Wohnungstausch:Suche Haus mit Garten, biete kleine Stadtwohnung

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Viele Senioren würden sich gerne räumlich verkleinern. Geld sparen sie dabei aber eher selten. (Foto: Maria Maar/imago images/Westend61)

Die einen brauchen nicht mehr so viel Wohnraum, viele andere dringend mehr Platz. Ein Wohnungstausch könnte eine prima Lösung sein. Aber so einfach ist es nicht.

Von Berrit Gräber

Zu viele Treppen, zu groß, zu weit weg von den Enkeln: Sind die Kinder aus dem Haus, wächst bei vielen Senioren der Wunsch nach einer kleineren, besser passenden Bleibe. Bei Familien sieht es genau umgekehrt aus: Die meisten brauchen mit der Zeit immer mehr Platz und suchen oft händeringend eine bezahlbare, größere Wohnung. Oder ein Häuschen mit Garten. Warum also nicht einfach tauschen?

Was nach einer tollen Lösung für alle klingt, ist nicht so einfach umzusetzen. Auf wechselwillige Mieter warten Fallstricke - und am Ende meist eine deutlich höhere neue Miete. Klare gesetzliche Regelungen oder gar ein Rechtsanspruch auf Tausch könnten helfen, den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten, wie Jutta Hartmann, Sprecherin des Deutschen Mieterbundes, fordert. Aus Überlegungen der Bundesregierung, steuerliche Anreize zu schaffen, ist bislang nichts geworden. Die Idee: Wer etwa sein zu groß gewordenes Eigenheim freimacht und zum fairen Preis an eine Familie vermietet, soll die eigene Miete steuerlich geltend machen können. Nach Ansicht des Eigentümerverbands Haus & Grund sollten die Mieteinnahmen dann gleich ganz steuerfrei bleiben. Bislang ist Tauschen für Eigentümer, die gern groß gegen klein aufgeben würden, eher schwierig. Und vor allem teuer.

Viel Bedarf, wenig Chancen

Laut Statistischem Bundesamt lebten 2021 rund 8,6 Millionen Menschen und damit 10,5 Prozent der Bevölkerung hierzulande in überbelegten Wohnungen. Besonders betroffen sind Familien mit mindestens drei Kindern, speziell in Großstädten. Gleichzeitig wohnen aber sechs Prozent der Mieterhaushalte in großzügigen Bleiben mit richtig viel Platz, beispielsweise Singles in einer Vier-Zimmer-Wohnung, darunter viele Senioren über 70 Jahren, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergab. Doch wer gern mit anderen tauschen würde, wird schnell ausgebremst, kritisiert Mieterbund-Sprecherin Hartmann. Das fängt schon bei der Suche nach Tauschpartnern an. Online-Vermittlungsportale wie wohnungsswap.de oder tauschwohnung.com helfen zwar dabei. Wer sich beispielsweise vergrößern will, kann dort seine Wohnung einstellen, mit Fotos, Größe, Zimmeranzahl, Extras und Miethöhe - muss aber dann darauf hoffen, dass jemand tatsächlich eine Alternative am Wunschort zum Wunschtermin zum Tausch anbietet und die eigene Wohnung ohne Balkon und Lift auch noch gut findet. Was die Suche erschwert: Auf einen Haushalt, der sich verkleinern will, kommen fünf, die sich vergrößern wollen, so die Erfahrungen des Mieterbundes. Gibt es tatsächlich ein Match, sind obendrein heikle rechtliche Hürden zu nehmen. Entweder die Parteien treten in die Mietverträge des jeweils anderen ein. Oder sie schließen Vorverträge ab, die in neue Mietverträge münden. In jedem Fall müssen die Vermieter beider Seiten einverstanden sein. Ohne ihre Zustimmung ist Tauschen unmöglich. Schlimmstenfalls folgen die Kündigung und der Verlust der bisherigen Bleibe.

Damoklesschwert Mieterhöhung

Die größte Hürde: Wer günstig wohnt und groß gegen kleiner tauschen will, wird in der Regel keinen Cent sparen sondern noch ordentlich draufzahlen. Die auf den Plattformen angezeigten Mietpreise auf dem freien Markt sind nur Momentaufnahmen. Sie dürften nach dem Tausch steigen. "Das kann am Ende deutlich mehr sein als bisher, manchmal das Drei- bis Vierfache der aktuellen Miete", gibt Hartmann zu bedenken. Bei Neuvermietung würden die Nettokaltmieten erfahrungsgemäß gern deutlich erhöht. "Daran scheitert dann alles. Gäbe es gesetzliche Vorgaben, dass die Mieten beim Tausch nicht steigen dürfen, wäre das Modell eine echte Lösung gegen die Wohnungsknappheit", so Hartmann. Ein Blick nach Österreich zeige, dass Rechtssicherheit beim Wohnungstausch sehr wohl möglich sei.

Leichter wechseln im städtischen Wohnungsbau

Deutlich bessere Tauschchancen haben Mieter städtischer oder kommunaler Wohnungsbaugesellschaften. Für sie gibt es bereits erfolgreiche Vermittlungsbörsen wie etwa inberlinwohnen.de. Das Okay des Vermieters ist für einen Wechsel innerhalb des Bestands nicht nötig. Und auch die Quadratmeterpreise bleiben weitgehend unverändert. Dennoch gilt auch hier: Wer eine große, sehr günstige Wohnung frei macht, etwa für eine junge Familie, und in deren kleinere mit aktuelleren Mietpreisen zieht, muss ebenfalls mit höherer Mietbelastung rechnen. Viele Wohnungsgesellschaften bieten Senioren daher finanzielle Anreize und Prämien, wenn sie eine große Bleibe frei machen.

Auch Eigentümer müssen rechnen

Selbst für Eigentümer kann ein Tausch schwierig werden, gibt Gabriele Heinrich zu bedenken gibt, Vorständin beim Verband Wohnen im Eigentum (WiE). Weil jeder erst dann verkaufen kann, wenn er etwas passendes Neues gefunden hat, ist die Suche nach einem geeigneten Tauschobjekt oft eine langwierige Sache - und kostspielig obendrein. Die kleinere Stadtwohnung kann teurer sein als das unsanierte, in die Jahre gekommene Haus auf dem Land. Außerdem fallen beim Tauschen Grunderwerbsteuer und andere Nebenkosten an. Beide Parteien kaufen schließlich ein neues Objekt. Eingeschaltete Makler verlangen Provision. Oft stehen noch Extra-Ausgaben für Modernisierung oder Sanierung an. Tauschwilligen sollte zudem klar sein: Das monatliche Hausgeld, das in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) anfällt, ist in der Regel höher als die Nebenkosten einer Mietwohnung

Drum prüfe gut, wer tauscht

"Wer vor einer Tausch-Entscheidung steht, sollte sich die Konsequenzen gut überlegen", rät Heinrich. Der Wechsel vom eigenen Haus in eine WEG und umgekehrt könne ein Volltreffer sein - oder der totale Flop. Was sich vor allem Senioren als Erleichterung im Lebensalltag vorgestellt haben, bringt häufig ungeahnten Stress und herbe Enttäuschung. Zwar müssen sie dann keine Treppen mehr steigen, die Bleibe liegt näher bei den Enkeln und macht weniger Arbeit. "Langjährige Hausbesitzer haben aber keine Vorstellung davon, was es bedeutet, plötzlich in einem Mehrparteienhaus zu leben", so die Erfahrungen Heinrichs. Wer sein Leben lang alles allein entscheiden konnte, ist nun auf Miteigentümer angewiesen. Es gilt Abstimmungsprozesse mit Nachbarn auszuhalten und sich Beschlüssen der Mehrheit zu beugen. Tauschwillige sollen in jedem Fall die Teilungserklärung studieren und sich mit dem rechtlichen Hintergrund auseinandersetzen, rät Heinrich. Alternative: Das eigene Haus oder die zu groß gewordene Eigentumswohnung vermieten und sich eine kleinere Mietwohnung suchen.

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