Jedes Kind kennt das Klischee von der fleißigen Honigbiene. Jetzt im Frühjahr sind die Insekten wieder dabei zu beobachten, wie sie eifrig von Blüte zu Blüte fliegen, um Pollen und Nektar zu sammeln. Auch die emsige Ameise hat den Ruf, nicht so egoistisch zu sein wie der Mensch, der ständig nach seinem eigenen Vorteil strebt. Stattdessen schuften diese vorbildlichen Tiere ihr ganzes Leben lang - zum Wohl der Allgemeinheit. Allerdings gibt es unter Ameisen auch Taugenichtse. Arten, die gar nicht daran denken, irgendwelche Pflichten in einem Ameisenstaat zu erfüllen, sondern sich in fremde Kolonien einschleichen, dort faulenzen was das Zeug hält und sich von hinten und vorne bedienen lassen.
Ein internationales Forscherteam um den Biologen Lukas Schrader von der Universität Münster hat jetzt herausgefunden, dass sich solche faulen Ameisen auch genetisch von ihrer fleißigen Verwandtschaft unterscheiden. Der Studie zufolge, die gerade im Wissenschaftsjournal Nature Communications erschienen ist, gibt es kein "Faulheitsgen", vielmehr fehlen den asozialen Ameisen wichtige Teile des Erbguts. In ihrer Untersuchung verglichen die Wissenschaftler das Erbgut fünf verschiedener Arten von Blattschneiderameisen. Zwei davon leben unermüdlich arbeitend in sozial organisierten Staaten; die Vertreter der anderen drei verbringen ihr Leben als soziale Parasiten auf Kosten ihrer fleißigen Verwandtschaft.
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Amazonenameisen halten sich Sklavinnen, um selbst nicht arbeiten zu müssen
Die größte Schwierigkeit sei nicht gewesen, das Erbgut der Insekten zu analysieren, sondern die Schmarotzer-Ameisen überhaupt erst einmal ausfindig zu machen, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie. Anders als sozial veranlagte Blattschneiderameisen leben diese Insekten nämlich weit zerstreut in sehr kleinen Populationen.
Speziell die Faulenzer-Ameisen der Art Pseudoatta argentina sind sehr selten. Christian Rabeling, Biologe an der University of Rochester, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, flog mehrmals nach Südamerika, um sie zu suchen - erfolglos. Irgendwann entdeckte die Frau eines Kollegen eine kleine Population, sodass die Forscher endlich mit der Arbeit beginnen konnten.
Die Analyse des Erbguts ergab, dass den faulen Ameisen wichtige Gene fehlen, und zwar besonders solche, die mit dem Geruchs- und mit dem Geschmackssinn der Tiere zu tun haben. Als die Wissenschaftler die Köpfe der Insekten röntgten, entdeckten sie, dass dieser Genverlust offenbar dazu führt, dass speziell Bereiche im Gehirn der Tiere verkleinert sind, die mit dem Geruchssinn zu tun haben.
"Ameisen kommunizieren vor allem über chemische Substanzen", sagt Rabeling. Der Verlust der Geruchsgene habe deshalb extreme Veränderungen im Verhalten der Tiere bewirkt: aus ehemals fleißigen, selbstlosen Ameisen wurden faule Egozentriker.
Wie beim Menschen gibt es auch unter Ameisen verschiedene Methoden, andere auszunutzen. Die asozialen Blattschneiderameisen aus der Studie leben in fremden Kolonien und lassen sich dort durchfüttern. Andere Arten wie etwa die Amazonenameise halten sich Sklavinnen, um selbst nicht arbeiten zu müssen. Sie rauben die Brut fremder Kolonien, schleppen sie in ihren Bau und lassen sie dort von früher versklavten Arbeiterinnen großziehen. Wenn die Tiere schlüpfen, müssen sie den Amazonenameisen ebenfalls dienen. Und in Indien lebende Ameisen haben sich im Lauf der Evolution zu Dieben entwickelt. Sie lauern den Arbeiterinnen anderer Arten auf und stehlen ihnen ihre hart erarbeitete Nahrung.