Untersuchungsausschuss:Opposition will wegen Wirecard Beschwerde beim BGH einlegen

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November 2020: Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, sagt im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages aus. (Foto: Fabrizio Bensch/dpa)

Das Gericht hatte im August entschieden: Ein für Wirecards Wirtschaftsprüfer heikler Bericht muss unter Verschluss bleiben. Die Bundestagsopposition will dagegen vorgehen - braucht dafür aber die Hilfe des Parlamentspräsidenten.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt

Das Anliegen ist als höfliche Bitte formuliert, in einem offiziellen Schreiben an den Bundestagspräsidenten. Wolfgang Schäuble möge, so schreiben es die parlamentarischen Geschäftsführer von Linken, FDP und Grünen, beim BGH Beschwerde einlegen: gegen den im August in Karlsruhe ergangenen Beschluss, ein vor allem für Wirecard-Geschädigte und -Gläubiger wichtiger Untersuchungsbericht müsse unter Verschluss bleiben. Nach Überzeugung der Unterzeichnenden und ihrer Fraktionen mangele es dem Abschlussbericht des Wirecard-Untersuchungsausschusses an Aussagekraft, "fehlten darin die Berichte der Ermittlungsbeauftragten in einer für die Öffentlichkeit nachvollziehbaren, also ungeschwärzten Fassung". Weil es den Ausschuss nicht mehr gibt, ist jetzt das Präsidium des Parlaments gefragt.

Den Abgeordneten geht es um die in mehreren Berichten dokumentierte Sonderprüfung zur Arbeit von Wirecards langjährigem Abschlussprüfer EY. Der Kölner Wirtschaftsprüfer Martin Wambach hatte sich im Auftrag des Untersuchungsausschusses durch Tausende Dateien und Akten gearbeitet und nach möglichen Fehlern in den Abschlussprüfungen bei Wirecard seit 2016 gesucht. Die Berichte sind weitgehend als geheim eingestuft und bislang nur in geschwärzter Form zugänglich. Für EY sind Wambachs Erkenntnisse heikel: Ihm zufolge fanden sich zahlreiche Ansatzpunkte dafür, dass Wirecards Abschlussprüfer berufsrechtliche Regeln "nicht vollumfänglich umgesetzt" hatten. Bei EY, so der Tenor, wurde womöglich geschlampt, und auch deshalb sei der mutmaßliche Betrug bei Wirecard nicht früher aufgeflogen. EY hat das stets zurückgewiesen und betont, selbst betrogen worden zu sein.

Haben Untersuchungsausschüsse Rechtsnachfolger?

Mit dem Ansinnen, die Berichte in ungeschwärzter Form öffentlich zu machen, waren die Ausschussmitglieder Anfang August am BGH gescheitert. Der entsprechende Antrag war zwar noch gerade rechtzeitig eingegangen - einen Tag bevor sich der Untersuchungsausschuss am 25. Juni auflöste. Allerdings seien die erforderlichen Unterlagen erst viel später beim BGH angekommen, hieß es später im Beschluss des BGH-Ermittlungsrichters Andreas Sturm. Am 5. August, als das Gericht dann entschied, gab es den Ausschuss gar nicht mehr. Und weil der Ausschuss als Gremium keinen Rechtsnachfolger hat, ist der Antrag auch nicht zulässig.

Aber stimmt das auch? Die drei Oppositionsfraktionen wollen das jetzt geklärt wissen: ob denn nicht doch der Bundestag an sich Rechtsnachfolger eines Untersuchungsausschusses sein kann. Davon waren die Abgeordneten ausgegangen, der BGH hatte das aber unter Verweis auf das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verneint.

Nun gehe es also um "ungeklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung", schreiben die Unterzeichner des Briefs an Schäuble, Britta Haßelmann (Grüne), Jan Korte (Linke) und der Ex-Obmann seiner Fraktion im Wirecard-Ausschuss Florian Toncar (FDP). "Eine Entscheidung des Senats des Bundesgerichtshofs ist erforderlich, um Rechtssicherheit, auch für zukünftige Untersuchungsausschüsse, zu erlangen", heißt es weiter. Das betont auch die Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus. Ihrer Ansicht sei es außerdem von Anfang an falsch gewesen, die EY-Dokumente als geheim einstufen zu lassen. Das habe allein dem Zweck gedient, "die Aufklärungsarbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu erschweren und hinauszuzögern".

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