Verhaltensbiologie:Tanz durch den Wasserfall

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Statt die Flügel anzuziehen und kugelartig durch die Wasserwand zu schießen, beginnen die Kolibris auf ihrem Weg durch das Nass zu tanzen. (Foto: Victor M. Ortega-Jimenez/Victor M. Ortega-Jimenez)

Wie gelangen Vögel zu ihren Nestern hinter Wasserfällen? Sie fliegen einfach hindurch - mit einer raffinierten Technik.

Von Julian Rodemann

Kolibris sind für ihre versierte Flugtechnik bekannt. Um Nektar aus Blüten zu trinken, fliegen sie mit 40 bis 50 Flügelschlägen pro Sekunde auf der Stelle. Die zwischen sechs und 22 Zentimeter großen Vögel können sogar rückwärts und zur Seite fliegen. So waren die Wissenschaftler um Victor Ortega-Jimenez von der Kennesaw State University auch kaum überrascht, als sie die Tiere dabei beobachteten, wie sie durch dünne Wasserfälle flogen. Einzig die Technik der Tiere habe sie verblüfft, sagt der Biologe. "Was wir sahen, konnte die bisherige Forschung nicht prognostizieren." Ortega-Jimenez und Kollegen veröffentlichten ihre Ergebnisse an diesem Mittwoch im Fachmagazin Royal Society Open Science .

Die Forscher fingen vier Annakolibris, eine etwa zehn Zentimeter große Art, ein und ließen sie in einer Kammer aus Acrylglas auf Nahrungssuche gehen. Am einen Ende der Kammer konnten sich die Vögel auf einem Ast niederlassen, am anderen Ende wartete in einem Futterspender Nektar auf sie. Die Kolibris lernten im Lauf mehrerer Tage, zwischen Futterstelle und Ruheplatz hin- und herzufliegen. Plötzlich stießen sie auf ihrem Rückflug zum Ast jedoch auf ein Hindernis: Die Wissenschaftler hatten einen künstlichen, drei Millimeter dünnen Wasserfall in der Mitte des Raumes aktiviert; das Wasser schoss mit der Geschwindigkeit von Starkregen hinab. Die Forscher filmten die Tiere dabei, wie sie das Hindernis überwanden.

Statt die Flügel anzuziehen und kugelartig durch die Wasserwand zu schießen - wie Ortega-Jimenez erwartet hatte -, begannen die Kolibris zu tanzen: Den Körper zur Seite geneigt, durchquerten sie den Wasserfall mit einem Flügel voraus. "Dabei sorgt einer der Flügel für Auftrieb, während der jeweils andere im Wasser ist", erklärt David Hu, der auch zum Forscherteam gehört. Nur einer der gefangenen Vögel durchquerte den Wasserfall mit symmetrischem Flügelschlag.

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Ortega-Jimenez vermutet, dass Vögel wie die Kolibris so zu ihren Nestern hinter Wasserfällen gelangen. Einige Vögel wie die mit den Kolibris verwandten Wasseramseln, Mauersegler und auch Stare brüten an Felsvorsprüngen hinter Kaskaden. Die kurze Abkühlung beim Flug zum Nest hält den Tieren womöglich nicht nur Fressfeinde sondern auch Parasiten vom Leib, denn für sie stellen die Wasserfälle unüberwindbare Hindernisse dar. Mücken fehlt es schlicht an Masse, um die Oberflächenspannung des Wassers zu brechen. "Wenn du klein genug bist, stößt du vom Wasserfall wie von einem Trampolin zurück", sagt Hu. Tatsächlich schafften es im Labor nur einige wenige Bremsen und Goldfliegen durch den Wasserfall.

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