Versandhändler vor dem Börsengang:Showtime für Zalando

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Die Pakete bleiben gleich, die Rechtsform von Zalando hat sich geändert. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Mit seinen schrillen Spots hat Zalando viele Kunden gewonnen. Das sorgt nun erstmals für einen Gewinn. Aber reicht das schon für einen Börsengang? Der Online-Versandhändler kann frisches Kapital in jedem Fall gut gebrauchen.

Von Markus Balser und Varinia Bernau, Berlin

Das schillernde Bild von Zalando soll da entstehen, wo Fotografen meist Models, Schuhe und Kleider in Szene setzen: in einem Backsteinbau auf einer Industriebrache am Berliner Ostbahnhof, nur einen Steinwurf vom Mauerstreifen entfernt. An diesem Donnerstagmorgen aber muss das gesamte Management posieren. Die ganze Firma soll in strahlendem Licht erscheinen. Zalando strebt an die Börse - und will bei Investoren Millionen einsammeln.

Rubin Ritter, einer der drei Chefs, lässt Charts mit roten Pfeilen auf eine riesige Leinwand werfen. Die Botschaft ist klar: Für die Geschäfte gibt es nur eine Richtung. Kaum ein anderes Start-up ist in Deutschland seit dem Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende so rasant gewachsen. 150 000 Artikel hat der Onlinehändler im Angebot, beschäftigt 7000 Mitarbeiter.

Zalando will bis zu 750 Millionen Euro einsammeln

Mittlerweile gibt es Zalando in 15 Ländern Europas. Der Umsatz lag im ersten Halbjahr bei gut einer Milliarde Euro - etwa ein Drittel mehr als im Vorjahr. Und erstmals in seiner Geschichte, sagt Ritter, habe Zalando vor Steuern und Zinsen einen Gewinn erzielt. Dass der bei gerade mal zwölf Millionen Euro lag, sagt er nicht. Was zählt, ist ein Moment von Hochglanz.

Zum Börsengang hält sich das Zalando-Management noch bedeckt. Das sei eine Option, es gebe aber auch andere, sagt Ritter. Anderswo werden schon Details gestreut, auch das gehört zur Inszenierung: Zalando will einen Anteil von zehn bis 15 Prozent auf den Markt bringen und bis zu 750 Millionen Euro einsammeln, berichtet Bloomberg unter Berufung auf Insider.

Die Manager, sie erklären derweil die Erfolgsgeschichte von Zalando. "Stellen Sie sich Helga in Schweden vor", sagt David Schneider, einer der drei Chefs und einer, der von Anfang an dabei ist. "Wir bieten an, was Helga will." Und weil die beiden Gründer damals, im Jahr 2008, als sie loslegten, selbst noch nicht wussten, was Helga will, fragten sie Google. Von Anfang an hat Zalando systematisch darauf geachtet, wonach die Menschen im Netz suchten.

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Was viel gesucht würde, das würde auch viel gekauft. Das war ihre Idee. Also analysierten sie die Ergebnisse der Suchmaschinen und sprachen anschließend gezielt jene Markenhersteller an, die dort oben landeten, ob sie nicht Lust hätten, ihre Produkte auch bei Zalando anzubieten. Fachleute, die auf Modemessen unterwegs waren oder die im hippen England Trends aufspüren, die konnten die Gründer erst später für sich gewinnen. Ebenso wie Investoren.

Die Geschichte von Zalando beginnt mit Geldsorgen. In Mexiko, wo Robert Gentz, heute ebenfalls im Vorstand, damals 23 Jahre alt, ein Auslandssemester verbringt und hört, dass der Medienkonzern Holtzbrinck gerade 85 Millionen Euro für das soziale Netzwerk StudiVZ gezahlt hat. Also heckt er mit seinem Studienfreund Schneider aus, nach diesem Vorbild auch die Universitäten in Mexiko, Argentinien und Chile zu vernetzen.

"Wir probieren Neues erst gezielt auf kleiner Flamme aus"

Internetinvestor Oliver Samwer, bei dem sie damals anklopfen und um Geld bitten, winkt ab: Sie sollten sich melden, wenn sie eine bessere Ideen haben. Ein knappes Jahr später sind Gentz und Schneider so verschuldet, dass sie sich nicht einmal mehr das Rückflugticket nach Deutschland leisten können. Sie klopfen bei Samwer an. Eine Idee haben sie zwar nicht. Aber sie können gut genug spanisch, um Samwers Start-up-Schmiede Rocket Internet in Spanien zu beraten. Und sie sind hartnäckig genug, um ihn schließlich, im Oktober 2008, davon zu überzeugen, es mit einem kleinen Onlineshop für Flipflops zumindest mal zu versuchen.

Es ist eine schlechte Zeit, um ein Unternehmen zu gründen. Die Investmentbank Lehman Brothers war gerade pleite gegangen - und hatte die gesamte Weltwirtschaft mit sich gerissen. Selbst Investoren in den USA rieten Start-ups, möglichst schnell und möglichst viel Geld einzusammeln, um die Durststrecke durchzustehen. Sie seien, hat Ritter einmal gesagt, von Anfang an gezwungen gewesen, das Risiko zu minimieren und genau auf die Daten zu schauen. "Bis heute probieren wir Neues erst gezielt auf kleiner Flamme aus, ehe wir es in großem Stil umsetzen."

Mit dieser Mischung aus analytischem Blick, Hartnäckigkeit und Disziplin hat Zalando namhafte Risikokapitalgeber für sich gewonnen. Allein der schwedische Investor Kinnevik, mit 36 Prozent der größte Anteilseigner, hat insgesamt mehr als 300 Millionen Euro in das Start-up gepumpt. Dass sich Zalando in fast 30 Finanzierungsrunden immer wieder frisches Geld geholt hat, zeigt aber auch, wie teuer das Geschäft ist: Waren vorfinanzieren; lagern und dazu drei Logistikzentren unterhalten; die Expansion in neue Länder; kostenlose Retouren, an denen Zalando auch weiterhin festhalten will, um nur keine Kunden zu verschrecken - all das verschlingt viel Geld.

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"Free your Fashion": In einem neuen Werbefilmchen wird die Modewelt vom Online-Versandhändler Zalando gerettet. Besonders originell ist der Spot jedoch nicht - Apple hat die Idee schon vor 30 Jahren mit Ridley Scott umgesetzt.

Höchste Zeit also, sich frisches Kapital zu holen. Zum Beispiel an der Börse. Dazu aber wird Zalando weitere Investoren überzeugen müssen. Mit Zahlen - oder mit einer guten Inszenierung.

© SZ vom 29.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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