World Wide Web:Was wir von den Pionieren des Netzes lernen können

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So sah die erste Webseite vom 6. August 1991 aus. (Foto: Screen:World Wide Web Consortium)

Vor 25 Jahren ging die erste Webseite online. Heute nutzen nicht nur Bürger die Technik, sondern auch Monopolkonzerne, Geheimdienste und Diktatoren. Wir müssen dringend etwas unternehmen.

Kommentar von Andrian Kreye

Meist leben sie noch, die Pharaonen, Feldherren und da Vincis der digitalen Welt, denn deren Geschichte ist noch jung. Es ist zum Beispiel erst 25 Jahre her, dass der Physiker Tim Berners-Lee am Genfer Forschungszentrum Cern am 6. August 1991 die erste Seite des World Wide Web ins Internet stellte. Das war der Moment, in dem sich das bis dahin schwer durchschaubare Internet der Menschheit öffnete. Die Folgen sind bekannt. Das World Wide Web hat Industrien erschüttert, Demokratieprozesse angestoßen und die Art und Weise, wie sich Menschen bilden, vergnügen und miteinander umgehen, für immer verändert.

Auf der Webseite des Cern kann man diese Seite heute noch sehen. Sie zeigt schwarze Lettern auf weißem Grund, die technische Informationen zur Wissenschaftsinitiative W3 lieferten. Einige dieser Lettern sind blau eingefärbt. Das waren Links zu sogenanntem Hypertext, der auch jetzt noch Dokumente aus aller Welt miteinander verknüpft. Was heute banal und rückständig wirkt, war damals eine Sensation.

Es gibt immer wieder Leute, die behaupten, die Erfindung des Internets sei für die Menschheit ein ähnlicher Schritt wie die Erfindung des Buchdrucks. Das ist oft Geschwätz von Technologiepriestern aus dem Silicon Valley und seinen Ablegern, die mit diesem Bild eine universale Deutungshoheit einfordern, die ihnen nicht zusteht. Im Kern aber stimmt das schon.

Historische Rechner
:Wie die Computer-Revolution begann

Der Apple Macintosh war der erste Massencomputer mit grafischer Benutzeroberfläche sowie der Kombination aus Tastatur und Maus. Computer-Sammler Erik Klein hat ihn auch in seiner Sammlung - zusammen mit bedeutenden Modellen aus der Zeit, bevor die digitale Ära begann.

Das Internet ist die Technologie, um Gedanken zu vernetzen

Der Buchdruck war die Technologie, um Gedanken zu verbreiten. Das Internet ist die Technologie, um Gedanken zu vernetzen. Deswegen war Tim Berners-Lee's Erfindung so bahnbrechend. Denn das Internet konnte erst dann seine Wirkung entfalten, als wirklich alle Menschen Zugriff darauf hatten.

Was damals Utopie und Hoffnungsträger war, ist heute allerdings von vielen Zweifeln und Ängsten belastet. Es sind ja nicht nur Bürger und Demokraten, die die neue Technologie benutzen, sondern auch Monopolkonzerne, Geheimdienste und Diktatoren. Die vernetzte Gesellschaft ist deren Überwachungs- und Kontrollmechanismen bisher noch fast schutzlos ausgeliefert. Wie das alles weitergehen soll, ist ein großes Rätsel. Zum Glück leben aber, wie erwähnt, die Pioniere noch, die den Cyberspace für uns eroberten.

Pionier Berners-Lee fordert neue Grundregeln für das Netz

Tim Berners-Lee arbeitet heute zum Beispiel für das Massachusetts Institute of Technology und setzt sich dafür ein, dass möglichst viele Menschen für möglichst wenig Geld ins Internet kommen. Er sieht die digitale Dominanz der Konzerne, Regierungen und Geheimdienste als große Gefahr. Deswegen fordert er seit einigen Jahren eine Magna Carta für das Internet.

Etwas optimistischer sehen Kevin Kelly und Stewart Brand die Zukunft des Netzes. Die beiden hatten als Intellektuelle schon früh großen Einfluss auf die digitale Kultur. Neulich saßen die beiden in San Francisco auf einer Bühne und dachten öffentlich über die Zukunft nach. Sie kamen dann zum Schluss, dass diese Entwicklung noch ganz am Anfang steht. Das World Wide Web sei nur ein Übergang. Jede nur erdenkliche Oberfläche werde bald schon zur Benutzeroberfläche. Künstliche Intelligenz werde dabei helfen, nicht nur die Gedanken, sondern auch die Handlungen von Menschen und Maschinen miteinander zu vernetzen. Das alles sei nur eine Frage der Zeit, denn technischer Fortschritt sei unvermeidlich.

Führt man die Gedanken der beiden im Sinne von Berners-Lee zu Ende, bleibt eine Forderung stehen. Die Evolution mag sich der Kontrolle des Menschen weitgehend entziehen. Den Fortschritt aber muss er selbst gestalten. Dringend.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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