Zum Tod von Sergio Pininfarina:Der Formvollender

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Sergio Pininfarina war der Mann, der den Sportwagen die weichen Linien verpasste - fließende Übergänge, dezent angedeutete Muskel, Eleganz: Der legendäre Designer ist nun im Alter von 85 Jahren gestorben.

Thomas Fromm

Vielleicht, sagen die Italiener, war das italienische Autodesign nie wieder so italienisch wie damals in den 60er und 70ern. In den Jahren, in denen "er" seine großen Sportwagen modellierte. Und vielleicht muss man einige von ihnen nebeneinander stellen, um zu verstehen, wie ein Sportwagen nach Sergio Pininfarina auszusehen hatte. Den Fiat Dino Spider von 1966, daneben vielleicht einen neueren Maserati GranTurismo, und natürlich - die klassischen Ferraris. Ganz unterschiedliche Autos, und doch sind da immer diese fließenden Übergänge, die dezent angedeuteten Muskeln, die Eleganz. Nicht nur PS-stark und laut, sondern auch schön.

Eigentlich wollte Sergio Pininfarina Musiker werden. Doch da war die Designschmiede des Vaters Battista Farina, also studierte Sergio Maschinenbau. (Foto: dpa)

Sogar italienische Küchengeräte erinnerten damals nicht selten an die aerodynamischen Formen eines Sportwagens - Pininfarina, der Formvollender, setzte Trends, die mit den Jahren immer futuristischer ausfielen. Und irgendwann war die Designschmiede für alles Mögliche zuständig. Für Peugeot und Mitsubishi, sogar für Züge und Computer. Dinge, die man so macht, wenn man selbständig ist und Geld verdienen will. Massenware. Die wahre Kunst aber, das waren die schnellen Autos mit den italienischen Formen.

Spinne namens Fiat

Eigentlich wollte er Musiker werden. Doch da war die Designschmiede des Vaters Battista Farina, also studierte Sergio Maschinenbau. Der Vater hatte die Carrozzeria 1930 am Stadtrand von Turin gegründet. Es waren Jahre des Aufbruchs damals im weitgehend ländlichen Piemont: Zulieferbetriebe, Designer, Ingenieure - sie alle zog es in den Nordwesten Italiens. Die Spinne, die mitten im Netz saß, hieß Fiat. Und Fiat bedeutete Aufträge. Battista "pinin" Farina, so nannte man den Vater, den kleinen Farina. Aus Farina wurde irgendwann Pininfarina, und Sergio übernahm das Ruder im Familienbetrieb, als der "Kleine" starb. Das war 1966.

So wurde Sergio, der Schöngeist mit dem Gespür für Harmonien und Noten, nicht nur Ingenieur, sondern auch noch Unternehmer und Chef. Und eine Ikone.

Italiener lieben Ikonen, vor allem dann, wenn sie ihnen Maseratis und Ferraris schenken. Und der unscheinbare Mann, der mit seinen stets perfekten Anzügen und akkurat sitzenden Krawatten äußerlich weniger an einen Ferrarista oder kreativen Maserati-Fahrer erinnerte als an einen Abteilungsleiter und ganz normalen Turiner Fiat-Familienvater, wurde einer der Vorzeigeindustriellen des Landes.

Denn längst war seine Firma mehr als eine Designschmiede. Pininfarina war selbst immer mehr ein Autokonzern geworden, baute spezielle Kleinserien für die großen Autokolosse. Ein riskantes Geschäft, aber es brachte Umsatz und Größe nach Cambiano, jenen kleinen grauen Industrievorort bei Turin.

Spätestens in den 90er Jahren war der Carrozziere dann ein Mann des öffentlichen Lebens. Europaabgeordneter, Präsident des italienischen Industrieverbandes Confindustria und einer der wenigen im Lande, die vom Staatspräsidenten zum Senator auf Lebenszeit ernannt wurden. Der Autodesigner, der Haus- und Hofstilist von Ferrari als politisches Schwergewicht - die Geschichte des Sergio Pininfarina ist auch eine sehr italienische Geschichte. Auch deshalb nannte man ihn in Italien den "Botschafter des italienischen Stils".

Es gehe darum, "das Erbe der Vergangenheit zu bewahren, sich aber gleichzeitig schon in die Zukunft versetzen zu können, um die Zeiten vorherzusehen", sagte Pininfarina immer dann, wenn er nach seinem Berufsgeheimnis gefragt wurde. Die Zeit, zuletzt war sie nicht mehr die seine. Dafür war zu viel zusammenkommen. Zuerst im August 2008, an jenem Tag, an dem Andrea Pininfarina, der 51-jährige Sohn, am frühen Morgen mit seinem grauen Vespa-Roller in die Firmenzentrale fuhr. Es waren schwere Zeiten, das Unternehmen war finanziell angeschlagen, und Andrea, seit 2006 der Chef, sollte Pläne für eine Sanierung ausarbeiten. Ein 78-jähriger Autofahrer übersah den Motorroller des Industriellen-Sohnes - Andrea starb bei dem Unfall. Damals sagte Sergio Pininfarina: "In unserer Familie hat sich eine entsetzliche Tragödie ereignet."

Dann musste der Alte mit ansehen, wie der Schuldenberg seiner Firma immer größer wurde, der Druck der Banken immer stärker. Das Traditionsunternehmen schrumpfte sich selbst, gab Umsatz und Werke ab und konzentrierte sich mit weniger Personal wieder ganz - wie früher - auf Design- und Ingenieursdienste; vor allem mit der Elektromobilität will das Unternehmen nun wachsen.

Die Rettung seiner Firma hat Sergio Pininfarina noch miterlebt. In der Nacht zum Dienstag starb er in seinem Turiner Haus; er wurde 85 Jahre alt.

© SZ vom 04.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Turin
:Ferrari-Designer Pininfarina ist tot

Er hat die schlanke Silhouette des wohl berühmtesten Sportwagens der Welt entworfen und galt als einer der großen Stars seiner Zunft: In der Nacht zu diesem Dienstag ist der italienische Autodesigner Sergio Pininfarina im Alter von 85 Jahren gestorben.

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