Tierreich:Schildkrötenart nach 113 Jahren wiederentdeckt

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Chelonoidis phantasticus: Wirklich die letzte ihrer Art? (Foto: AP)
  • Die Riesenschildkrötenart galt vielen Experten als für immer verschwunden.
  • Totgeglaubt und doch lebendig: Dieses Schicksal teilt das Reptil mit erstaunlich vielen Arten.
  • Haben solche Spezies, von denen es nur noch wenige Exemplare gibt, überhaupt eine Überlebenschance?

Von Katrin Blawat

Ihr letztes Lebenszeichen war schon eine Weile her. Genauer gesagt: 113 Jahre. 1906 war zum ersten und vorerst einzigen Mal ein Exemplar der Fernandina-Riesenschildkröte entdeckt worden. Seinen Namen verdankt das Reptil seinem Lebensraum, einer unbewohnten Insel des Galápagos-Archipels. Niemand hatte damit gerechnet, noch einmal einem lebenden Exemplar dieser Riesenschildkröte zu begegnen: Chelonoidis phantasticus galt vielen Experten als für immer verschwunden. Auch die Weltnaturschutzunion IUCN, die den offiziellen Gefährdungsgrad von Spezies anhand formaler Kriterien festlegt, befand: "womöglich ausgestorben".

Offenbar haben sie alle geirrt. Sollten sich die Beobachtungen von Expeditionsteilnehmern bestätigen, von denen Ecuadors Umweltminister auf Twitter berichtete, lebt noch ein erwachsenes Weibchen der Fernandina-Riesenschildkröte. "Der Fund freut und überrascht mich", sagt Dirk Embert, Südamerika-Referent bei der Naturschutzorganisation WWF.

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Totgeglaubt und doch lebendig: Dieses Schicksal teilt das Reptil mit erstaunlich vielen Arten. Fische, Vögel, Reptilien, Amphibien, Insekten oder Säuger - in jeder dieser Gruppen gibt es sogenannte Lazarus-Arten. Sie heißen so in Anlehnung an die Bibelgeschichte jenes Mannes, den Jesus wieder zum Leben erweckt haben soll.

Wie aber kann es sein, dass eine Spezies mehr als 100 Jahre lang unbemerkt bleibt, selbst wenn sie gesucht wird? Zumal zu den Lazarus-Arten nicht nur kleine Tiere zählen, sondern auch ein Känguru, ein Seebär, ein mehr als zwei Kilogramm schwerer neuseeländischer Vogel - und eben Riesenschildkröten.

Gemein ist all diesen Wiederentdeckten, dass sie immer schon selten waren und in schwer zugänglichen, oft kaum erkundeten Regionen leben. Dort können sie selbst den geschulten Augen von Suchtrupps leicht entgehen. Zudem existieren in den meisten Fällen tatsächlich nur sehr wenige Exemplare oder nur ein einzelnes. Um dieses zu finden, braucht es sehr viel Glück. "Meistens kann man nicht das ganze Gebiet in einer einzigen Expedition absuchen", sagt WWF-Experte Embert.

Andererseits tauchen manche Lazarus-Arten auch einfach durch Zufall wieder auf. So entdeckten Forscher an einem Fleischstand auf einem Markt in Laos die Laotische Felsenratte. Bis dahin hatten diese Nager unter Wissenschaftlern als ausgestorben gegolten. Die Marktbesucher in Laos aber kauften die Tiere regelmäßig als Grillgut, und wenig später tauchten auch noch lebende Exemplare auf - zwar nicht für die gegrillten Tiere, doch für die Art der Laotischen Felsenratte ein Happy End.

Ob es für die Fernandina-Riesenschildkröte ähnlich gut ausgeht, muss sich noch zeigen. Ein einzelnes Weibchen ist eine erfreuliche Entdeckung, aber noch keine dauerhafte Absicherung dieser Unterart. "Das Wichtigste wäre jetzt, weitere Individuen zu finden", sagt Embert. Gelingt dies jetzt nicht, könnte man dem Weibchen eventuell Gewebeproben entnehmen, um immerhin seine Erbsubstanz zu konservieren. Denn wer weiß: Vielleicht könnte die Riesenschildkröte später dank molekularbiologischer Methoden eine zweite Chance bekommen, sollte doch noch irgendwann ein weiteres Lazarus-Exemplar auftauchen.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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