwegskomplikationen das Risiko zu sterben vermindert ist. Es ist fantastisch, dass das erste Medikament, das die Sterblichkeit vermindert, so schnell und weltweit verfügbar ist."

Intensivmediziner sind über die Ergebnisse aus England verwundert. "Das ist tatsächlich überraschend", sagt Stefan Kohlbrenner, Intensivmediziner am Diakoniekrankenhaus in Freiburg. "Es wurde bisher bei Patienten mit Covid-19 davon abgeraten, weil analog zu Patienten mit Influenza sogar eine Übersterblichkeit unter Dexamethason befürchtet wurde." Wenn die Daten im Detail veröffentlicht sind, kann genau geprüft werden, wie stichhaltig die Belege für eine dauerhafte Therapie tatsächlich sind.

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