Verkehr:Leichtsinn und Unwissen - Bahnübergänge bleiben Todeszone

Lesezeit: 2 min

Würzburg (dpa) - Tunnel und Brücken ersetzen immer mehr Bahnübergänge. Trotzdem sind Kollisionen von Autos und Zügen weiter traurige Normalität. Manche Fachleute meinen sogar: gerade deshalb.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Würzburg (dpa) - Tunnel und Brücken ersetzen immer mehr Bahnübergänge. Trotzdem sind Kollisionen von Autos und Zügen weiter traurige Normalität. Manche Fachleute meinen sogar: gerade deshalb.

Der Autofahrer-Alptraum wird in Deutschland rechnerisch mehr als dreimal pro Woche Wirklichkeit: Ein Auto gerät an einem Bahnübergang vor einen Zug. Wenn die tonnenschwere Lok mit voller Wucht aufprallt, bietet sich Feuerwehrmännern und Sanitätern oft ein Bild der Verwüstung. „Wenn es zum Äußersten kommt, hat man wenig Chancen“, sagt Sven Rademacher vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat.

So wie an Silvester in Sontheim im Allgäu. Zwei junge Männer fahren über einen Bahnübergang, der mit Andreaskreuz und Lichtzeichen gesichert ist. Ein Zug erfasst ihren Wagen, beide Insassen sterben. Andere Kollisionen gehen glimpflicher aus, so wie Mitte Januar im Ostallgäu. Ein 85-Jähriger übersieht an einem unbeschrankten Übergang in Seeg einen Regionalzug - es bleibt beim Totalschaden des Wagens, niemand wird verletzt.

Die Zahl der Unfälle an Bahnübergängen ist seit Mitte der 1990er-Jahre um zwei Drittel zurückgegangen. Nach Einschätzung der Deutschen Bahn ist dies ein Erfolg der Präventionsarbeit und des kontinuierlichen Abbaus von Übergängen. Doch noch immer werden Jahr für Jahr Dutzende Menschen getötet oder verletzt. 193 Unfälle zählte der Konzern 2012 bundesweit, 44 Menschen kamen ums Leben. Für das vergangene Jahr liegen noch keine Zahlen vor, doch sei ein ähnlicher Trend zu erwarten, teilte eine Sprecherin mit.

Als größtes Bundesland mit den meisten Bahnübergängen - rund 3500 - führt Bayern die traurige Statistik an. 2012 knallte es im Freistaat 57-mal an einer Kreuzung von Straße und Schiene.

„Die Ursache ist oft ein Mix aus Unsicherheit über das Verhalten am Bahnübergang und Leichtsinn“, sagt Rademacher. Gerade dort, wo die Übergänge nicht mit Schranken gesichert seien, versuchten manche, noch schnell die Schienen zu überqueren. „Da gibt es bei einigen kein Empfinden für die Gefahr.“ Einige Fahrer versuchten sogar, geschlossene Halbschranken zu umkurven. Zudem wüssten manche nicht, dass auch ein rotes Blinklicht zum Anhalten auffordert - und nicht wie eine gelbe Ampel zu werten sei. „Rot ist rot.“

Nach Angaben der Bahn gehen mehr als 90 Prozent der Unfälle auf Fehler der Auto-, Rad- und Motorradfahrer oder Fußgänger zurück. So wie im Fall einer 35-Jährigen, die Mitte Januar im niederbayerischen Pilsting-Harburg ihr Auto auf einen Übergang fährt, obwohl die Ampel rot blinkt. Als sich die Halbschranke hinter ihr senkt, fährt sie so weit zurück, dass der Zug nur das Vorderteil des Wagens erfasst - die Fahrerin erleidet lediglich einen leichten Schock.

Tunnel oder Brücken haben mittlerweile viele Bahnübergänge ersetzt. Deren Zahl hat sich seit 1950 mehr als halbiert. „Wir sind sehr darum bemüht, dass die Zahl weiter abnimmt“, sagt eine Bahn-Sprecherin. Neue Strecken würden möglichst ohne Übergänge gebaut.

Heute gibt es in Deutschland rund 18 700 Bahnübergänge. Gut die Hälfte ist mit Schranken oder Halbschranken gesichert. Aber vor allem an Straßen mit wenig Verkehr weist oft allein ein Andreaskreuz darauf hin, dass die Bahn Vorfahrt hat.

Nach Einschätzung des Fahrgastverbands Pro Bahn ist das nicht genug. Die Organisation setzte sich schon vor Jahren dafür ein, die rot-weißen Kreuze um Stoppschilder zu ergänzen. „Das halten wir nach wie vor für gut“, sagt der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. „Das ist vielen Autofahrern gar nicht bewusst, was das Andreaskreuz bedeutet.“ Der Abbau der Bahnübergänge könne dieses Problem möglicherweise sogar noch verschärfen: Je weniger man es gewohnt ist, desto weniger nimmt man die Gefahr wahr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: