Verschobene Flughafeneröffnung in Berlin:Deutsche Pünktlichkeit

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Was für eine Blamage: Der Flughafen Willy Brandt, Berlins Prestigeprojekt, verspätet sich auf unbestimmte Zeit. Doch wirklich peinlich ist nicht die Verzögerung beim Bau, sondern der Zeitpunkt ihrer Verkündung.

Michael Bauchmüller

Was Willy Brandt wohl dazu sagen würde? Er hat dem neuen Berliner Flughafen postum nicht nur den Namen geliehen, sondern auch sein Konterfei. Auf Fotomontagen empfängt er am neuen Flughafen die Rucksacktouristen, die älteren Damen und selbst Barack Obama. "Willy Brandt begrüßt die Welt", steht da - aber nun nicht mehr am 3. Juni.

Kein Reisender wird dann die neuen Hallen durchschreiten, niemand nimmt die Koffer vom Rollband, kein Super-Airbus landet. Berlins Prestigeprojekt verspätet sich auf unbestimmte Zeit. Ausgerechnet ein Flughafen, an dem doch so vieles auf Pünktlichkeit ankommt. Was für eine Blamage!

Die Peinlichkeit liegt dabei weniger in der Verzögerung an sich. Funktionsbauten des 21. Jahrhunderts haben eine Komplexität erreicht, die der beste Ingenieur in Gänze nicht mehr überblicken kann. In London-Heathrow wurde das erst nach der Eröffnung offenbar, als Reisende nicht mehr an ihr Gepäck kamen, in Berlin nimmt das Unglück schon eher seinen Lauf. Der Ausgang ist offen.

Moderne Flughäfen sollen kurze Wege bieten und zugleich möglichst viel Platz, sie müssen schnell viele Passagiere durchschleusen und das auch noch völlig zuverlässig, sie müssen Reisende von ihrem Gepäck trennen und wieder damit zusammenbringen - das alles natürlich unter den strengsten Sicherheitsauflagen. Das sind besondere Schwierigkeiten. Dazu kommen die üblichen: Wo gebaut wird, ist es mit deutscher Pünktlichkeit nicht weit her, das Handwerk lässt grüßen. Nur war eine Fehlkalkulation selten so teuer wie diese.

Die eigentliche Blamage ist der späte Zeitpunkt der Bekanntgabe: Erst gut drei Wochen vor dem Start soll klar sein, dass ein seit Monaten geplanter Termin nicht zu halten ist? Genauso gut könnte man Passagieren auf der Rollbahn mitteilen, dass ihr Flugzeug leider nicht abheben wird.

Das wirft ein sehr schlechtes Licht auf die Manager des Flughafens, aber auch auf ihre Kontrolleure - inklusive der beiden verdatterten Landeschefs Klaus Wowereit und Matthias Platzeck. Beide sitzen im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, haben aber nach eigenem Bekunden ebenfalls gerade erst vom stornierten Abflug erfahren. Dabei gab es schon seit Wochen Anhaltspunkte für Verzögerungen.

Damit wenden sich nun alle Vorbereitungen gegen den neuen Flughafen. Die Willy-Brandt-Plakate, die Eröffnungsflüge, die Umzugs-Pläne - all das wirkt nun wie Hohn und Spott. Nützen freilich wird es wenig, man wird auf den neuen Flughafen auch noch drei Monate warten können.

Doch vielleicht lehrt dieses Beispiel zumindest mehr Demut vor Großprojekten, auch vor solchen im Ausland. Wo vor Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen auf die letzte Minute Stadien und Straßen errichtet wurden, fieberten hierzulande stets viele mit, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude. Künftig reicht eine kurze Entgegnung: "Berlin, Flughafen Willy Brandt."

© SZ vom 09.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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