Bundespräsident Horst Köhler geht an diesem Samstag als Favorit in die Wahl des neuen Staatsoberhaupts. Dazu kommen am Mittag 1224 Mitglieder der Bundesversammlung in Berlin zusammen.
Am Freitag sicherten die Freien Wähler Köhler ihre Unterstützung zu. Mit den Stimmen aus Union, FDP und Freien Wählern könnte er schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen.
Der Vorsitzende der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwanger, kündigte am Freitag in Berlin an: "Wir werden für Horst Köhler stimmen." Köhler vertrete die Werte, die für seine Partei als Partei der Mitte wichtig seien. Mit den zehn Vertretern der Freien Wähler kann Köhler rein rechnerisch mit einer knappen absoluten Mehrheit bereits im ersten Wahlgang rechnen. Zusammen mit den Vertretern von Union und FDP käme das Köhler-Lager auf 614 der 1224 Stimmen. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass Einzelne aus diesem Lager Köhler ihre Unterstützung verweigern könnten.
Anders sieht es für Köhlers stärkste Kontrahentin aus, die SPD-Politikerin Gesine Schwan. Sie muss seit längerem fürchten, dass ihr Politiker aus den Reihen der SPD und der Grünen die Stimme verweigern könnten, weil sie den Amtsinhaber für einen guten Präsidenten halten.
Dieser erhielt am Freitag sogar aus der Linkspartei Signale, dass ihn der eine oder andere von dort unterstützen könnte. Parteichef Lothar Bisky sagte in Berlin, er könne sich durchaus vorstellen, dass Köhler in einem möglichen zweiten Wahlgang Stimmen aus der Linkspartei erhalten werde. Köhler habe als erster Bundespräsident ein Interesse an Gesprächen über die Lage in Ostdeutschland gehabt. Entsprechend sei es gut möglich, dass mancher ihn unterstützen werde, sollte der offizielle Kandidat der Linkspartei, Peter Sodann, sich nach dem ersten Wahlgang zurückziehen. Die Linke kann zur Wahl statt mit 90 nur mit 89 Stimmen antreten: Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke liegt nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus.
In seiner Rede zum 60. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik hob Köhler besonders das schwierige Leben der Ostdeutschen in der DDR hervor und lobte in besonderer Weise ihren Widerstand gegen das Regime, das schließlich zum Einsturz der Mauer geführt habe. "Danke an alle, die dabei waren! Ihr mutiger Einsatz hat unendlich viel zum Ansehen unseres Volkes in der Welt beigetragen", sagte Köhler vor mehreren hundert Gästen im Berliner Konzerthaus. Unter ihnen waren alle Vertreter der wichtigsten Verfassungsorgane, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesratspräsident Peter Müller (alle CDU). Auch dabei waren Bundesbankpräsident Axel Weber und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier.
In seiner gut 30-minütigen Rede warb Köhler zudem dafür, die Wirtschaftskrise nicht nur als Gefahr zu erleben, sondern als Chance zu nutzen. Er forderte eine "ökologische industrielle Revolution" und sagte: "Haben wir Deutsche mit der Leistungsfähigkeit unserer Wissenschaftler, Ingenieure und Facharbeiter nicht die besten Voraussetzungen, an einem weltweiten Wirtschaftswunder der Nachhaltigkeit mitzuwirken?" Mit Blick auf die Auswirkungen und Lernprozesse aus der Krise betonte der Bundespräsident: "Wir sind uns der neuen großen Herausforderungen bewusst. Wir stellen uns ihnen mit Selbstvertrauen, wir werden uns bewähren."