Spekulationen über neuen VW-Chef:"Ich bin für nichts zu alt und fühle mich pudelwohl"

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Sie schätzen sich - bislang zumindest: VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn (vorne re.) und Porsche-Chef Matthias Müller im Rückspiegel eines Porsches. (Foto: Marijan Murat/dpa)
  • Immer wieder mal wurde Porsche-Chef Matthias Müller als neuer VW-Chef gehandelt. Wird er es nun tatsächlich?
  • Es ist noch nicht lange her, da antwortete Müller auf solche Fragen, dass er mit seinen 61 Jahren zu alt sei für solche Missionen. Jetzt aber sagt er: "Ich bin für nichts zu alt und fühle mich pudelwohl." Er stehe "für jedes Amt zur Verfügung".

Von Thomas Fromm und Max Hägler, München

Im Nachhinein wird vieles oft klarer. Dann nämlich, wenn die Dinge in einem anderen, vielleicht neuen Licht erscheinen. Im Fall des Matthias Müller erscheint heute vieles klarer. Ahnte der Porsche-Chef vor vier Wochen schon, was auf ihn zukommen würde?

Dass er immer mal wieder als nächster VW-Chef gehandelt wurde - das ist die eine Sache. Dass er aber vielleicht schon bald über Nacht ran muss - das ist noch mal eine ganz andere. Denn seit VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch Ende vergangener Woche seinen Konzernboss Martin Winterkorn öffentlich angezählt hatte, befindet sich das 200-Milliarden-Euro-Umsatz-Unternehmen in einem seltsamen Schwebezustand. Winterkorn will trotz des Vertrauensentzuges weitermachen, vorerst. Aber hält er auch durch? Und wenn nicht - wer soll es machen? Anders als etwa bei BMW, wo hinter den Kulissen der Wechsel von Vorstandschef Norbert Reithofer hin zu Harald Krüger lange geplant wurde, erlebt VW derzeit eine historische Führungskrise - Ende offen. In solchen Zeiten kursieren manche Namen öfter als andere.

Müller wird derzeit mit Abstand am häufigsten genannt - von Aufsichtsräten und Eigentümervertretern.

Müller - enger Vertrauter Winterkorns

Vielleicht gibt folgende Szene Aufschluss über das, was hinter den Kulissen passiert. Stuttgart-Zuffenhausen, ein Freitag im März, es ist der Tag der Bilanzpressekonferenz des Sportwagenbauers Porsche, wie immer im eigenen Museum. Unten Museumstrubel mit Schulklassen, oben sitzt Müller, der Porsche-Chef. Er schmunzelt, wie immer etwas schulbubenhaft, dazu diese weiße Topffrisur. Da sitzt einer, der nicht immer alles total ernst nimmt. Müller wird gefragt, was er denn von einer neuen Aufgabe halte. Nachdem er schon als Porsche-Chef in den VW-Vorstand berufen wurde, könne er doch auch gleich Chef des Mutterkonzerns werden - also Winterkorn-Nachfolger.

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Es war noch gar nicht so lange her, da hatte Müller auf solche Fragen noch gesagt, dass er mit seinen 61 Jahren zu alt sei für solche Missionen. Jetzt aber, am Tag der Bilanzvorlage, kommt er unverhofft ins Plaudern. Und er sagt: "Ich bin für nichts zu alt und fühle mich pudelwohl." Er stehe "für jedes Amt zur Verfügung".

Pudelwohl? Jedes Amt? Aha! Ob Müller, der übrigens ein enger Vertrauter Winterkorns ist, aber zum Großeinsatz in Wolfsburg kommt, hängt auch davon ab, ob der amtierende VW-Chef dem Druck stand hält. Oder hinschmeißt.

Bislang zieht Winterkorn die Sache durch. Die Porsche-Familie unterstützt ihn, das Land Niedersachsen, dem 20 Prozent an VW gehört, und auch die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wollen "Wiko", wie er hier genannt wird. Aber wie lange geht das noch so? "Piëch sitzt am Ende immer am längeren Hebel", sagen Eingeweihte. So sei noch längst nicht ausgemacht, dass die VW-Miteigentümer aus der Porsche-Familie, die noch am Sonntag auf Distanz zum Aufsichtsratschef gegangen waren, sich nicht doch noch auf Piëchs Seite schlagen. "Es wäre das erste Mal, dass dieser Teil der Familie mal Mut zeigen würde", sagt einer, der beide Familien gut kennt und meint, dass Piëch - trotz aller Rivalitäten mit den Porsches - als Clan-Chef gefürchtet sei.

Zur Hauptversammlung Anfang Mai sollte Klarheit herrschen

Und nicht zu vergessen: Piëch ist Miteigentümer, Winterkorn nur Angestellter. Hinter den Kulissen wird in diesen Stunden diskutiert, verhandelt, geschachert. Maßgebliche Akteure drängen seit dem Wochenende auf eine rasche Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums - mit einem solchen Treffen wird nun täglich gerechnet. Die Zeit drängt: Am 5. Mai kommen die Aktionäre zu ihrer jährlichen Hauptversammlung in Hannover zusammen, für den Tag davor ist die turnusmäßige Aufsichtsratssitzung anberaumt. Viel zu spät, sagen Beteiligte. Das Präsidium, der innere Machtzirkel des Kontrollgremiums, zu dem neben Piëch auch Wolfgang Porsche, Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh, der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gehören, soll möglichst zeitnah zusammenkommen, um die Wogen zu glätten. Oder um nach Auswegen aus der Krise zu suchen. Einer der Auswege könnte Müller heißen.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Kandidaten, die jünger sind als Müller. Da ist der neue Nutzfahrzeug-Chef Andreas Renschler, der aber erst im Februar vom Konkurrenten Daimler kam. Im Juli nimmt mit dem früheren BMW-Manager Herbert Diess ein weiterer Routinier seine Arbeit als Chef der Pkw-Hausmarke VW auf. Diess ist ein Kostenkiller und Stratege. Aber er ist neu und ein Externer aus München. Würde er VW-Konzernchef, dann wohl erst in einigen Jahren.

Dazu Außenseiter-Kandidaten: Audi-Chef-Entwickler Ulrich Hackenberg, VW-Entwickler Heinz-Jakob Neußer, Škoda-Chef Wilfried Vahland und VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch.

Möglich wäre folgendes Szenario: Müller, der Mann, der sich nach eigenen Angaben noch nicht zu alt und "pudelwohl" fühlt, könnte den Übergangs-Chef geben. Drei, vier Jahre. In der Zwischenzeit könnten sich Männer wie Renschler und Diess in ihren neuen Vorstandsjobs beweisen.

Es ist übrigens typisch, wie Müller mit dem Thema umgeht. Er könnte alles dementieren (die eiskalte Manager-Reaktion). Oder er könnte mit der Chef-Frage kokettieren (ein Zeichen von Manager-Eitelkeit). Doch was macht der Bayer, der in Chemnitz geboren wurde, als Werkzeugmacher bei Audi anfing und seit 2010 Porsche-Chef ist? Er nimmt die Sache an jenem Freitag im März mit Humor. Wahrscheinlich, weil er weiß, dass sich die Dinge bei VW manchmal sehr schnell und überraschend entwickeln können.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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