Artenschutz:Meeresvögel für den Wok?

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Basstölpel gelten in China als Delikatesse. (Foto: dpa)

Auf einem chinesischen Fischtrawler haben Kontrolleure Tausende tiefgefrorene Basstölpel beschlagnahmt. Waren die Seevögel für den Verzehr in China bestimmt? Es wäre eine völlig neue Dimension der Wilderei.

Von Thomas Krumenacker

Die Kontrolle eines Fischtrawlers ist im nordwestafrikanischen Mauretanien normalerweise keine größere Angelegenheit. Das bitterarme, politisch instabile Land hat andere Probleme, und die internationale Fischerei ist einer der wichtigsten Devisenbringer. Da kommt man den Fischereiflotten aus Asien und Europa lieber nicht mit Formalitäten in die Quere. Doch was die Behörden bei der Durchsuchung eines chinesischen Trawlers Anfang vergangenen Jahres fanden, alarmiert Umweltschützer auf der ganzen Welt. Unter Deck beschlagnahmten die Kontrolleure nach Zeugenaussagen mehrere Container mit Kisten voller getöteter Seevögel, vor allem Basstölpel, eine gänsegroße Hochseevogelart. Die Tiere waren gerupft, zerlegt, tiefgefroren und in Folie eingeschweißt. Verpackt, wie fertig fürs Kühlregal eines Supermarktes. Deklariert waren sie als Fisch.

"Vieles deutet darauf hin, dass sie für den Export nach China vorgesehen waren", sagt Norbert Schäffer, Chefredakteur des Vogelkundler-Magazins Der Falke, das in seiner Juli-Ausgabe über den Stand der Nachforschungen berichtet. Unterschiedlichen Aussagen von Insidern zufolge wurden zwischen zwei und 21 Container beschlagnahmt, in denen sich Seevögel befunden haben sollen. "Das ganze Ausmaß der Vogelwilderei ist nicht geklärt, doch einige mauretanische Quellen sprechen von bis zu 95 000 Vögeln", sagt Schäffer. Die Zahl - sie entspricht gut zehn Prozent des europäischen Basstölpel-Bestands - sei allerdings nicht gesichert, sondern eine Hochrechnung anhand des Fassungsvermögens von 21 Containern, so Schäffer. Auch der immense Aufwand für eine Bootsbesatzung, so viele Tiere verzehrfertig zu verarbeiten, weckt Zweifel. Doch auch, wenn nur zwei statt 21 Container mit gefrorenen Basstölpeln beladen gewesen wären, wie andere Augenzeugen dem Magazin berichteten, wären Tausende Vögel betroffen.

Die Tiere waren gerupft, zerlegt, tiefgefroren und in Folie eingeschweißt

Artenschützer schlagen aus einem weiteren Grund Alarm: "Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass hier Vögel nicht als Beifang versehentlich in die Netze der Fischer gelangt sind, sondern durch gezielte Jagd zur späteren kommerziellen Verwertung, wäre dies eine völlig neue Dimension der Bedrohung von Hochseevögeln", sagt der Seevogelexperte der britischen Umweltschutzorganisation RSPB, Rory Crawford. Schäffer schließt auch Auswirkungen auf die europäischen Bestände nicht aus. "Ein möglicher Massenfang von Zehntausenden Vögeln in den besonders sensiblen Überwinterungsgebieten wäre ein dramatischer Rückschlag auch für die Schutzbemühungen in Deutschland und Europa." Die Küstengewässer Mauretaniens zählen zu den fischreichsten Gebieten der Erde und sind ein wichtiges Winterquartier für die Basstölpel aus Europa. Schätzungen zufolge verbringt ein Drittel aller europäischen Tölpel dort die kalte Jahreszeit. In Deutschland brüten Basstölpel nur auf Helgoland, aber in stetig steigender Anzahl.

Zufälliger Beifang oder groß angelegte Jagd?

Experten halten es für grundsätzlich möglich, dass mit Fischtrawlern massenhaft Basstölpel gefangen werden können. Das liegt an der besonderen Jagdtechnik der Tiere: Die eleganten Vögel schießen bei der Nahrungssuche wie Torpedos mit angewinkelten Flügeln ins Wasser, um Fische zu erbeuten. Das Herabstoßen und das Flügelschlagen signalisiert Artgenossen auf große Entfernung, dass es dort Nahrung gibt, und lockt diese an. Auch Vögel, die sich in Langleinen-Ködern der Trawler oder deren Netzen verfangen haben, schlagen beim Versuch, sich zu befreien, wild mit den Flügeln. "Dieses Verhalten wirkt auf Artgenossen wie das Signal eines Vogels, der einen Fischschwarm entdeckt hat. Als Folge versammeln sich sehr rasch viele Dutzende, manchmal Hunderte oder noch mehr Basstölpel an einer Stelle. Diese mit Netzen ,abzufischen' ist kein Problem", zitiert Der Falke einen Vogelexperten, der sich in der Region auskennt.

"Es ist sehr schwer zu sagen, ob hier ein Ergebnis groß angelegter direkter Verfolgung von Seevögeln vorliegt oder ob wir es mit zufälligem Beifang zu tun haben. Aber offensichtlich waren die Vögel für den menschlichen Verzehr gedacht", bilanziert RSPB-Experte Crawford und fordert energische Aufklärungsbemühungen auch seitens der europäischen Staaten.

Was wie ein bizarrer Einzelfall anmutet, ist keineswegs unbekannt: Schon vor einigen Jahren äußerten Wissenschaftler in Südostasien die Befürchtung, dass bedrohte Wildtierarten in zunehmend größerer Zahl "einem neuen Trend zu Wildfleisch" in der chinesischen Küche zum Opfer fallen könnten. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete etwa im November 2007 die Festnahme eines Hehlers, der 62 geschützte Eulen per Zug in die südchinesische Metropole Guangzhou schmuggeln und an Restaurants verkaufen wollte. Frappierende Ähnlichkeit mit dem Basstölpel-Fall haben Ereignisse in Malaysia vom November 2008. Dort beschlagnahmten Wildhüter ebenfalls tiefgefrorene, gerupfte und in Plastik für die Ausfuhr nach China aufbereitete Vögel: DNA-Analysen ergaben, dass es sich um Greifvögel handelte - zum größten Teil um Schleiereulen.

© SZ vom 07.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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