VW und Christian Wulff:Der Ankermann

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Niedersachsens Ministerpräsident Wulff profiliert sich als einflussreichster Wirtschaftspolitiker - und als künftig entscheidender Mann bei Europas größtem Autokonzern Volkswagen.

Karl-Heinz Büschemann

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff hat an diesem Samstag einiges zu tun. Mittags muss er im Berliner Reichstag den Bundespräsidenten wählen und er hofft, dass die Wahl schnell über die Bühne geht. Wulff muss noch zum Fußball.

Zieht die Strippen: Christian Wulff. (Foto: Foto: ddp)

Es könnte sein, dass am Nachmittag der VfL Wolfsburg als Deutscher Fußballmeister gefeiert wird. Da darf der Ministerpräsident nicht fehlen. Am Rande des Spieles will sich Wulff auch noch mit Ferdinand Piëch unterhalten - über die jüngsten Entwicklungen im Kampf mit dem Zuffenhausener Sportwagen-Hersteller Porsche. Der ist mit dem Versuch gescheitert, Volkswagen zu übernehmen. Doch während Piëch gerne deutlich zeigt, wie sehr ihn der Kampf gegen Porsche und die Demütigung des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking freut, wird Wulff wieder kein Triumph-Gefühl zeigen. Er ist deutscher Meister im stillen Genießen.

Es läuft gut für den Ministerpräsidenten in Hannover, der im nächsten Monat 50 wird. Wie der bizarre Streit zwischen VW und Porsche auch ausgeht. Der Sieger heißt Wulff, weil das Land Niedersachsen in dem neuen Unternehmen seine bisherigen Privilegien behält. Egal, ob Porsche VW frisst oder umgekehrt. Das hat er sich von allen Beteiligten zusichern lassen: Bei VW läuft auch in Zukunft nichts gegen das Bundesland, das 20 Prozent der Aktien hält. Auch der Streit zwischen dem fränkischen Kugellagerhersteller Schaeffler und dem Reifen- und Autotechniklieferanten Continental scheint sich zu Gunsten Niedersachsens zu wenden. Für den Ministerpräsident kein Grund zum Freudengeheul. "Ich habe zwei Wahlen verloren", sagt er im Gespräch mit der SZ. Er wisse, wie schnell Politiker wieder heruntergeschrieben werden. "Ich bin über diese Entwicklung nur bedingt glücklich".

Meister im stillen Genießen

Lange galt Wulff als das Leichtgewicht der Union und als ewiger Verlierer. Ministerpräsident wurde der Jurist erst nach acht harten Jahren in der Opposition. Zudem ist er ein Mann leiser Töne. Seine Vorgänger Gerhard Schröder und Siegmar Gabriel (beide SPD) gefielen sich als Sprüchepräger und Basta-Politiker. Heute schauen die neidisch auf den Unterschätzten. Kaum ein deutscher Ministerpräsident kann eine solche Bilanz vorlegen. Wulff kann zufrieden sein. Er hat in Niedersachsen zwei Dax-Konzerne, Salzgitter und Volkswagen, beide stehen in der allgemeinen Wirtschaftskrise besser da als die Konkurrenz. Wulff gilt in der Union als kompetenter Wirtschaftspolitiker mit Kanzler-Format.

Im Wettbewerb der CDU-geführten Bundesländer macht er Punkte. Dass das Machtzentrum von Porsche möglicherweise bald von Baden-Württemberg nach Niedersachsen abwandert, quittiert er mit einem lapidaren: "So ist das eben". Früher hätten ihm seine Ministerpräsidenten-Kollegen auch mal etwas weggenommen. Das habe er auch nicht krumm genommen.

Allerdings gelingt auch Wulff nicht alles. Die Pleite des Autozulieferers Karmann in seiner Heimatstadt Osnabrück, wo er seinen Wahlkreis hat, konnte auch er nicht verhindern. Wulff hat aber eine Eigenschaft, die ihn in kleinen Schritten weiterbringt und fast unbemerkt in die Machtzentren führt: Es ist seine Zurückhaltung, die schon mal mit Harmlosigkeit verwechselt wird.

Wulff ist pragmatisch und offenbar nicht nachtragend. "Ich schaue nicht in den Rückspiegel", sagt er. So hat er seinen Frieden mit Piëch gemacht, dem VW-Aufsichtsratschef. Dem hat Wulff noch vor zwei Jahren einen Interessenkonflikt bei VW vorgeworfen. Der sitze als Mitgesellschafter von Porsche beim VW-Einstieg auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Wulff wollte Piëch ablösen lassen, schaffte es aber nicht. Nun bildet er mit Piëch eine Betonwand gegen den Eindringling aus Zuffenhausen, auch wenn er das nie so sagen würde. Er habe beste Beziehungen auch zu Piëchs Widersacher Wolfgang Porsche, der hinter der Idee steckt, VW durch Porsche schlucken zu lassen.

Wulff wartet geduldig auf seine Stunde und sichert seinen Einfluss. Mögen andere streiten. Er hält sich zurück. Vielleicht ahnt er schon, dass auf das Land Niedersachsen noch eine ganz neue Rolle zukommen wird: die des Ankeraktionärs, der auch im schwersten Sturm nicht den Halt verliert. Die Familie-Porsche, die etwa 50 Prozent von Volkswagen hält, könne in Wolfsburg eine stabilisierende Rolle spielen wie die Unternehmerfamilie Quandt bei BMW. Aber die Porsche-Gesellschafter sind seit Jahrzehnten zerstritten und niemand weiß, wie die Vettern und Brüder morgen oder übermorgen entscheiden. In Niedersachsen gibt es keinen Streit über VW - und niemand kann das Land überstimmen.

© SZ vom 23./24.05.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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