Fast Fashion:Die Mode-Riesen und ihre schmutzige Wolle

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Beim Textilunternehmer Inditex, der hinter Zara steht, heißt es, man nehme die Vorwürfe sehr ernst. (Foto: Vincent West/REUTERS)

Beim Baumwollanbau in Brasilien sollen Wälder illegal abgeholzt und Gewalt gegen Einheimische verübt worden sein. Diese Wolle wurde jetzt in Kleidung von Zara und H&M nachgewiesen.

Von Robert Wallenhauer

Die Feuchtsavannen des brasilianischen Cerrado erstrecken sich über mehr als zwei Millionen Quadratkilometer - doch das Ökosystem ist bedroht. Im vergangenen Jahr hat die Abholzung des Cerrado um 43 Prozent zugenommen. Ein Grund dafür sei der Soja-Anbau, sagen Umweltschützer. Eine neue Untersuchung der britischen Nichtregierungsorganisation (NGO) Earthsight macht jetzt auch großflächigen Baumwollanbau dafür verantwortlich. Demnach geht der Anbau mit illegaler Abholzung, Landraub und Gewalt gegen Bewohner des Cerrado einher. Später landete die Baumwolle dann in den Lieferketten der beiden größten Modeketten der Welt, Zara und H&M, heißt es in dem NGO-Bericht. Dieser liegt der Süddeutschen Zeitung und anderen internationalen Medien vor.

Die industriellen Baumwollfarmen, die Earthsight untersuchte, zählen zu den größten Baumwollproduzenten Brasiliens. In der Vergangenheit hatten einige Produzenten mit gerichtlichen Verfügungen zu tun. Manche wurden wegen Korruption verurteilt und bekamen Millionen-Dollar-Geldstrafen, weil sie etwa 100 000 Hektar Cerrado-Wildnis unerlaubt rodeten, berichtet Earthsight.

Die problematische Baumwolle wurde von der Better Cotton Initiative zertifiziert

Die NGO verfolgte eigenen Angaben zufolge 816 000 Tonnen geerntete Baumwolle von den untersuchten Landgütern bis zu acht asiatischen Unternehmen. Diese sollen in einem Zeitraum von zwölf Monaten mindestens 36 Millionen Kleidungsstücke und Haushaltswaren für deutsche Filialen von H&M, Zara sowie Zara-Schwestermarken Bershka und Pull&Bear hergestellt haben.

Trotz der Enthüllungen von Earthsight wurde die untersuchte Baumwolle von der Better Cotton Initiative (BCI) zertifiziert, die die Einhaltung von Umweltstandards überprüft. Um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, vertrauen Modekonzerne wie die Zara-Mutter Inditex und H&M auf solche Zertifikate.

"Die Ergebnisse des Earthsight-Berichts sind besorgniserregend, und wir nehmen sie sehr ernst", sagt ein H&M-Sprecher der SZ. Nachdem die BCI das Ergebnis des Earthsight-Berichts vorliegen hatte, leitete sie eine Untersuchung durch Dritte ein. Daraufhin wurden die Better-Cotton-Regeln am 1. März aktualisiert - sie bleiben jedoch voller Lücken, Interessenkonflikte und schwacher Durchsetzung, kritisiert die NGO in einem Statement. "Wir stehen in engem Dialog mit Better Cotton, um das Ergebnis der Untersuchung und die nächsten Schritte zur Stärkung und Überprüfung ihres Standards zu verfolgen", sagt der H&M-Sprecher.

Auch Inditex, das hinter Zara steht, verweist auf Better Cotton. "Wir nehmen die Vorwürfe gegen Better Cotton sehr ernst und haben das Unternehmen aufgefordert, die Ergebnisse ihrer Untersuchung schnellstmöglich zu veröffentlichen sowie alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine nachhaltige Baumwollzertifizierung nach höchsten Standards zu gewährleisten", sagt eine Inditex-Sprecherin der SZ.

Die BCI wurde 2005 von Modeunternehmen und Nichtregierungsorganisationen gegründet - H&M selbst war an der Gründung beteiligt. Über die Wirksamkeit solcher Organisationen wird schon länger gestritten. 2019 erhob eine Reihe französischer Fernsehdokumentationen Greenwashing-Vorwürfe gegen die BCI, die Initiative würde Produkte ökologischer darstellen, als sie es in Wirklichkeit sind. Die Umwelt- und Arbeitsschutzstandards, an denen BCI ihre Zertifikate bemisst, seien in Wahrheit nicht hoch genug.

Die bisherigen Regelungen gehen der NGO nicht weit genug

Zwar wird auf EU-Ebene am Lieferkettengesetz gearbeitet, das die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Lieferketten garantieren soll. Außerdem soll es eine Sorgfaltspflicht für nachhaltige Unternehmensführung geben sowie eine Verordnung, die die Entwaldung regeln soll. Diese Regelungen gehen der NGO allerdings nicht weit genug.

"Damit wir in Zukunft mit gutem Gewissen unsere neue Lieblingsjeans oder ein T-Shirt tragen können, ist es wichtig, dass das Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten ausgeweitet wird auf Ökosysteme wie den Cerrado, und auf Baumwolle", sagt Anna Cavazzini, die deutsche EU-Parlamentarierin der Grünen der SZ. Trotzdem hätten die Konzerne eine große Marktmacht, die sie auch ohne gesetzliche Änderungen bereits für die Einhaltung von Umwelt- und Arbeitnehmerrechten ihrer Zulieferer einsetzen könnten, sagt die Vorsitzende des EU-Parlament-Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz weiter. Derzeit bewirken ihre Einkaufspraktiken allerdings oft das Gegenteil, indem sie die Zulieferer wechseln, um Einkaufspreise zu drücken. So sei es unmöglich, die Arbeitsumstände vor Ort zu überprüfen. Cavazzini sagt: Es sei die Verantwortung der Modekonzerne, ihre Praktiken so zu gestalten, dass sie langfristige und nachhaltige Beziehungen zu ihren Lieferanten aufbauen.

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