Klaus Wowereit ist sauer: "Das ist kein guter Tag für den Flughafen und die Bürgerinnen und Bürger unserer Länder", sagt Berlins Regierender Bürgermeister (SPD). Es ist stattdessen ein peinlicher Tag. Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz sitzen die Verantwortlichen des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg und müssen der Öffentlichkeit eingestehen: Wir schaffen es nicht rechtzeitig. Die geplante Eröffnung am 3. Juni ist abgeblasen.
Die Nachricht kam überraschend, keine vier Wochen vor der Eröffnung und dem seit Jahren geplanten Umzug von Tegel nach Schönefeld. Die Verantwortlichen können bislang nicht sagen, wie lange die Verzögerung dauern wird. Frühestens nach der Sommerpause in Berlin und Brandenburg soll der Großflughafen fertig sein - die Ferien enden dort am 3. August ( Tipps für Reisende gibt es hier).
Auch Brandenburgs Ministerpräsident, Matthias Platzeck (SPD), ist sauer. Er sagte, er sei noch bis Montagabend davon ausgegangen, dass die Eröffnung Anfang Juni stattfinde. "Ich verhehle nicht, dass ich stocksauer bin, so eine Überraschung darf nicht kurz vorher passieren", sagt Platzeck.
Der Technik-Chef der Flughafengesellschaft, Manfred Körtgen, präsentiert die Hintergründe des Fiaskos. Der TÜV könne den Brandschutz im jetzigen Stadium nicht abnehmen. Die Sicherheitsanlagen und deren Zusammenspiel untereinander hätten noch nicht den nötigen Reifegrad. "Es geht hier darum, Schutzziele für Leib und Leben sichzustellen", sagt Körtgen.
Die neue Brandschutzanlage ist laut Flughafengesellschaft FBB die weltweit größte ihrer Art. Sie soll im Notfall eine Fläche von bis zu 300.000 Quadratmetern von Rauch befreien können und muss deshalb umfassend getestet werden. 1996 waren bei einem Brand auf dem Düsseldorfer Flughafen 17 Menschen an Rauchvergiftungen gestorben.
Der eigentlich angedachte Termin in wenigen Tagen lasse sich wegen noch nötiger Tests nicht halten, sagt der Chef der Flughafengesellschaft, Rainer Schwarz. Mehrfach bittet er um Verzeihung, während die Kameras blitzten. Ihm ist der Druck anzumerken. "Ich kann mich nur entschuldigen für die Situation." Einen Rücktritt schließt er aber aus: "So intensiv, wie ich bisher für dieses Projekt gearbeitet habe, bin ich bereit, weiterzuarbeiten, und das wird auch so der Fall sein."
Der Flughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt soll die bestehende Infrastruktur im Berliner Luftverkehr ablösen: Der Flughafen Tempelhof wurde in einem ersten Schritt bereits am 30. Oktober 2008 geschlossen, der Flughafen Tegel soll nach der Eröffnung des neuen Airports ebenfalls dichtmachen. Dazu ist ein aufwändiger Umzug geplant, der die nötige Infrastruktur von Tegel in einer Nacht nach Schönefeld bringen sollte. Das ist nun größtenteils vertagt.
Der neue Airport hat internationale Dimensionen: 27 Millionen Passagiere sollen zunächst in einem sechsstöckigen Terminal abgefertigt werden, das sich zwischen Start- und Landebahnen befindet. 2011 flogen etwa 24 Millionen Passagiere von Berliner Flughäfen. Das erwartete Plus an Passagieren im Sommer soll nun über die bestehenden Flüghafen abgewickelt werden. "Wir gehen davon aus, dass niemand seinen Urlaub oder seine Geschäftsreise absagen muss", sagt Wowereit.
Grüne und SPD üben Kritik
Der neue Flughafen wird etwa 2,5 Milliarden Euro kosten - in diese Rechnung ist die Verzögerung aber nicht einkalkuliert. Was die Verzögerung kostet, sei noch nicht abzuschätzen, sagt Flughafen-Chef Schwarz. Das hänge auch davon ab, ob jetzt Schadenersatzforderungen auf die Betreibergesellschaft zukämen. Etwa von Airlines oder anderen Dienstleistern, die vom 3. Juni an am Flughafen operieren wollten.
Mit großer Enttäuschung reagiert Hartmut Mehdorn, der Vorstandschef von Air Berlin, auf die Verschiebung. Die Fluggesellschaft habe alle Infrastrukturmaßnahmen und alle Flugpläne auf den 3. Juni dieses Jahres am neuen Flughafen Berlin Brandenburg ausgerichtet. Alle Beteiligten hätten nun "gewaltige logistische Probleme, die außerdem erhebliche noch nicht kalkulierbare Mehrkosten verursachen werden".
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) zeigt sich überrascht: Der Fall sei wegen der kurzfristigen Informationspolitik der Betreibergesellschaft sehr ungewöhnlich. "Wir müssen alle betroffenen Fluggesellschaften weltweit darüber informieren, dass sie ihre Abläufe ändern müssen", sagt Geschäftsführer Ralph Riedle. Das sei ein erheblicher Aufwand.
Auch Wowereit behält sich Regressforderungen gegen die beteiligten Unternehmen vor. Jetzt aber müsse vor allem der Flughafen fertiggebaut werden. "Ich erwarte, dass da drüben geschubbert wird", sagt Berlins Regierender Bürgermeister.
Die Grünen nutzen die geplatzte Eröffnung zu politischen Attacken: "Das Projektmanagement der Flughafengesellschaft ist erstaunlich unprofessionell", sagt der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, Anton Hofreiter dem Handelsblatt. SPD-Fraktionsvize Florian Pronold übt ebenfalls Kritik. Die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg seien offenbar vom Stopp der Inbetriebnahme überrascht worden. "Wenn Informationen so spät fließen, dann spricht das für eine Überforderung der Projektverantwortlichen", sagt Pronold. Er nannte die Verschiebung "peinlich".
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle spricht gar von einer "Blamage für Deutschland" und attackiert Wowereit. Der solle sich intensiver um seine Aufrichtsratspflichten bei dem Großprojekt kümmern.