Bilanzskandal:Kein Verdacht gegen Ex-Wirecard-Chefkontrolleur Eichelmann

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Anleger hatten den letzten Aufsichtsratschef des insolventen Zahlungsdienstleisters angezeigt, rein formell gilt er deshalb als Beschuldigter. Aber gegen ihn liegt offenbar nichts vor.

Von Jan Diesteldorf und Klaus Ott, Frankfurt

Thomas Eichelmann (Foto: Wirecard)

Wer für Deutschlands Skandalkonzern Nummer eins gearbeitet hat, der ist potenziell in Schwierigkeiten. Manche Wirecard-Manager sogar in ziemlich großen, sie sitzen in Untersuchungshaft wie der frühere Vorstandschef Markus Braun (der alle Vorwürfe zurückweist) oder werden weltweit gesucht wie Ex-Vorstand Jan Marsalek. Andere müssen noch Ermittlungen fürchten oder sind mit solchen schon konfrontiert, so wie der langjährige Aufsichtsratschef Wulf Matthias, den die Ermittler aus München im Zusammenhang mit Kreditvergaben von Wirecard der Beihilfe zur Untreue verdächtigen.

Wieder andere hatten zwar mit der Wahl ihres Jobs bei dem Zahlungsanbieter kein Glück, müssen aber eher nicht mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Zu ihnen gehört Wirecards letzter Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann. Mehr als 15 Strafanzeigen gegen ihn sind nach Informationen der SZ seit der Wirecard-Pleite bei der Staatsanwaltschaft eingegangen - offenbar haben geschädigte Anleger wahllos Anzeigen gegen Wirecard-Verantwortliche erstattet, darunter auch die früheren Mitglieder des Aufsichtsrats.

Rein formal gilt Eichelmann neben anderen Ex-Kollegen deshalb als Beschuldigter, was an der bayrischen Aktenordnung liegt: Ein solcher Vorgang bekommt im Freistaat automatisch ein Aktenzeichen. Von außen sieht das mit dem für Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft reservierten Registerzeichen "Js" dann ernst aus. Einen Anfangsverdacht gegen den 56-jährigen Eichelmann konnten die Ermittler aber bisher nicht finden- sie führen ihn lediglich als Zeugen, und als solcher hat er im Wirecard-Verfahren auch seine Sicht der Dinge zu Protokoll gegeben.

Konkreter Verdacht bislang nur gegen einen Ex-Aufsichtsrat

Der einstige Deutsche-Börse-Vorstand kam im Sommer 2019 zu Wirecard, als das Kontrollgremium erweitert wurde. Im Januar 2020 übernahm er den Vorsitz von Wulf Matthias. Während seiner Zeit im Aufsichtsrat deckten zuerst Sonderkontrolleure von KPMG schwere Mängel und Ungereimtheiten auf, später verweigerten die Abschlussprüfer von EY das Testat für den Jahresabschluss 2019 und besiegelten damit Wirecards Ende. Mehrere Dutzend Beschuldigte hat die Staatsanwaltschaft München I seit Beginn der Ermittlungen eingetragen, sie untersucht ein weltumspannendes mutmaßliches Betrugsnetzwerk, an dessen Spitze unter anderem der flüchtige Jan Marsalek und der inhaftierte Markus Braun gewirkt haben sollen. 170 Firmen, 347 Konten und 453 Personen, die Teil dieses Netzwerkes gewesen sein könnten, hatten die Ermittler bis Anfang 2021 identifiziert.

Die Beteiligten sollen nach Erkenntnissen der Ermittler mindestens seit 2015 Einnahmen vorgetäuscht und Verluste verschleiert, Banken und Anleger getäuscht und Millionensummen veruntreut haben - gewerbsmäßiger Bandenbetrug über 3,2 Milliarden Euro, so lautet einer der zahlreichen Vorwürfe. Untersuchungshäftling Markus Braun weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als haltlos zurück; er sei selbst von der Bande rund um Marsalek hintergangen worden.

Wulf Matthias, dessen Wohn- und Geschäftsräume die Staatsanwaltschaft im Juni durchsuchen ließ, ist bislang der einzige Ex-Kontrolleur, gegen den konkret ermittelt wird. Er muss sich mit dem Vorwurf der Beihilfe zur Untreue im Zusammenhang mit Großkrediten an dubiose Partnerfirmen von Wirecard auseinandersetzen. Unter dem Vorsitz von Matthias hatte der Aufsichtsrat einigen dieser Kredite zugestimmt. Die Ermittler vermuten, dass auf diese Weise hohe Geldbeträge aus dem Wirecard-Konzern in dunkle Kanäle in Asien abgeflossen seien. Matthias Strafverteidiger teilte mit, man weise den Vorwurf "uneingeschränkt als unzutreffend zurück".

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