Ameisen können lästig sein, doch wenn es sie nicht gäbe, sähe die Welt ganz anders aus. Die Insekten leben auf allen Kontinenten außer in der Antarktis, und überall sind sie tief verstrickt in die Netzwerke der Natur. Entsprechend wichtig sind sie für das Überleben anderer Tiere und Pflanzen. Unter anderem verteilen sie Samen, halten Schädlinge in Schach und sorgen dafür, dass der Boden immer wieder durchmischt wird.
Ihr Verschwinden, aber auch schon ihre Dezimierung hätte gravierende Auswirkungen. Das Ergebnis einer kleinen Studie, die ein Team amerikanischer Biologen gerade im Journal of Animal Ecology veröffentlicht hat, ist vor diesem Hintergrund beunruhigend: Ameisen können sich demnach wahrscheinlich nur schlecht oder gar nicht an den Klimawandel und den damit verbundenen Anstieg der Temperaturen anpassen.
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Wie alle Lebewesen haben auch Ameisen eine Wohlfühltemperatur, bei der ihr Stoffwechsel und ihr ganzer Körper am besten funktionieren. Wird es wärmer, sinkt ihre Fitness rapide ab, relativ schnell kommen die Tiere an einen Punkt, an dem nichts mehr geht, an dem sie weder fressen noch sich bewegen, geschweige denn sich vermehren können. Wird es noch heißer, sterben sie.
Ameisen sind bereit, sich unbequemen Temperaturen auszusetzen
Anders als die meisten anderen Tiere scheinen die Insekten Temperaturen, die für sie eigentlich schon zu hoch sind, trotzdem nicht auszuweichen, schreiben die Autorinnen der aktuellen Studie. Und zwar auch dann nicht, wenn sie theoretisch die Möglichkeit dazu hätten.
Das Team um Elsa Youngsteadt von der North Carolina State University untersuchte in den Sommermonaten Juni bis August das Verhalten von fünf verschiedenen Ameisenarten an sechzehn Standorten in der Nähe von Raleigh, der Hauptstadt des Bundesstaates North Carolina. An jedem Standort legten sie 14 Köder mit für Ameisen unwiderstehlichen Leckerbissen aus: Thunfisch, Erdbeermarmelade und Kekskrümel. Die Hälfte der Köder befand sich an einem Platz, der sich im Lauf des Tages stark erhitzte, die andere Hälfte platzierten die Forschenden an kühleren Stellen.
Sobald Ameisen einen der Köder entdeckt hatten, beobachteten die Biologinnen fünf Minuten lang, wie viele und welche Arten dort auftauchten. Außerdem maßen sie die Temperatur des Köders und fingen einige der Insekten ein, um sie ins Labor mitzunehmen. Dort setzten sie die Tiere in eine Kammer mit einem Temperaturgradienten und dokumentierten, wo sie hinkrabbelten und hocken blieben. Auf diese Weise bestimmten sie die Wohlfühltemperatur der Tiere, die von Art zu Art etwas unterschiedlich war.
Bei der Auswertung der Daten stellten die Forschenden zu ihrer Überraschung fest, dass die meisten der Ameisen, die sie in der Natur beobachtet hatten, Köder an Standorten besucht hatten, an denen die Temperatur deutlich über der im Labor bestimmten Wohlfühltemperatur der Insekten lag. Und zwar selbst dann, wenn es in der Nähe Köder an kühleren Stellen gegeben hätte. "Es ist interessant, dass die Arbeiterinnen, die wir beobachtet haben, bei der Futtersuche willens waren, sich selbst unangenehmen Situationen auszusetzen", sagt Sara Prado, die an der Studie beteiligt war, in einer Presseerklärung der Universität.
Warum sich die Tiere so verhalten, bleibt rätselhaft. Merken sie nicht, dass es zu heiß für sie ist? Ist es ihnen egal? Oder sind sie aus einem anderen Grund unfähig, adäquat auf zu hohe Temperaturen zu reagieren?
Ameisen können ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren
Nach Ansicht der Studienautorinnen ist das selbstschädigende Verhalten der Arbeiterinnen auf Futtersuche ein Hinweis darauf, dass Ameisen schlecht auf die Herausforderungen des Klimawandels vorbereitet sind. Während viele Vögel und auch Säugetiere ihr Verbreitungsgebiet schon jetzt in Richtung der Pole oder in höher gelegene Regionen verschieben, um den ansteigenden Temperaturen auszuweichen, tun Ameisen anscheinend: gar nichts.
Dabei sind die Insekten als sogenannte ektotherme Tiere, die ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren können, der Temperatur in ihrer Umgebung besonders stark ausgeliefert. "Wärmere Zeiten und Orte machen wärmere Ameisen", sagt Elsa Youngsteadt in der Presseerklärung. "Trotzdem passen sie ihre Aktivität nicht so an, dass es ihnen gut geht."
Vielleicht ist es für das Überleben der Ameisen in Zeiten des Klimawandels aber auch gar nicht notwendig, dass einzelne Arbeiterinnen ihr Verhalten bei der Futtersuche verändern. Viele Ameisenarten funktionieren als eine Art Superorganismus, in dem verschiedene Tiere verschiedene Funktionen übernehmen: die Königin ist für die Fortpflanzung zuständig, andere für die Brutpflege, die Verteidigung oder eben die Futtersuche. Das Überleben des einzelnen Tiers ist in diesen Superorganismen nicht so wichtig - was zählt, ist das Überleben der Kolonie.
Und gemeinsam könnten die Tiere durchaus in der Lage sein, auf steigende Temperaturen zu reagieren. Von der Winterameise Prenolepis imparis beispielsweise ist bekannt, dass die Kolonie auf zu hohe Temperaturen im Nest reagiert: Wenn es zu heiß wird, arbeiten alle Tiere zusammen und verlagern das Nest im Boden weiter nach unten. Dorthin, wo es kühler ist.