Coronavirus:Umarme mich - aber richtig

Lesezeit: 2 min

Manchmal geht es nicht ohne Umarmung - dann aber bitte mit Maske und Blick über die Schulter. (Foto: Antonio Calanni/dpa)

Körperliche Nähe ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Wie sucht man sie in Zeiten der Pandemie, wenn Abstand das höchste Gebot ist?

Von Kathrin Zinkant

Für viele Menschen in Deutschland war Pfingsten in diesem Jahr ein besonderes Fest. Nach unfrohen Osterfeiertagen allein zu Hause trafen sich manche Familien seit langer Zeit zum ersten Mal wieder. Und wer konnte schon anders, als die Mutter, den Opa oder die Enkelkinder zumindest zur Begrüßung fest in die Arme zu nehmen - um hinterher dann doch ein schlechtes Gewissen zu haben, wegen der eigentlich verbotenen Nähe?

Umarmungen sind zwar schlechter als Abstand. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, das Risiko einer Infektion gering zu halten, wenn das Kind getröstet wird oder ein enger Freund einfach mal gedrückt werden muss. Wie das gehen kann, haben mehrere internationale Experten in der New York Times erklärt. Insbesondere Linsey Marr, eine Spezialistin für Aerosole an der Virginia Polytechnic Institute and State University, hat demnach Berechnungen zur potenziellen Virusverbreitung während einer Umarmung angestellt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die kurze Nähe überraschend ungefährlich sein kann - wenn man sich an ein paar Regeln hält.

SZ PlusVerhaltensbiologie
:Warum fasst man sich so oft ins Gesicht?

Menschen fassen sich etwa 20 Mal pro Stunde ins Gesicht. Das zu unterdrücken ist selbst in Corona-Zeiten extrem schwierig.

Von Katrin Blawat

Das wichtigste während der pandemischen Umarmung ist den Experten zufolge, stets eine Maske zu tragen. Sie reduziert die Zahl der Tröpfchen, die ausgeatmet werden. Auch sollte die Umarmung möglichst kurz gehalten werden. Je länger man einander in den Armen liegt, desto größer auch die Gefahr eine Ansteckung. Es gibt Experten, die empfehlen, während der Umarmung die Luft anzuhalten.

Am besten schaut man über die Schulter des anderen

Entscheidend ist zudem die Haltung der Köpfe zueinander. Niemals sollten die Umarmenden einander direkt anschauen, wenn sie sich nahe kommen. Sie sollten zudem ihre Gesichter keinesfalls so mit den Wangen aneinanderdrücken, dass beide in die gleiche Richtung schauen, denn dann sind auch ihre Nasen und Münder in minimaler Entfernung zueinander. Tröpfchen, die durch die Maske entwischen, haben es dann nicht weit. Besser schaut man also aneinander vorbei, über die Schulter des jeweils anderen.

Für Kinder bieten sich aufgrund des Größenunterschieds zwei Optionen an, bei denen die Erwachsenen stehen. Das Gesicht des Kindes befindet sich je nach Alter dann ungefähr auf Hüft- bis Brusthöhe des Erwachsenen. Kleine Kinder können von oben umarmt werden, während sie die Beine des Erwachsenen umschlingen. Wichtig ist auf jeden Fall, zur Seite zu schauen, möglichst in die andere Richtung als das Kind. Und nicht auf das Kind hinab.

Die andere Möglichkeit ist, sich hinter ein etwas größeres Kind zu stellen und es an die Schultern zu fassen - dann ist sogar ein Kuss möglich, und zwar auf den Kopf. Obwohl Kinder sich nach bisherigen Erkenntnissen nicht ganz so leicht anstecken wie Erwachsene, sollte man aber auch hier eine Maske tragen, denn die Tröpfchen beim Ausatmen sinken zum Teil auch durch eine Maske - zumal, wenn sie schlecht sitzt - nach unten.

"Ich halte es für sehr wichtig, dass von Seiten der Wissenschaft mögliche Verhaltensregeln gegeben werden, mit denen das menschliche Bedürfnis nach Berührung befriedigt werden kann", sagt der Infektiologe Gerd Fätkenheuer vom Universitätsklinikum in Köln. Die Ratschläge der Kollegen erscheinen dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie nach derzeitiger Datenlage plausibel. Allein das Luftanhalten hält er nicht zwingend für notwendig - selbst wenn es nicht unbedingt schädlich wäre.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungPsychologie
:Die Hölle, das bin ich

Weil wir alle mehr Zeit alleine verbringen, finden wir nun endlich zu uns selbst? Schön wär's. Die reduzierten Kontakte führen uns umso deutlicher vor Augen, wie sehr wir andere Menschen brauchen.

Essay von Barbara Vorsamer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: