Climate Engineering:Kritiker fürchten ein Wettrüsten im Climate Engineering

Die Teilnehmer der Berliner Tagung eint die Sorge um den Klimawandel, doch ihre Schlussfolgerungen gehen weit auseinander. Schon die Forschung zum Climate Engineering ist umstritten. Andreas Oschlies vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel findet, dass alle Optionen geprüft werden sollten, den Temperaturanstieg zu bremsen. Er leitet seit vier Jahren ein großes Forscherteam, das die Chancen und Risiken des Climate Engineering untersucht. Sein vorläufiges Fazit ist ernüchternd: "Je genauer wir hinschauen, umso kleiner werden die erwünschten Effekte und umso größer werden die Nebenwirkungen."

Doch Oschlies setzt sich dafür ein, Kriterien zu entwickeln, nach denen man die Methoden des Climate Engineering bewerten kann. Diese Haltung erntet auch Widerspruch: Das sei Geldverschwendung, und man sollte stattdessen erforschen, wie man den Klimaschutz verbessern könnte.

Am Ende dürfte vor allem die Industrie profitieren

Die Kritiker bezeichnen die Maßnahmen des Climate Engineering als technokratische Lösungen, an denen sich die Menschheit verheben dürfte, weil das Klimasystem zu komplex ist, als dass man darin herumbasteln sollte. Und nicht nur die Denkweise, die hinter dem Climate Engineering steckt, wird als problematisch kritisiert: Linda Schneider von der Heinrich-Böll-Stiftung sieht diese Forschung in der Tradition der - auch militärischen - Wettermanipulation. Am Ende könnte die Industrie doppelt profitieren: weil sie mehr Treibhausgase emittieren darf und zugleich die Technologie bereitstellt, um die Emissionen zu kompensieren.

Schneider fordert eine neue Debatte - "eine Debatte, in der die Stimmen der Verletzlichsten ernst genommen werden". Es gibt bereits erste Initiativen, die in Entwicklungsländern Workshops zum Climate Engineering veranstalten, um deren Argumente und Bewertungen in die wissenschaftliche Debatte einzubringen. Und die Vertreter von mehreren Umwelt- und Hilfsorganisationen berichten von engagierten Menschen, die sich gegen den Raubbau an der Natur stemmen und von ihren Regierungen kriminalisiert werden.

Reflektierende Partikel zu versprühen wäre vergleichsweise günstig: Ein wirtschaftsstarkes Land könnte daher im Alleingang versuchen, die Temperaturen zu drosseln. Nicht wenige auf der Berliner Tagung halten das für ein Rezept für eine Eskalation. Daniel Heyen von der London School of Economics hat die Gedankenexperimente noch etwas weitergetrieben und untersucht, was geschähe, wenn Gegenmaßnahmen erfunden würden: Andere Staaten könnten beispielsweise Substanzen versprühen, die die Partikel in den hohen Luftschichten neutralisieren - ein Counter-Climate Engineering.

Heyen hat die Situation für ein einfaches Modell mit nur zwei Staaten mit den Mitteln der Ökonomie untersucht. Falls sich die Staaten nicht einigen können, droht das Abgleiten in ein Wettrüsten, lautet sein Ergebnis: Beide Seiten greifen immer stärker in das Klimasystem ein. Am Ende heben sich ihre Einflüsse auf die Temperatur zwar auf, doch die Nebenwirkungen dürften trotzdem spürbar sein.

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