Volkswagen:Betriebsrat stellt VW Ultimatum

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Der Zukunftspakt soll VW fit für die Zukunft machen. Der Betriebsrat beklagt nun, dass der Vorstand sich nicht an alle Bedingungen halten will. (Foto: Rainer Jensen/dpa)
  • Bei VW droht ein Streit zwischen Betriebsrat und Vorstand zu eskalieren. Es geht um den erst kürzlich geschlossenen Zukunftspakt.
  • Die Arbeitnehmervertreter werfen VW vor, sich nicht an zentrale Bedingungen aus dem Pakt halten zu wollen.
  • Unter anderem sollen mehr Zeitarbeiter und befristet Beschäftigte das Unternehmen verlassen als vereinbart.

Von Max Hägler und Klaus Ott, München

Nur ein paar Tage bleiben Herbert Diess. Wenige Tage noch, um das Verhältnis zwischen ihm, einem der wichtigsten Manager von Volkswagen, und den mächtigen Betriebsräten irgendwie zu kitten. Ansonsten hat der durch die Abgasaffäre aus eigener Schuld in Not geratene Autokonzern bald das nächste große Problem. Denn die Arbeitnehmerschaft und deren Gewerkschaft, die IG Metall, gehen Diess hart an. So hart, dass sogar eine Trennung von dem für die Marke VW zuständigen Vorstand nicht mehr ausgeschlossen ist. Dabei war Diess erst 2015 geholt worden, um das schwächelnde Kerngeschäft des Autokonzerns zu sanieren, der neben VW viele Marken hat, von Audi bis Porsche.

Der Betriebsrat am Konzernsitz in Wolfsburg hat VW-Markenvorstand Diess und Personalvorstand Karlheinz Blessing einen Brief geschickt, der ein zerrüttetes Verhältnis beschreibt. Die Arbeitgeberseite unterlaufe den erst vor knapp drei Monaten vereinbarten Zukunftspakt, der Arbeitsplätze retten soll. Das sei Konfrontation statt Konsens.

Am Ende des vierseitigen Briefes findet sich ein Ultimatum. "Wir fordern Sie, Herr Dr. Blessing und Herr Dr. Diess, dazu auf, bis Montag, 13. Februar, schriftlich gegenüber dem Betriebsausschuss zu erklären, ob und wenn ja, wie Sie sich eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat vorstellen." Zudem solle das Management jüngste Beschlüsse zu Lasten von Beschäftigten rückgängig machen. Zehn Unterschriften folgen. Die wichtigste stammt von Betriebsratschef Bernd Osterloh. Gegen den geht wenig in Wolfsburg.

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Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall und ebenso wie Osterloh auch Aufsichtsrat bei Volkswagen, sekundiert dem Betriebsratschef: "Einen verbindlich geschlossenen Pakt einfach so zu hintergehen, ist nicht akzeptabel", sagt Hofmann der SZ. Er fordere von Diess, sich an den Zukunftspakt zu halten. Es sei nicht hinnehmbar, dass der mühsam erarbeitete Kompromiss in Frage gestellt werde.

Diesen Kompromiss mit dem groß klingenden Namen hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Marke VW, dem wichtigsten Teil des Konzerns, nach heftigen gegenseitigen Attacken und monatelangem Feilschen geschlossen. Ziel des Pakts ist es, die im Vergleich zu Konkurrenten nicht sehr rentable Kernmarke VW profitabler zu machen. 30 000 Stellen sollen, um noch Schlimmeres zu verhüten, gestrichen werden; angeblich ohne große soziale Härten. Zugleich sollen 9000 neue Jobs entstehen, vor allem in Wolfsburg und bei der Elektromobilität. Selbst der von Osterloh geführte Betriebsrat hatte jahrelang gemahnt, dass VW zu wenig Geld verdiene. Die Arbeitnehmer-Vertreter hatten sogar ein eigenes Sparpaket vorgelegt.

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Die Betriebsräte beklagen etwa, dass mehr Zeitarbeiter gehen müssten als vereinbart

Nun beklagen die Betriebsräte des weltgrößten Autoherstellers, dass mehr Zeitarbeiter und befristete Beschäftigte das Unternehmen verlassen sollen als vereinbart. In einer Auto-Montagelinie am Standort Wolfsburg solle eine ganze Schicht gestrichen werden. Das werde dazu führen, dass noch mehr Zeitarbeiter ihre Stelle verlören. Und von den versprochenen neuen Jobs in Zukunftsbereichen sei praktisch nichts zu spüren. Schließlich ziehe der Markenvorstand, also Herbert Diess, Kompetenzen an sich. Und das in einer Art und Weise, die allen Bestrebungen des Unternehmens widerspreche, für flachere Hierarchien und schnellere Beschlüsse zu sorgen. Kritik über Kritik.

Die Konsequenz daraus: Der Betriebsrat stellt quasi die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ein. Gespräche wurden abgesagt, etwa zur geplanten 40-Stunden-Woche. Anträge auf Mehrarbeit, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat vorlegen muss, werden bis auf weiteres nicht mehr befürwortet, heißt es in dem Schreiben auch.

Es gehe längst nicht mehr nur um die Sache, heißt es von verschiedenen Seiten im Unternehmen. Es gehe um die Person Diess. Der gebürtige Münchner war vor gut eineinhalb Jahren von BMW in München zu VW nach Wolfsburg gewechselt. In München hatte der studierte Maschinenbauer auch den Ruf, ein Kostendrücker zu sein. In Wolfsburg eckte er damit sofort an. Vor allem bei Osterloh. Der Zukunftspakt war auch dazu gedacht, diesen Streit zu beenden. Aber nun, nach nicht einmal drei Monaten, fängt alles wieder an. Wortbruch wird Diess im Arbeitnehmerlager vorgehalten. Konzernchef Matthias Müller sei da anders. Auf den könne man sich verlassen: "Wenn der sagt, wir gehen links rum, dann gehen die links rum." Im Umfeld von Diess wird die Kritik des Betriebsrats zurückgewiesen. Es sei schon merkwürdig, schon jetzt vorzurechnen, welche Jobs wegfielen. Der Pakt laufe ja bis ins Jahr 2020.

Um Diess zu stürzen, bräuchte das Arbeitnehmerlager das Land Niedersachsen

Doch das Arbeitnehmerlager von Volkswagen ist offenbar fest entschlossen, auf den Rauswurf von Diess hinzuarbeiten, falls dieser nicht einlenkt. Bereits in der vergangenen Woche hatte der streitbare Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück erklärt, "das Soziale ist ein Markenzeichen unseres Konzerns. Wer das nicht lebt, der passt nicht zu uns". Porsche ist eine der wichtigsten Marken des Volkswagen-Konzerns. Hück gehört wie Osterloh und IG-Metall-Chef Hofmann dem Aufsichtsrat von Volkswagen an. Dort hat das Arbeitnehmerlager großen Einfluss, aber nicht die Mehrheit. Um Diess zu stürzen, bräuchten Betriebsrat und Gewerkschaft zumindest die Stimmen des Landes Niedersachsen, das im Aufsichtsrat von Volkswagen mit Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies vertreten ist.

Weil bekam den Osterloh-Brief mit dem Ultimatum an Diess am Mittwochnachmittag zu lesen. Ob der niedersächsische Regierungschef da schon Position bezogen hatte in dem Konflikt, war noch nicht bekannt. Unklar war auch noch, wie sich die Familien Porsche und Piëch verhalten. Die beiden Familien, sie sind Hauptaktionäre von VW, hatten sich mehrmals zu Diess bekannt. Zuletzt im Herbst vergangenen Jahres. Ob das weiterhin gilt, war am Mittwoch noch nicht absehbar. Aus Konzernkreisen hieß es, es laufe alles auf eine "Eskalation" hinaus. Die Familien müssten dann Position beziehen.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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