VW-Abgasskandal:Mächtiger US-Richter stellt Volkswagen "Ultimatum"

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VW-Feier im Werk Chattanooga: Bislang bietet der Konzern nur US-Kunden Schadenersatz. Das will der Anwalt ändern. (Foto: Friso Gentsch/dpa)
  • VW soll Antworten liefern: Der kalifornische Bundesrichter Charles Breyer stellt Volkswagen ein Ultimatum bis 24. März.
  • Bis dann soll VW einen Vorschlag zur technischen Lösung des Skandals um gefälschte Abgaswerte vorlegen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Höchstens vier Wochen noch will sich Charles Breyer das Spielchen ansehen - und keinen Tag länger: Bis zum 24. März, so hat es der Bundesrichter am Donnerstag in San Francisco entschieden, muss der Wolfsburger Volkswagen-Konzern einen mit den US-Umweltbehörden abgestimmten Vorschlag auf den Tisch legen, wie er den Skandal um gefälschte Abgaswerte technisch beizulegen gedenkt. Dies sei, so Breyer bei einer ersten Anhörung der Zivilprozessbeteiligten, durchaus als "Ultimatum" zu verstehen.

Jahrelang hatte VW die Abgaswerte seiner Dieselmotoren mithilfe einer Software manipuliert, um geltende Stickoxid-Grenzwerte kostengünstig unterbieten zu können und der Antriebstechnik auch außerhalb Europas zum Durchbruch zu verhelfen. In den USA, wo der Skandal aufflog, sind 600 000, weltweit etwa zwölf Millionen Pkw betroffen, wer die Verantwortung für die Betrügereien trägt, ist auch fünf Monate nach deren Auffliegen noch unklar.

Während zumindest die technischen Schwierigkeiten in Europa wohl vergleichsweise einfach zu lösen sein werden, steht Volkswagen in den Vereinigten Staaten vor einem Berg von Problemen: Weil die Abgasgrenzwerte für Diesel-Autos dort sehr viel strenger sind, wird das Unternehmen wohl einen erheblichen Teil der Wagen zurückkaufen müssen. Die übrigen Autos müssen teils aufwendig umgerüstet werden.

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Zumindest Breyer verliert dabei langsam die Geduld mit VW. "Ich habe ernsthafte Sorgen", sagte er zum Auftakt des Prozesses. "Fast 600 000 Fahrzeuge sind bis zum heutigen Tag ohne Zulassung auf den Straßen unterwegs" - und das obwohl das Top-Management spätestens seit Anfang September im Bilde gewesen sei. "Sechs Monate sollten reichen, um Beschlüsse zu fassen", so der Richter. VW-Anwalt Robert Giuffra versprach volle Kooperation, betonte aber auch, es handele sich um hochkomplexe technische Vorgänge.

In dem Zivilverfahren in San Francisco klagen Kunden, Gebrauchtwagenhändler und geschädigte Wettbewerber gegen den Wolfsburger Konzern. Breyer hat die mehr als 500 Eingaben zu drei Sammelklagen gebündelt. VW drohen Schadenersatz- und Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

In ihren Klageschriften gehen die Anwälte der Geschädigten mit VW hart ins Gericht. Die Betrügereien des Konzerns seien "eines der schamlosesten Wirtschaftsverbrechen der Geschichte, ein abschreckendes Beispiel, wohin der Wunsch nach einem Sieg um jeden Preis führt", heißt es etwa in der Beschwerde der Wettbewerber, die von Chevrolet angeführt werden. "Volkswagen katapultierte sich mit Hilfe von Betrug an die Spitze der automobilen Nahrungskette und sparte dabei kein Opfer aus - nicht die Kunden, nicht die in- und ausländischen Regulierungsbehörden und nicht einmal die Luft, die wir atmen."

Wie schon zuvor in den zugrunde liegenden einzelnen Sammelklagen werden neben den beteiligten Unternehmen auch aktive wie ehemalige Manager für den Skandal verantwortlich gemacht. Namentlich genannt werden unter anderem der frühere Porsche- und jetzige VW-Konzernchef Matthias Müller, sein Vorgänger Martin Winterkorn sowie Rupert Stadler und Volkmar Denner, die Chefs von Audi und dem Zulieferer Bosch. Im Zentrum der Kritik steht vor allem Winterkorn, dem vorgeworfen wird, die Menschen durch eine Kombination aus technischem Betrug und irreführender Werbung gezielt hinters Licht geführt zu haben. In einem der Schriften tauchen sogar Fotos aus einem in den USA sehr bekannten Werbespot auf: Darin hält eine ältere Dame ihren weißen Schal vor den Auspuff eines VW-Diesel-Pkw, um ihren Freundinnen zu beweisen, dass keine Schadstoffe ausgestoßen werden. So mancher VW-Manager würde sich wohl heute wünschen, dass es den Spot nie gegeben hätte.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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