Wirtschaft kompakt:Kampf gegen die Absatzkrise

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BMW verlängert Kurzarbeit bis Mai, bei Continental wird protestiert und Shell erhält Besuch von der Justiz - die wichtigsten Wirtschaftsnachrichten im Überblick.

Ein BMW-Sprecher bestätigte am Dienstagabend entsprechende Medienberichte. Details will der Konzern aber erst an diesem Mittwoch bei seiner Bilanz-Pressekonferenz in München bekanntgeben. BMW leidet unter der schwachen Nachfrage in der Automobilindustrie. Im Januar und Februar war der weltweite Absatz des weiß-blauen Autobauers jeweils um fast ein Viertel eingebrochen.

Tausende Beschäftigte sind bei BMW in Kurzarbeit (Foto: Foto: dpa)

Anfang März hatte BMW-Chef Norbert Reithofer deshalb auf dem Genfer Autosalon bereits erklärt, dass mit den Betriebsräten Gespräche über eine Verlängerung der Kurzarbeit geführt werden. Seit Februar sind an den beiden BMW-Standorten in Dingolfing und Regensburg zusammen rund 23 000 von 28 500 Beschäftigten in Kurzarbeit.

Verpackungszentrum wird nicht ausgelagert

Eine Sprecherin des Regensburger BMW-Werkes bestätigte Angaben der Mittelbayerischen Zeitung, wonach die Produktion an dem Standort von 11. bis 18. April ruhen soll. Darüber hinaus gebe es noch keine Planungen, sagte die Sprecherin. Zudem sei die Auslagerung eines Verpackungszentrums im oberpfälzischen Wackersdorf vorläufig vom Tisch. Ursprünglich hätte das Zentrum 2010 an einen externen Dienstleister gehen sollen, davon wären rund 400 Beschäftigte betroffen gewesen.

Die Finanz- und Absatzkrise hat BMW im vergangenen Jahr die Bilanz kräftig verhagelt. Unter dem Strich blieb nur noch ein Gewinn von 330 Millionen Euro, nach 3,13 Milliarden Euro im Vorjahr, wie der Konzern bereits vor einigen Tagen bekanntgegeben hatte. Der Umsatz ging um fünf Prozent auf knapp 53,2 Milliarden Euro zurück.

Vor allem Sonderbelastungen drückten auf das Ergebnis. So kosteten allein die Risikovorsorge für die Restwerte bei den Gebrauchten und Kreditausfälle BMW knapp zwei Milliarden Euro. Hinzu kamen Aufwendungen von rund 450 Millionen Euro für den Abbau einiger tausend Arbeitsplätze. Einen Ausblick auf das laufende Jahr hatte BMW zunächst nicht geben. Er dürfte bei der Bilanz-Pressekonferenz am Mittwoch im Mittelpunkt des Interesses stehen. Reithofer hatte in Genf offengelassen, ob BMW in diesem Jahr schwarze Zahlen schreibt.

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Conti-Beschäftigte kämpfen um ihre Jobs

Der Protest treibt die Continental-Mitarbeiter auf die Straße: Mehr als 1000 Continental-Beschäftigte haben am Dienstag gegen die Schließung des Reifenwerks in Hannover-Stöcken demonstriert.

Auch in den kommenden Tagen soll es Proteste geben, wie Betriebsrat Michael Deister ankündigte. Statt der Schließung müssten andere Wege gesucht werden wie eine Ausdehnung der Kurzarbeit.

Die Gewerkschaft IG BCE will gegen die Schließungspläne vor Gericht ziehen. Vorstandsmitglied Werner Bischoff kündigte an: "Wir werden Ende nächster Woche klagen." Die Beschäftigten werfen dem Management vor, gegen eine kürzlich getroffene Vereinbarung zu verstoßen. Der Conti-Vorstand hatte dagegen erklärt, alle Zusagen einzuhalten, weshalb der Konzern einem Gerichtsverfahren gelassen entgegensehe.

Conti streicht die Reifenproduktion in Europa angesichts der Flaute auf dem Automobil- und Lastwagenmarkt drastisch zusammen. In Hannover sollen durch die Schließung des letzten verbliebenen Reifenwerks 780 der 3300 Mitarbeiter ihren Job verlieren, 47.000 der weltweit 140.000 Conti-Beschäftigten arbeiten in Deutschland. Im französischen Clairoix sollen 1100 Jobs wegfallen. Hunderte Arbeiter waren bereits zu Wochenbeginn in Frankreich auf die Straße gegangen und hatten dabei Conti-Manager mit Eiern und Schuhen beworfen. Ihre Streiks wollen sie nun beenden, wenn das Management bis zum Ende der Verhandlungen keine Stellen streicht.

Weniger Geld für die Chefs

Der Vorstand des Automobilzulieferers musste im Verlustjahr 2008 kräftige Einkommenseinbußen hinnehmen. Vor allem aufgrund geringerer erfolgsabhängiger Bestandteile schrumpften die Vergütungen von Vorstandschef Karl-Thomas Neumann auf 1,7 (Vorjahr: 2,7) Millionen Euro, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Geschäftsbericht hervorgeht. Die Bezüge von Finanzchef Alan Hippe sanken auf 1,6 (2,7) Millionen Euro, die von Reifenvorstand Hans-Joachim Nikolin auf 1,0 (2,3) Millionen. Die Vergütungen von Personalvorstand Heinz-Gerhard Wente verringerten sich auf 1,1 (1,3) Millionen Euro.

Insgesamt erhielt die Conti-Führung mit 8,2 (17,4) Millionen Euro nur etwa halb soviel wie im Vorjahr. Davon entfielen 3,3 Millionen auf feste und 1,2 Millionen auf variable Bezüge. Hinzu kamen 3,7 Millionen Euro an langfristigen Komponenten wie Bezugsrechte auf Aktienoptionen.

Die Aufsichtsräte strichen insgesamt 1,1 (1,0) Millionen Euro ein, wobei die im Vorjahr gewährten variablen Vergütungen von fast insgesamt 1,5 Millionen gestrichen wurden. Aufsichtsratschef Hubertus von Grünberg erhielt 88.000 (83.000) Euro.

Der von dem fränkischen Wälzlagerhersteller Schaeffler gegen langen Widerstand geschluckte Conti-Konzern hatte im vergangenen Jahr mit über einer Milliarde Euro den größten Verlust seiner Firmengeschichte verzeichnet.

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IG-Metall fordert 100-Milliarden-Euro-Schirm

Die IG Metall fordert einen öffentlichen Schutzschirm für Industrieunternehmen in Höhe von 100 Milliarden Euro. "In dieser Krise darf die industrielle Substanz nicht beschädigt werden", sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber. Finanziert werden solle der Fonds über eine Anleihe auf private Vermögen über 750.000 Euro. Ziel des Schirms ist es nach den Vorstellungen der Gewerkschaft, genügend Kapital zur Überbrückung der Krise bereitzustellen. Zudem rief die Gewerkschaft die Bundesregierung auf, ein drittes Konjunkturpaket vorzubereiten.

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Ermittlungen gegen Shell

Besuch von der Justiz: Die US-Behörden ermitteln gegen den britisch-niederländischen Ölmulti Royal Dutch Shell. Der Vorwurf: Verdacht auf Korruptionsverdacht.

Untersucht wird nach Angaben einer Sprecherin eine Verwicklung in den Bestechungsfall um den Schweizer Logistikkonzern Panalpina, wie der Konzern am Dienstag mitteilte. Die Börse reagiert promt, Shell-Aktien gaben um bis zu drei Prozent nach.

Im Fall Panalpina geht es um Bestechung im Öl- und Gasgeschäft in Nigeria. Die Schweizer hatten deshalb Ende 2007 ihre Dienstleistungen in dem Land eingestellt, nachdem die US-Behörden Korruptionsuntersuchungen eingeleitet hatten. Die Untersuchungen sollen Panalpina zufolge Ende September 2009 abgeschlossen sein. Rückstellungen für mögliche Bussgelder bildete das Unternehmen bislang nicht.

Shell teilte zudem mit, mittelfristig die Produktion steigern zu wollen. Die Förderung werde im kommenden Jahrzehnt voraussichtlich um zwei bis drei Prozent steigen. Zuvor hatte Shell eine Wachstumsprognose auf langfristige Sicht von zwei bis drei Prozent ausgegeben. Ein Konzernsprecher wollte sich nicht dazu äußern, ob dieses Ziel aufgegeben worden sei.

Das Unternehmen erwägt darüber hinaus den Verkauf von Raffinerie- und Marketingbereichen in Deutschland und Neuseeland.

Das Unternehmen, das im Januar infolge der gesunkenen Ölpreise einen Gewinnrückgang im Quartal von 28 Prozent bekanntgegeben hatte, will in diesem Jahr insgesamt zehn Milliarden Dollar an Dividenden ausschütten.

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Märklin baut 400 Jobs ab

Der insolvente Spielwarenhersteller Märklin muss fast 400 Mitarbeiter entlassen. Es seien am Stammsitz in Göppingen 166, und im ungarischen Györ 180 Mitarbeiter von den geplanten Entlassungen betroffen, teilte der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Pluta nach einer Betriebsversammlung mit. Das Werk in Nürnberg soll geschlossen werden.

Allerdings könnten sieben Mitarbeiter aus Nürnberg dauerhaft in Göppingen weiterbeschäftigt werden. Weiteren zehn Mitarbeitern werde in Göppingen ein befristeter Vertrag angeboten. Am Stammsitz in Göppingen arbeiten insgesamt 651, in Nürnberg 58 und in Györ 520 Beschäftigte. In Györ handle es sich vor allem um Leiharbeiter und Beschäftigte mit befristeten Verträgen.

Das Traditionsunternehmen hatte Anfang Februar Insolvenz angemeldet. Bislang hätten sich rund 110 potentielle Investoren gemeldet, sagte Pluta. "Sieben bis zwölf oder ein paar mehr sind realistische Interessenten." Im August könnte Märklin seinen Angaben zufolge bereits verkauft sein. "Wir werden mit allen weiterverhandeln, die nachweisen können, dass sie 100 Millionen Euro finanzieren können und Vertraulichkeit garantieren."

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Escada kämpft ums Überleben

Der größte deutsche Damenmode-Luxuskonzern Escada muss nach einem Verlust von 70 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr um sein Überleben bangen. Es bestehe ein Finanzierungsbedarf von 30 Millionen Euro in diesem Jahr, berichtete Finanzvorstand Markus Schürholz. Mit Banken und den Investoren würden derzeit Gespräche geführt. Zusätzlich plant der Konzern eine Herabsetzung des Kapitals, um damit auch die Voraussetzungen für die Ausgabe neuer Aktien zu schaffen. Eine Insolvenzgefahr schloss das Unternehmen nicht aus. "Es ist immer dann zu Ende, wenn kein Geld mehr da ist", sagte Schürholz.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat das Unternehmen den Verlust von zuletzt 27 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die Kaufzurückhaltung machte sich bei den Käuferinnen der Luxusmode rund um den Globus zunehmend bemerkbar. "Gerade die hochwertige Mode ist ein Geschäft, dessen Erfolg stark von Stimmungsfaktoren abhängt", sagte Escada-Chef Bruno Sälzer. Der Umsatz ging um rund 15 Prozent auf 582 Millionen Euro zurück. 88 Prozent davon macht Escada im Ausland und ist daher stark von der weltweiten Krise betroffen. Am stärksten gingen die Erlöse im wichtigsten Markt USA zurück, aber auch in Asien kauften die Kundinnen nicht mehr soviel bei Escada ein.

Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2008/09 (31. Oktober) schrieb Escada bei sinkenden Umsätzen ebenfalls rote Zahlen. Die Erlöse gingen um 7,5 Prozent auf 131,5 Millionen Euro zurück, der Fehlbetrag summierte sich auf 6,3 Millionen Euro nach vier Millionen Euro im Vorjahr. Die Aktie, die im vergangenen Jahr schon mehr als 80 Prozent an Wert verloren hatte, brach nach diesen Zahlen nochmals um zeitweise mehr als zehn Prozent auf 1,85 Euro ein.

Sälzer will Escada unter anderem durch eine Verkleinerung der Kollektionen und einen drastischen Sparkurs aus der Krise führen. Auch ein Stellenabbau sei möglich. Derzeit beschäftigt der Konzern weltweit rund 4000 Menschen. "Wir sind davon überzeugt, bei Escada die Wende zum Besseren zu schaffen", sagte er. Der frühere Chef von Hugo Boss war im vergangenen Jahr als Sanierer an die Spitze von Escada getreten, nachdem seine beiden Vorgänger keine Kehrtwende einleiten konnten. Als finanzstarken Partner für die erhoffte Wende gewann Escada die Tchibo-Eigner Wolfgang und Michael Herz, die knapp 25 Prozent der Aktien halten. Weiterer Großaktionär ist der russische Multi-Millionär Rustam Aksenenko, der zuletzt rund 20 Prozent der Anteile hielt.

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Air Berlin plant Bündnis mit TUIfly

Einst lotete TUIfly zusammen mit Germanwings ein Bündnis gegen Air Berlin aus - nun schmieden die beiden Fluggesellschaften eine Allianz. Nach Angaben von Air Berlin befinden sich beide Unternehmen in fortgeschrittenen Verhandlungen über eine mögliche Zusammenarbeit. Ein Sprecher des TUI-Konzerns in Hannover bestätigte dies und sagte, möglich sei eine Überkreuzbeteiligung.

Air Berlin, die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, erwäge eine Beteiligung von bis zu 20 Prozent an TUIfly, teilte der Berliner Konzern mit. Gleichzeitig soll die TUIfly-Mutter TUI Travel im selben Ausmaß Anteile von Air Berlin kaufen. Damit könnte die von Experten lange erwartete Konsolidierung am deutschen Ferienflugmarkt wieder an Fahrt gewinnen.

Welche Auswirkungen ein solcher Deal hätte, ist noch unsicher. Geplant ist, dass Air Berlin künftig die Städteverbindungen der TUIfly fliegt und dafür die entsprechenden Kapazitäten des Ferienfliegers übernimmt. TUIfly selbst soll weiter das Chartergeschäft bedienen. Einer Kooperation müssten noch die zuständigen Gremien und die Kartellbehörden zustimmen. Die Air-Berlin-Aktie legte nach der Ankündigung um mehr als zehn Prozent zu.

Die Zukunft von TUIfly ist seit Monaten ungewiss. Nachdem Gespräche über eine Fusion mit der Lufthansa-Billigflugtochter Germanwings und dem Konkurrenten Condor gescheitert waren, hatte der Reisekonzern mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit über eine Verkleinerung der Flotte verhandelt, um den Ferienflieger im Konzern zu lassen. Als Alternative zu einer Einigung mit den Piloten hatte TUI bereits in der Vergangenheit eine Kooperation mit Air Berlin in Betracht gezogen.

Die Berliner Airline ist selbst nicht nur im Linienverkehr tätig, sondern auch im Ferienflugmarkt. Wichtige Kunden sind etwa die Kölner Rewe-Gruppe und der viertgrößte deutsche Reiseveranstalter Alltours.

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