Vertrauenskrise im Kreditgeschäft:Banken parken Milliarden bei der EZB

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Die Banken scheuen das Risiko. Fast eine halbe Billion Euro haben sich große Finanzhäuser zuletzt bei der Europäischen Zentralbank geliehen. Jetzt wird klar: Anders als erhofft, geben sie das Geld nicht für Investitionen an Unternehmen weiter, sondern legen große Summen wiederum bei der EZB an. 411 Milliarden Euro haben sie dort mittlerweile geparkt - zu Mini-Zinsen.

Das Misstrauen gegenüber dem Finanzsystem ist so groß wie nie: Über Weihnachten schwoll die "Angstkasse" der Banken bei der EZB nach Daten der Agentur Reuters auf 411 Milliarden Euro an. So viel Geld haben die Kreditinstitute noch nie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) geparkt.

Fachleute sehen in der enormen Summe, die nun bei der EZB eingeliefert wurde, ein Beleg für die enorme Anspannung im Bankensystem. Aus Angst vor Risiken verleihen sie die Milliardensummen nicht an Unternehmen, die damit Investitionen finanzieren, sondern legen das Geld lieber bei der EZB an. Damit bauen sie eine Milliardenschwere "Angstkasse" auf.

Dabei hatten sich die Geldhäuser der Eurozone noch kurz vor den Feiertagen bei der EZB mit der gigantischen Summe von fast einer halben Billion Euro eingedeckt. Weil sie sich untereinander kein Geld mehr leihen, war die EZB als Kreditgeber eingesprungen. Vor allem in der Hoffnung, so ein Austrocknen des Kreditmarktes zu verhindern, das auch Unternehmen der Realwirtschaft treffen würde.

Offenbar nur mit wenig Erfolg. Selbst die niedrigen Zinsen schrecken die verunsicherten Geldhäuser nicht ab, ihre Milliarden wieder direkt bei der Notenbank zu parken: Der Zinssatz für die so genannte Einlagefazilität liegt aktuell bei gerade einmal 0,25 Prozent.

Am Donnerstag vor Weihnachten hatten die Institute bereits fast 350 Milliarden bei der EZB hinterlegt - nun sind es noch gut 60 Milliarden Euro mehr. Zugleich kommen einige Häuser wegen der Vertrauenskrise offenbar weiter nicht an Geld. Sie waren gezwungen, sich frische Liquidität bei der EZB zu besorgen und riefen 6,1 Milliarden Euro bei der Zentralbank ab. Hierfür müssen sie 1,75 Prozent bezahlen - deutlich mehr als der Leitzins von aktuell einem Prozent, aber offenbar immer noch deutlich weniger als auf dem freien Geldmarkt, wo sich Banken sonst frisches Geld leihen.

Der Markt ist seit Beginn der ersten Finanzkrise Mitte 2007 gestört. Zuletzt sorgte die ungute Mischung aus Schulden-, Banken- und einer sich in vielen Teilen der Welt abzeichnenden neuen Konjunkturkrise für Verspannungen wie zuletzt nach der Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008.

Der vor Weihnachten abgewickelte erste Drei-Jahres-Tender der EZB, also die Ausgabe frischer Kredite mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren, und ein weiterer Tender Ende Februar sollten die Lage eigentlich beruhigen, da allen Instituten so viel Geld zur Verfügung gestellt wird wie sie wollen - ein in normalen Zeiten undenkbares Verfahren für eine Notenbank. Die EZB hatte zudem Anfang des Monats erstmals seit der Einführung des Euro 1999 die Mindestreservepflicht auf ein Prozent halbiert und dem Bankensystem damit zusätzliche rund 100 Milliarden Euro zufließen lassen. Die Mindestreserve ist der Teil der Kundeneinlagen, den Banken bei der Notenbank parken müssen.

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