Machtkampf beim Automobilkonzern:VW verhindert den großen Crash

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Sie arbeiten weiter zusammen: Herbert Diess (vorne), Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. (Foto: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa)

Nach einem mehrwöchigen Machtkampf ist klar: Herbert Diess darf Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen bleiben. Allerdings muss er etwas Macht abgeben.

Von Max Hägler, Schaprode

Ein wenig fahrig spricht Herbert Diess an diesem Nachmittag, manchmal vergisst er ein Verb oder führt Sätze nicht zu Ende. Die vergangenen Diskussionen haben offensichtlich selbst an ihm gezehrt, jenem deutschen Manager, der wohl am meisten Freude hat am Streit.

Aber gelöste Stimmung hatte wohl keiner jetzt erwartet. Die Botschaft von Volkswagen an diesem Donnerstag ist eine andere: Diess darf hier überhaupt sprechen nach der Pressekonferenz des Aufsichtsrates, er bleibt also tatsächlich Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen. Eingerahmt von Hans Dieter Pötsch, dem Aufsichtsratschef, und Daniela Cavallo, der obersten Arbeitnehmervertreterin.

Sie haben es wieder einmal geschafft: Die Arbeitsfähigkeit bei Volkswagen, Europas größtem Industriekonzern, ist hergestellt, zumindest für den Moment. Das war durchaus nicht immer klar. Denn wieder einmal hatten sie sich in Wolfsburg gezofft, und zwar so richtig. Diess auf der einen Seite sowie die Arbeitnehmer und das Land Niedersachen als Miteigentümer auf der anderen Seite. Der eine wollte mal eben 30 000 oder gar 35 000 Stellen streichen - die anderen wollten das unbedingt verhindern. Mittlerweile könnte man die diversen Aussagen zu einem ordentlichen Drama zusammenfassen, wobei sich das Textbuch sehr eingängig läse.

Die Arbeitnehmerseite wollte ursprünglich einen Abwahlantrag auf die Agenda schreiben

Da trat vor einiger Zeit Diess auf mit diesen Worten: "Ich glaube, der Konzern wird keinen Fortbestand haben, wenn sich nicht Wolfsburg auf die neue Zeit einstellt." Die Antwort von Daniela Cavallo mit Bezug auf ihre Schützlinge war: "Sie haben Angst. Angst um ihre Arbeit, um ihre Familien, um ihre Existenz. Und Sie streuen immer wieder Salz in die Wunde, und das ohne Not!"

In der Konsequenz wollte die Arbeitnehmerseite sogar einen Abwahlwahlantrag auf die Agenda der Aufsichtsratssitzung schreiben - die daraufhin verschoben wurde, eben auf diesen Donnerstag. In etlichen kleinen und großen Runden dazwischen stand Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch vor dem Problem: Wie weitermachen mit einem, den die meisten im Konzern für fachlich fähig halten, aber mit dem viele nicht mehr zusammenarbeiten wollen?

Spitz auf Knopf stehe es für Diess, hatte es noch am Wochenende von verschiedener Seite geheißen. Erst zu Beginn dieser Woche bahnte sich eine Lösung an, die am Mittwochabend das VW-Präsidium abnickte und am Donnerstagvormittag der gesamte Aufsichtsrat. Aber weil sie bei Volkswagen selbst wissen, dass sie sehr schwierig sind und alles dauernd im Fluss ist, verschickten sie die Einladung zur Pressekonferenz entgegen der üblichen Gepflogenheiten ohne Nennung der Teilnehmer. Vielleicht ist das Selbstironie - vielleicht Pragmatismus. Wer weiß schon, was noch passiert?

VW verkündet ein großes, teures Umbauprojekt

Am Donnerstagnachmittag stehen dann eben doch alle an ihren Tischen, die man unter normalen Umständen erwartet hätte und verkünden ein großes, teures Umbaupaket, bei Investitionen und beim Personal: Wolfsburg wird ab dem Jahr 2023 ebenfalls das Elektroauto ID3 bauen und überhaupt werden alle niedersächsischen Standorte von Emden über Hannover bis Wolfsburg reich beglückt. Es sind notwendige Zahlungen, um die Transformation zu schaffen - und um den Konflikt mit Diess zu entschärfen.

Wie bereits erwartet, wird zudem Chefjustiziar Manfred Döss auf Hiltrud Werner als Rechtsvorstand folgen. Zur Steuerung der firmeninternen IT holt VW die Managerin Hauke Stars in den Konzernvorstand. Hildegard Wortmann, wie Diess ehemals bei BMW aktiv, und derzeit Vertriebschefin bei Audi, wird oberste Vertriebschefin des Konzerns im Vorstandsrang. Der Chef selbst konzentriert sich auf Autosoftware - beteuert aber zugleich, dass er sich weiter "gesamtverantwortlich" fühlt - und gibt die Leitung des so wichtigen wie problematischen Marktes China Mitte kommenden Jahres an Ralf Brandstätter ab. Der wird zugleich in den Konzernvorstand aufsteigen - eine Lösung, die sich erst sehr kurzfristig ergeben hat in diesen "dynamischen Tagen", wie Beteiligte berichten. Bislang führt Brandstätter die Kernmarke VW, die er an den bisherigen Skoda-Chef Markus Schäfer übergibt.

Das ist alles interessant, zumal die Rendite wegen der damit einhergehenden Sparmaßnahmen in fünf Jahren auf acht bis neun Prozent steigen soll und viel von Konsequenz und Vehemenz die Rede ist. Aber wird das Weiterarbeiten denn nun wirklich klappen, Volkswagen zur Ruhe kommen?

Cavallo ist da eigentlich gefragt. Aber Diess antwortet: Er sei da sehr zuversichtlich. Pötsch drückt sich diplomatisch aus: Was man erlebt habe zuletzt, sei "alles andere als toll", aber doch Zeichen großer Anstrengungen, die letztlich dem Unternehmen wieder zugute kommen. Es gelte aber auch künftig: "Machen Sie sich Sorgen, wenn es ganz ruhig wird in Wolfsburg!"

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