China:Virusbekämpfung ist Rezessionsbekämpfung

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Wer will, dass die Menschen wieder einkaufen, ins Lokal und auf Reisen gehen, muss ihnen die Angst vor einer Ansteckung nehmen. (Foto: AP)

Das Beispiel China lehrt: Wer will, dass Menschen wieder einkaufen, ins Lokal und auf Reisen gehen, muss ihnen die Angst vor einer Ansteckung nehmen.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Chinas Volkswirtschaft ist in diesem Sommer um fast fünf Prozent gewachsen. Was einst klang wie eine Langweiler-Schlagzeile für Ökonomiestudenten, ist dieser Tage eine spektakuläre Nachricht für die ganze Welt. China wächst, das heißt nicht nur, dass die Volksrepublik selbst deutlich mehr produziert hat als im gleichen Vorjahresquartal, es bedeutet auch mehr Nachfrage nach deutschen Autos, amerikanischen Handys und französischem Wein. Vor allem aber zeigt es: Eine Überwindung der Corona-Rezession ist möglich. Das sollte all jenen Mut machen, die derzeit mit den wirtschaftlichen Folge der Pandemie zu kämpfen haben.

Die Nachricht aus China hält aber auch Lehren bereit, die der Rest der Welt genau studieren sollte. Die wichtigste lautet: Virusbekämpfung ist Rezessionsbekämpfung. Wer will, dass die Menschen wieder einkaufen, ins Lokal und auf Reisen gehen, muss ihnen die Angst vor einer Ansteckung nehmen. Andernfalls wird ein Teil der Bürger schlicht zu Hause bleiben und so den Aufschwung behindern. Der Streit zwischen manchen Virologen und Ökonomen, ob nun der Kampf gegen die Ausbreitung des Keims oder gegen die Erdrosselung der Wirtschaft wichtiger ist, ist ein Scheingefecht. Die Eindämmung der Pandemie mit Hilfe strenger Kontaktbegrenzungen ist kein Hemmschuh, sondern Voraussetzung für die Überwindung der Rezession.

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Das Beispiel China zeigt auch, dass ein kurzer, radikaler Lockdown effektiver ist als ein langes, halbherziges Durchwurschteln nach Art der USA. Nun taugt die Volksrepublik natürlich nur sehr bedingt zum Vorbild, denn Peking schert sich bekanntlich weder um Bürgerrechte noch um Demokratie. Von China lernen, bedeutet deshalb nicht, die Menschen zu gängeln und zu überwachen.

Was man sich in Berlin aber sehr wohl anschauen sollte, ist etwa, wie die Volksrepublik alle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zentral koordiniert und aufeinander abstimmt. Eine solche Synchronisation ist die Voraussetzung dafür, dass kurze, regional begrenzte Lockdowns ihre Wirkung entfalten können. Wurschtelt dagegen jeder vereinzelt vor sich hin, wie das die US-Bundesstaaten und gelegentlich auch die deutschen Bundesländer tun, ist das geradezu eine Einladung an das Virus, sich im ganzen Land weiter zu verbreiten.

Die Pandemie verbreitert die Kluft zwischen Arm und Reich

Überwunden ist die Krise auch in China noch nicht, sie wird vielmehr dort wie im Rest der Welt tiefe Spuren hinterlassen. Schon heute verbreitert die Pandemie die Kluft zwischen Arm und Reich, Schwarz und Weiß, Gering- und Hochqualifizierten. Sie beschleunigt den industriellen Strukturwandel hin zu mehr Computer- und Robotereinsatz, vergrößert die Schuldenlast von Privathaushalten, Firmen und Staat, dämpft die Investitionsbereitschaft und erhöht die Zahl der Langzeitarbeitslosen. All diese Faktoren werden Wachstum und Wohlstand auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte hinaus belasten.

Für die Regierungen der Welt ist die Krise Risiko und Chance zugleich. Wer - wie etwa Donald Trump - glaubt, er könne einfach zurückkehren in die vermeintlich goldenen Zeiten vor der Pandemie, wird sein Land wirtschaftlich vor die Wand fahren. Wer dagegen die Gelegenheit nutzt, um den industriellen Wandel hin zu umweltschonenden Fertigungsmethoden zu beschleunigen, die Digitalisierung voranzutreiben und die Menschen für die Jobs von morgen zu qualifizieren, für den kann sich der Donnersturm der letzten Monate auch als reinigendes Gewitter erweisen.

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