Weizen:Die Entschlüsselung des Monstergenoms

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Nach jahrelangen Anstrengungen ist das komplexe Erbgut des Weizens nahezu vollständig entschlüsselt. (Foto: dpa)
  • Mehr als 200 Forscher aus 73 Einrichtungen in 20 Ländern veröffentlichen in der Fachzeitschrift Science eine Beschreibung des Weizengenoms.
  • Das Genom galt lange als nicht entzifferbar, weil es so riesig ist. Während das menschliche Erbgut etwa 20 000 Gene enthält, fanden die Forscher beim Brotweizen 107 891 Gene.

Von Kathrin Zinkant

200 Forscher aus 73 Einrichtungen, und das auch noch in 20 Ländern weltweit - eines der größten wissenschaftlichen Projekte in der Geschichte der Pflanzenforschung hat am Donnerstagabend Vollzug vermeldet. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt Science berichten, ist das Erbgut des weltweit wichtigstens Nahrungsgetreides endlich vollständig entziffert und kartiert. Insgesamt 13 Jahre hatte es gedauert, bis die Mitglieder des International Wheat Genome Sequencing Consortium (IWGSC) auch in den letzten Winkel des Weizenerbguts vorgedrungen waren.

Es ist ein Mammutwerk mit fünf Einzelpublikationen, gegen das die Entschlüsselung des menschlichen Genoms beinahe übersichtlich erscheint. Das Erbgut des Weizens gilt als fast beispielloses Ungetüm. Es enthält drei verschiedene Erbgutsätze mit je sieben doppelten Chromosomen, auf denen insgesamt fast 108 000 Gene zu Hause sind. Das sind fünf Mal so viele wie beim Menschen.

Dass der Weizen in seinem Genom derart umfangreich ist, liegt einerseits an seiner Herkunft: Er entstand aus einer Kreuzung von Emmer und Ziegengras, bei der es nicht zu einer Vermischung der Erbanlagen kam. Stattdessen wurde das einfache Genom des Grases zum Doppel-Genom des Emmers dazu gepackt. Andererseits hat sich das Erbgut des so entstandenen Brotweizens durch massive Verdopplungen von Genabschnitten regelrecht aufgebläht. Lange Zeit galt das Weizengenom als nicht entzifferbar.

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Dass es schließlich doch gelingen würde, war bereits seit einer Weile absehbar, erste Entwürfe des Genoms hatten Wissenschaftler schon im vergangenen Jahr publiziert. Erst jetzt allerdings ist das Erbgut des Weizens derart detailliert entziffert und kartiert, dass man von Vollständigkeit reden darf.

Es ist ein großer Erfolg. "Man kann jetzt Gene, die landwirtschaftlich bedeutende Eigenschaften codieren, schneller identifizieren und damit gezielter züchten. Das wird den Zuchtfortschritt beschleunigen", sagt Frank Ordon, Vizepräsident des Bundesforschungsinstituts für Pflanzenzüchtung am Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg.

Dass ein solcher Zuchtfortschritt notwendig ist, sagen nicht nur Forscher. Die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, hatte in ihrem jüngsten Bericht auf die Notwendigkeit einer höheren Produktivität hingewiesen, um die weltweite Versorgung mit dem wichtigsten Getreide künftig sichern zu können.

Ob es aber wirklich zu der geforderten Produktionssteigerung kommt, ist derzeit noch offen. Eher sieht es nach einer Rettungsaktion für eine von Klimawandel und Krankheiten gefährdete Pflanze aus. Das haben auch die deutschen Bauern in diesem Jahr erfahren müssen. Die Dürre des Sommers hat dem Winterweizen in Deutschland massiv zugesetzt, die Ernte von Winterweizen wird um ein Viertel unter dem Durchschnitt liegen.

Dazu kommen Pilzerkrankungen, die jederzeit eingeschleppt werden könnten und durch den Klimawandel immer leichteres Spiel haben, weil sie in den milden Wintern nicht abgetötet werden.

Weizenexperten wie Klaus Mayer vom Helmholtzzentrum München sehen nicht zuletzt in den sogenannten neuen molekularbiologischen Techniken eine Chance zur Rettung des Weizens. Klassische Züchtungsmethoden sind nicht in der Lage, solche Eigenschaften kurzfristig in Pflanzen einzuführen, sie benötigen dafür zehn oder mehr Jahre. Mithilfe genetischer Analysen lässt sich der Prozess zwar verkürzen, benötigt aber dennoch viel Zeit. Mit der Genschere Crispr-Cas dagegen könnte es schon binnen weniger Jahre gelingen, einen dürrefesteren Weizen zu entwickeln. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshof vom Juli gilt Crispr-Cas jedoch als Gentechnik und muss entsprechend reguliert werden. Damit sind die Hürden für kleinere Weizenzüchter sehr hoch geworden.

Das Konsortium hofft dennoch, dass das nun kartierte Monstergenom des Weizens tatsächlich nicht nur der Erkenntnis weiterhilft, sondern auch der Landwirtschaft. "Es geht jetzt darum, die natürliche Vielfalt im Weizen zu verstehen und nutzbar zu machen", sagt Manuel Spannagl vom Helmholtzzentrum München, der wie Mayer am Weizenprojekt beteiligt war.

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