Volkswagen:Spiel ohne Sieger

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Streit bei Volkswagen: Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch (Foto: REUTERS)

Im Machtkampf bei Volkswagen hat Konzernchef Winterkorn einen Punktsieg gegen den Patriarchen Piëch errungen. Als Gewinner geht er trotzdem nicht vom Platz.

Kommentar von Thomas Fromm

Der Donnerstagabend war ein Abend der klaren Ergebnisse. 4:1 verlor der VW-Club VfL Wolfsburg zu Hause gegen Neapel. Am gleichen Abend gewann VW-Chef Martin Winterkorn - auswärts in Salzburg - mit angeblich 5:1. Fünf Mitglieder des sechsköpfigen VW-Aufsichtsratspräsidiums, darunter Betriebsratschef Bernd Osterloh und Wolfgang Porsche, ein Cousin von Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, sollen sich hinter ihn und gegen den sechsten Mann im Gremium gestellt haben: Piëch. Dessen Versuch, Winterkorn vor einer Woche mit nur einem Satz ("Ich bin auf Distanz zu Winterkorn") zur Strecke zu bringen, ist vorerst gescheitert.

Klare Niederlage also für den Patriarchen, trotz Heimvorteils. Für den VW-Miteigentümer, der an diesem Freitag 78 Jahre alt wurde, eine unerwartete Schlappe, vielleicht sogar die größte seines Lebens. 5 zu 1, ein klares Ergebnis. Winterkorn darf nicht nur Chef bleiben, er soll sogar nach 2016 in die Verlängerung. Die sehr gesichtswahrende Lösung eines nervenaufreibenden Spiels ist eine Lösung, die aussieht wie ein Sieg, aber keiner ist. Denn die Spielregeln auf dem Rasen sind andere als im VW-Aufsichtsrat. Und deshalb muss man das Ergebnis von Salzburg anders lesen.

Am Ende des Spiels stehen zwei Verlierer auf dem Platz. Der eine heißt Piëch. Der andere Winterkorn.

Können Winterkorn und Piëch weiter zusammenarbeiten?

Ohne große Not hatte der Aufsichtsratschef seinen Manager vor einer Woche zum Abschuss freigegeben - nicht ahnend, dass das Spiel diesmal anders laufen würde, dass seine Mitstreiter im Aufsichtsrat zum ersten Mal von der Verteidigung in den Angriff gehen würden. Piëch, der große, unangefochtene Herrscher, der schon Auto-Manager wie Bernd Pischetsrieder und Wendelin Wiedeking in die Wüste geschickt hatte, ist an seine Grenzen gestoßen. Diese besondere Form der Machtausübung qua Halbsatz, die Piëch zum Herrscherprinzip erhoben hatte, funktioniert nicht mehr.

Dass Piëch der Verlierer ist, bedeutet nun nicht, dass Winterkorn gewonnen hat. Eine Woche lang musste der 67-Jährige bangen, eine Diskussion aushalten, die er nicht wollte und die ihm von dem anderen aufgezwungen wurde. Eine Woche, in der er, der erfolgreiche Manager, plötzlich vom handelnden Subjekt zum Objekt wurde. Eine Woche, in der andere zu Hilfe eilen mussten, um ihn vor dem Zugriff des Patriarchen zu schützen.

Winterkorn, der Mann, der gerne in die Verlängerung gehen möchte, ist nach dieser schweren Woche beschädigt - daran ändert auch die Rückendeckung durch Betriebsräte, Politiker und die Porsche-Familie nichts.

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Konzerne, erst recht wenn sie so groß sind wie der globale Industriekoloss Volkswagen, können nur dann funktionieren, wenn zwischen Vorstands- und Aufsichtsratschef die Dinge im Reinen sind, wenn beide am gleichen Strang ziehen, wenn der eine das Vertrauen des anderen hat. Bei VW braucht es nun wenig Fantasie: Vertrauen gibt es in diesem Konzern, zwischen diesen beiden Männern, keines mehr. Wie auch? Schon fürchten die Ersten im Konzern die Rache des Alten. Was kommt als Nächstes? Und: Wie sollen die beiden nun gemeinsam wichtige Zukunftsentscheidungen fällen, wenn der eine "auf Distanz" ist und der andere das weiß?

Möglich, dass es nicht mehr so weit kommen wird. Dass Winterkorn, mit einer kommoden und lukrativen Vertragsverlängerung ausgestattet, vorzeitig aus dem Amt scheidet. Möglich auch, dass aus der Niederlage von Salzburg am Ende eine Palastrevolution im Aufsichtsrat gegen Ferdinand Piëch erwächst.

So oder so: VW stehen turbulente Zeiten bevor.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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