Paukenschlag im Schloss Bellevue: Bundespräsident Horst Köhler hat am 31. Mai 2010 seinen Rücktritt erklärt. Der CDU-Politiker verlas an der Seite seiner Frau Eva Luise eine kurze Erklärung, mit der er seinen Schritt begründete - ihm stockte die Stimme, am Ende hatte er Tränen in den Augen. Wenige Tage später, am 3. Juni 2010, haben sich nun die Parteispitzen von CDU, CSU und FDP auf einen Nachfolger geeinigt. Zehnter Bundespräsident soll der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff werden.
Köhler sagte, die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung. Das lasse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen.
Köhler (hier beim Besuch des Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen), teilte mit, er habe Bundesratspräsident Jens Böhrnsen (SPD) über seinen Schritt informiert. Böhrnsen übernimmt vorübergehend die Amtsgeschäfte. Köhler hatte Auslandseinsätze der Bundeswehr auch mit der Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen begründet und damit eine heftige Debatte ausgelöst.
So sah sich der neunte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland am liebsten: bürgernah und für Afrika werbend. Der Schwarze Kontinent lag dem früheren Chef des Internationalen Währungsfonds besonders am Herzen.
Horst Köhler wurde 1943 als Sohn umgesiedelter bessarabiendeutscher Bauern und als siebtes von acht Kindern im polnischen Skierbieszów südöstlich von Lublin geboren. Die Flucht vor dem Krieg brachte die Familie 1944 nach Leipzig. 1953 floh die Famile erneut: Aus der DDR in die Bundesrepublik. Heimisch wurde sie nach Stationen in diversen Auffanglagern im schwäbischen Ludwigsburg. Köhler macht schnell Karriere als Fachmann für Wirtschaftsfragen. Seit 1976 sammelt er Erfahrungen in verschiedenen Landes- und Bundesministerien. Von 1987 an leitet er die Abteilung Grundsatzfragen der Finanzpolitik im Bundesfinanzministerium, 1989 übernimmt er dort Amt des Staatssekretärs. Das Bild wurde kurz nach seiner Ernennung 1989 aufgenommen.
Lothar de Maizière, der erste und letzte frei gewählte Ministerpräsident der DDR, und Horst Köhler posieren 1995 mit einer 5-Mark-Münze vor dem Brandenburger Tor. Köhler ist zu diesem Zeitpunkt bereits Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, was ihm den Spitznamen Bundessparkassendirektor einbringt. Als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (bis 1993) hatte er jedoch maßgeblich die Wirtschafts- und Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR ausgehandelt.
Zwei Präsidenten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: "Ruck"-Redner Roman Herzog (l.) und Sparkassenpräsident Horst Köhler. Der konnte auf dem Deutschen Sparkassentag 1998 (Foto) noch nicht ahnen, dass er dem Mann links neben ihm einige Jahre später im Amt folgen würde. Erst mal sollte er noch Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE, Osteuropabank) in London werden und von 2000 an Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Am 23. Mai 2004 wird Köhler mit 50,1 Prozent zum neunten Bundespräsidenten gewählt. Am 1. Juli 2004 löst er Johannes Rau (zweiter von rechts) ab. Köhlers Präsidentschaft ist das Ergebnis einer Kungelrunde von FDP-Chef Guido Westerwelle und CDU-Chefin Angela Merkel - und der Anfang vom Ende der rot-grünen Koalition. Auf dem Bild posieren Horst Köhler und Johannes Rau nebst ihren Gemahlinnen vor dem Schloss Bellevue.
Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt lässt sich der neugewählte Bundespräsident Horst Köhler im Juni 2004 neben einem Poster eines Buches über ihn ablichten. Der Titel ist ein Zitat Köhlers: "Offen will ich sein - notfalls unbequem." Das klingt wie ein Versprechen. Offen bleibt er. Richtig unbequem aber war er nur für Kanzler Gerhard Schröder.
Pflichttermin für einen Bundespräsidenten: Horst Köhler besucht 2005 die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem. Anders als sein Vorgänger Johannes Rau vermochte es Köhler nicht, dem Termin eine besondere Note zu geben.
Wenn Horst Köhler mit einem Thema seine erste Amtszeit geprägt hat, dann mit dem Engagement für den afrikanischen Kontinent, wie hier bei einem Besuch in Sierra Leone im Dezember 2004. Kritiker werfen ihm vor, dass er als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) viel hätte von dem ändern können, was er als Bundespräsident anprangert.
Eines der Bilder des Jahres 2005: Kanzler Schröder stellte im Parlament die Vertrauensfrage, mit dem Ziel Neuwahlen herbeizuführen. Ein einmaliger Vorgang. Köhler tut sich schwer mit der Entscheidung, das Vorgehen abzusegnen, stimmt aber doch zu. Warum, das erklärt er am 21. Juli in einer Fernsehansprache. Überzeugt hat Köhler nicht, aber Schröder hat sein Ziel erreicht.Foto: Reuters
Im Volk ist Köhler äußerst beliebt. Das waren zwar alle Bundespräsidenten, aber Köhler unternimmt alles, um das Bild nicht zu trüben. Zum Beispiel wenn er auf einem Klettersteig vor den Felsen des Falkensteinmassivs im Nationalpark Sächsische Schweiz herumkraxelt, um den Deutschen die heimischen Naturschätze näher zu bringen.
Bundespräsident Horst Köhler und seine Frau Eva Luise verfolgen die Paralympics in Peking 2008. Zu Behinderungen hat Köhler ein ganz persönliches Verhältnis: Seine Tochter ist blind.
Eine der größten Tragödien in der jüngeren Geschichte und zugleich einer der bewegendsten Auftritte von Bundespräsident Horst Köhler: Der Trauergottesdienst eineinhalb Wochen nach dem Amoklauf von Winnenden. Köhler fand die richtigen Worte und hatte Tränen in den Augen.Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung-Pool/Getty Images
Horst Köhler wagt einen Blick aus einem Fenster im Schloss Bellevue. Er will eine zweite Amtszeit. Seine Herausforderin Gesine Schwan will das verhindern. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein amtierender Präsident, der weitermachen will, um seine Wiederwahl bangen muss. Doch am 23. Mai 2009 ...Foto: ddp
... reichte es für ihn schon im ersten Wahlgang zur Wiederwahl. 613 der insgesamt 1223 Delegierten stimmten für Köhler. Die SPD-Kandidatin Gesine Schwan wurde von 503 Wahlmännern und -frauen unterstützt. Peter Sodann erhielt 91 Stimmen, der Rechtsextreme Frank Rennicke vier Stimmen. Zehn Delegierte enthielten sich, zwei Wahlzettel waren ungültig.Köhler nahm die Wahl an und beendete seine kurze Ansprache mit einer persönlichen Note: Er dankte seiner Ehefrau Eva für ihre Unterstützung. "Jede Stunde ist ein Geschenk mit dir", sagte der 66-Jährige.Foto: AP
Zuletzt war es um Horst Köhler sehr still geworden: Monatelang hörten die Deutschen kaum etwas von ihrem Staatsoberhaupt. Ein Grund: Im Schloss Bellevue gab es große personelle Veränderungen - und Probleme. So hatte Köhlers Pressesprecher Martin Kothé seinen Abschied verkündet, weil er Differenzen mit dem neuen Amtschef Hans-Jürgen Wolff hatte. Berliner Beobachter vermuten, dass der Trubel um die Afghanistan-Aussage nicht entstanden wäre, wenn ein erfahrener Pressesprecher vorhanden gewesen wäre.