Wirtschaft kompakt:Der miese Trick mit der Verpackung

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Verbraucherschützer warnen vor heimlichen Preiserhöhungen, der Bankenverband korrigiert seine Prognose und die Zahl der Firmenpleiten steigt - das Wichtigste im Überblick.

Mieses Rumgetrickse bei Verpackungen

Der Schmu mit den Verpackungen: Oft ist weniger drin als draufsteht. (Foto: Foto: dpa)

Seit Wegfall der meisten verbindlichen Mengenvorgaben tricksen nach Beobachtung der Verbraucherzentrale Hamburg immer mehr Hersteller mit weniger Inhalt zum gleichen Preis. Bei Testkäufen fanden die Verbraucherschützer beispielsweise Schokoladentafeln mit 95 statt 100 Gramm Gewicht. Auch der Schokoriegel eines bekannten Markenherstellers schrumpfte in den vergangenen Monaten bei gleichem Ladenpreis von 26 auf knapp 22 Gramm. Der Bierkasten einer norddeutschen Brauerei enthielt nur noch 27 statt 30 Flaschen, die Windelpackung eines Markenherstellers nur noch 40 statt 44 Stück.

Bei dem Tiefkühl-Fischfilet eines Markenherstellers blieb nach den Angaben der Verbraucherzentrale zwar die Füllmenge mit 380 Gramm gleich, doch sank der Fischanteil von 70 auf 52 Prozent. "Auch bei vielgekauften Lebensmitteln werden die Verbraucher künftig mit versteckten Preiserhöhungen hinters Licht geführt werden", erklärte Verbraucherschützer Armin Valet. Die Masche werde überall angewendet, bei Süßigkeiten ebenso wie bei Kosmetik oder Säuglingsnahrung. Die versteckten Preiserhöhungen liegen nach den Stichproben der Verbraucherschützer häufig im zweistelligen Bereich.

Von wegen Boykott

Im Kampf um höhere Milchpreise darf der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) nicht zum Lieferboykott aufrufen. Die Aufforderung zum flächendeckenden Lieferstopp durch den Verband im Mai vergangenen Jahres sei ein Verstoß gegen das Kartellrecht gewesen, erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Der Kartellsenat wies damit die Beschwerde des BDM gegen eine Abmahnung des Bundeskartellamts zurück.

Die Aufsichtsbehörde hatte für den Fall eines erneuten Boykotts mit Bußgeld gedroht. Preise dürften nicht durch Boykottaufrufe gestaltet werden, begründete der Kartellsenat seine Entscheidung. Sie müssten über den Wettbewerb, also über Angebot und Nachfrage geregelt werden. Der Aufruf zum Milch-Lieferboykott sei daher unbillig und kartellrechtswidrig gewesen, erklärte das Gericht.

Der Verband der Milchviehhalter hatte im Mai zu einem Lieferstopp an die Molkereien aufgerufen, nachdem der Rohmilchpreis teilweise auf bis zu 30 Cent je Kilogramm Milch gesunken war. Dem BDM zufolge sind in den ersten Tagen rund 85 Prozent der Milchmenge nicht mehr an die Molkereien geliefert worden. Der Boykott wurde am 5. Juni beendet. Das Bundeskartellamt wertete die Aktion im vergangenen November als einen Verstoß gegen das Boykottverbot und erklärte damals, strukturpolitische Probleme dürften keinesfalls mit kartellrechtswidrigen Mitteln gelöst werden. Bei künftigen Aufrufen dieser Art werde unverzüglich ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Haniel findet neuen Boss

Der frühere Deutschland-Chef der Unternehmensberatung McKinsey, Jürgen Kluge, soll neuer Vorstandsvorsitzender des Duisburger Familienunternehmens Haniel werden. Mit dieser Ankündigung beendete das Unternehmen Spekulationen, der gerade erst mit einer Millionenabfindung abgetretene ehemalige Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick könne den Chefsessel bei Haniel übernehmen.

Der 56-jährige Kluge soll zum 1. Januar den bisherigen Haniel-Vorstandschef Eckhard Cordes ablösen. Cordes will sich dann ganz auf die Führung des größten deutschen Handelskonzerns Metro konzentrieren, dem wichtigsten Investment des Familienimperiums.

Bislang hatte der Manager die Leitung beider Unternehmen in seiner Hand vereint. Doch hatte der Manager zuletzt immer wieder betont, diese Doppelbelastung könne kein angesichts der Finanzkrise kein Dauerzustand sein.

Haniel berichtete, der Personalausschuss des Aufsichtsrates habe am Mittwoch beschlossen, dem Kontrollgremium die Berufung Kluges zum 1. Januar 2010 vorzuschlagen. Der Aufsichtsrat werde darüber am Freitag entscheiden. Kluge ist zurzeit Honorarprofessor an der TU Darmstadt.

(sueddeutsche.de/AP/mel/tob)

Aufwärts - aber nur ein bisschen

Lichtblick für die deutsche Wirtschaft: Für das zweite Halbjahr sei mit einem Wachstumsschub zu rechnen, teilte der Bankenverband mit. "Doch auch dann bleibt 2009 das mit weitem Abstand schlechteste Jahr Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg", schreiben die Experten. Die Wirtschaftsleistung werde voraussichtlich um fünf Prozent einbrechen und damit so stark wie nie seit Gründung der Bundesrepublik. Die Regierung geht von einem Minus von sechs Prozent aus.

Für das nächste Jahr rechnen die Wirtschaftsforscher wieder mit einem leichten Wachstum. 2010 dürfte dann die Wirtschaft um 1,5 Prozent zulegen, schätzt der Bankenverband und ist damit deutlich optimistischer als der Internationale Währungsfonds (IWF), der ein Minus vorhersagt. Allerdings dürfe man sich nicht zu früh freuen, warnten die Bankenverbands-Experten: "Ein großer Teil dieses Wachstums ist auf das Tempo zurückzuführen, mit dem wir das zweite Halbjahr dieses Jahres verlassen."

Insgesamt sind die Konjuntkurexperten des Bankenverbands inzwischen weitaus optimistischer, als noch vor wenigen Wochen. Im August hatte der Verband für das laufende Jahr noch ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um sechs Prozent prognostiziert, und für das nächste Jahr ein Wachstum von lediglich 0,5 Prozent.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht auch die globale Konjunktur vor einem moderaten Erholungskurs. Im zweiten Halbjahr 2009 sei sogar mit einem recht kräftigen Anstieg der weltweiten Produktion zu rechnen, teilte das IfW mit. Entsprechend hob das Institut seine Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) an. Für 2009 rechnet das Institut nun mit einem Rückgang des weltweiten BIP um 1,2 Prozent, nach bislang minus 1,5 Prozent. 2010 sehen die Forscher ein Wachstum von 2,8 Prozent, nachdem bisher eine Rate von 2,3 Prozent genannt wurde.

Zahl der

Firmenpleiten

rasant gestiegen

Trotz optimistischer Prognosen: Die Wirtschaftskrise hinterlässt tiefe Spuren in der Unternehmenslandschaft. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stieg die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland im ersten Halbjahr um fast 15 Prozent. Insgesamt meldeten in diesem Zeitraum mehr als 16.000 Unternehmen Insolvenz an, alleine im Juni waren es knapp 2800 - ein Plus von gut 16 Prozent.

Der Insolvenzverwalterverband VID befürchtet, dass die Zahl der Unternehmenspleiten in den kommenden Monaten sogar weiter steigen wird. Die leichte konjunkturelle Erholung in den vergangenen Monaten sei aller Wahrscheinlichkeit nicht nachhaltig, da vor allem Schlüsselbranchen wie Automobil- und Maschinenbau, aber auch die Möbelindustrie noch eine weite Wegstrecke zurück zur Normalität zu bewältigen hätten. "Von einem Rückgang der Insolvenzanmeldungen bei Unternehmen ist deshalb vermutlich erst Ende 2010 auszugehen", erklärte Verbandschef Siegfried Beck.

Besonders besorgniserregend ist aus Sicht des VID, dass zuletzt eine Vielzahl "eigentlich gesunder Unternehmen" hätten Insolvenz anmelden müssen. Sie verfügten zwar über eine starke Eigenmittelausstattung und hielten deshalb in der Krise länger durch als andere. "Viele Unternehmen bleiben noch kurz vor Ende der Durststrecke liegen", sagte Beck. "Sie haben keine Reserven mehr, um ans rettende Ufer zu gelangen." Hinzu komme noch die weiterhin sehr vorsichtige Kreditvergabepraxis der Banken, die vor allem den Mittelstand belaste.

Quelle zittert um Fortführung von Kreditlinien

Das insolvente Versandunternehmen Quelle bangt um die Fortführung seiner Kreditlinien über rund 300 Millionen Euro.

Die Frist für die Verlängerung läuft am Mittwoch um 24 Uhr aus, bestätigte eine Sprecherin der Valovis Bank. Dann müssen sich der Insolvenzverwalter und die Kreditinstitute über die weitere Finanzierung geeinigt haben.

"Wir haben Bereitschaft signalisiert", sagte die Sprecherin. Jedoch müssten die weiteren beteiligten Geldinstitute, die Commerzbank und die BayernLB, im gleichen Rang haften. Der Sprecher des Insolvenzverwalters sagte: "Die Gespräche laufen konstruktiv." Es gehe noch um die interne Risikoverteilung zwischen den Banken.

Die Valovis Bank als Hausbank von Quelle hatte dem Versandunternehmen nach der Insolvenzanmeldung den Geldhahn zugedreht und Quelle damit in existenzielle Not gebracht. Erst nach Zusage eines staatlichen Massekredits wurde die Finanzierung wieder aufgenommen.

Allerdings seien die Konditionen überhöht, hatte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg Mitte August in Nürnberg beklagt und deutlich gemacht, dass die Banken ihre Forderungen reduzieren müssten.

Görg will bei Quelle rund 3700 der 10.500 Stellen streichen. Allein bis Ende September werden nach Angaben der Gewerkschaft Verdi bundesweit 3200 Beschäftigte ihre Kündigung erhalten. Die Gewerkschaft fordert gemeinsam mit den Betriebsräten die Einrichtung einer Transfergesellschaft. Da die Eigenmittel des Insolvenzverwalters nicht ausreichten, bräuchten die Beschäftigten Unterstützung durch Fördermittel aus den verschiedenen Bundesländern, erklärte Verdi.

Telekom streicht in Großbritannien Jobs

Die Deutsche Telekom bringt ihre britische Mobilfunktochter T-Mobile UK in ein Joint-Venture mit dem France-Telecom-Ableger Orange ein. Die Folge: Arbeitsplätze werden abgebaut.

Telekom-Finanzvorstand Timotheus Höttges nannte im Gespräch mit dem Handelsblatt jedoch keine genaue Zahlen. Die beiden Partner versprächen sich von der Zusammenführung jedoch Synergien in Höhe von umgerechnet vier Milliarden Euro.

Höttges betont demnach, dass aber auch bei einem Verkauf oder im Falle der eigenständigen Weiterentwicklung ein Stellenabbau unvermeidlich gewesen wäre:

"Eine Kooperation war nicht unser einziger Plan. Unser neues Management in Großbritannien hat einen Sanierungsplan ausgearbeitet, der vor allem auf reduzierte Kosten und aggressivere Preise setzt. Auf den hätten wir zurückgegriffen, wenn wir uns nicht mit einem Wettbewerber geeinigt hätten."

Die Telekom will demnach von dem Joint Venture bereits 2010 bilanziell profitieren. Analysten gehen von einer Steigerung des Barmittelüberschusses in Höhe von 400 Millionen Euro aus, sagte Höttges. Die Telekom erwarte, dass der Betrag nicht weit davon entfernt liege.

Länder hauen Geld raus

Die Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern planen Hilfsmaßnahmen für die angeschlagene Werft Hegemann. In der kommenden Woche seien Gespräche der niedersächsischen Landesregierung mit dem Unternehmen über Bürgschaften geplant, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Auch Mecklenburg sei in Verhandlungen mit der Werft, den Banken und dem Bund, sagte ein Sprecher in Schwerin. Die Höhe der nötigen Bürgschaften sei noch unklar. Sie hängt davon ab, für wie viele Schiffbauaufträge solche Hilfen nötig sind. Kreisen zufolge könnte das Volumen über 200 Millionen Euro betragen.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte sich zuvor im Weser Kurier zu Wort gemeldet und dabei die staatliche KfW-Bank als Helfer ins Spiel gebracht. "Bei Hegemann ist jetzt wichtig, auf Bundesebene alles zu versuchen, was im Rahmen der Hilfsprogramme der staatlichen KfW-Bank möglich ist", sagte Rösler. "Wenn die Notwendigkeit besteht, dass wir mit der KfW sprechen, um den Prozess voranzutreiben, werden wir das gerne machen".

Auch das Land verlange als Voraussetzung, dass nur solche Unternehmen in den Genuss von Bürgschaften kommen sollten, die ein zukunftsträchtiges Konzept vorweisen können. "Es reicht sicher nicht allein zu sagen, dass man wegen der Krise in Schwierigkeiten steckt. Die Werften müssen erklären, wie sie sich aus der Krise heraus umstrukturieren wollen", sagte der FDP-Politiker.

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