Bonn:Straßenbahn-Geisterfahrt: Fahrgast zog viermal die Notbremse

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Ein Rettungswagen fährt mit Blaulicht über eine Straße. (Foto: Nicolas Armer/dpa/Archivbild)

Bei der "Geisterfahrt" einer Straßenbahn mit bewusstlosem Fahrer in Bonn hat ein Fahrgast viermal vergeblich die Notbremse gezogen. Da die Straßenbahn immer...

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Bonn (dpa/lnw) - Bei der „Geisterfahrt“ einer Straßenbahn mit bewusstlosem Fahrer in Bonn hat ein Fahrgast viermal vergeblich die Notbremse gezogen. Da die Straßenbahn immer noch nicht anhielt, brachen Fahrgäste dann die Fahrerkabine auf und stoppten den Zug. „Es war eine Stimmung, wie man sie aus einem Katastrophenfilm kennt“, sagte der 55-jährige Michael Heinrich am Montag nach der Horrorfahrt der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte der „Express“ mit dem Fahrgast gesprochen.

Die Straßenbahn der Linie 66 mit rund zwanzig Passagieren war am frühen Sonntagmorgen gegen 00.40 Uhr ohne anzuhalten an mehreren Haltestellen vorbeigefahren, der Fahrer war nicht mehr ansprechbar, wie Polizei und Stadtwerke mitteilten. Der Fahrer war in seiner Kabine zusammengebrochen. Die Polizei sprach von einem „internistischen Notfall“. Er kam ins Krankenhaus, wurde aber inzwischen entlassen, wie die Stadtwerke am Montag mitteilten.

Fahrgast Michael Heinrich aus Bornheim zwischen Köln und Bonn saß in dieser Nacht in der Straßenbahn. Zuerst habe er nicht verstanden, was passiert. „Plötzlich brach Panik aus“, sagt der 55-Jährige, der an dem Abend bei einem Konzert in Siegburg war. Erst da habe er den Ernst der Lage erkannt. „Ich habe viermal die Notbremse gezogen“, sagt Heinrich. Doch die Bahn fuhr trotzdem weiter.

Dass die Bahn auch bei gezogener Notbremse fährt, ist durchaus gewollt. Die Notbremse sende nur ein Signal an den Fahrer, der dann selbstständig entscheiden könne, wann er die Bahn stoppt, erklärte eine Pressesprecherin der Bonner Stadtwerke. Und da der Fahrer ohnmächtig im Führerhaus saß, konnte er auf die Signale nicht mehr reagieren.

Warum die Bahn trotzdem nicht stehen blieb, ist nicht genau geklärt. In den Führerkabinen sind sogenannte Totmannmelder eingebaut. Sie müssen von den Fahrern regelmäßig betätigt werden, sonst hält der Zug automatisch an. Da der Fahrer im Sitz zusammengesunken war, habe er möglicherweise dabei auf den Knopf gedrückt, vermutet die Sprecherin. Genaueres müssten aber die Untersuchungen ergeben.

Während der Irrfahrt hielt eine Zeugin permanent Kontakt zur Polizei. In Absprache mit der Polizei und den Stadtwerken konnten die Fahrgäste ein Fenster zur Fahrerkabine aufbrechen und die Bahn nahe der Haltestelle Adelheidisstraße abbremsen. „Dann kam sie Gott sei dank vor der Straße zum Stehen“, sagt Fahrgast Heinrich. Denn bis zu dieser Haltestelle fährt die Bahn nicht auf der Straße, sondern parallel dazu. Bis sie von den Passagieren gestoppt wurde, fuhr sie an insgesamt acht Haltestellen ohne Halt vorbei.

Der Fahrer sei zwar aus der Klinik entlassen. Er sei aber weiter krankgeschrieben und lasse sich psychologisch betreuen, sagte die Stadtwerke-Sprecherin.

Nun werde untersucht, wie genau es zu dem Vorfall kommen konnte. „Die Bahn ist sichergestellt“, sagte ein Polizeisprecher. Unter anderem werde der Fahrtenschreiber ausgewertet. Er soll jetzt Auskunft über die Dauer und die Geschwindigkeit der Irrfahrt geben. „Gut, dass die Zeugen so gut reagiert haben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Inzwischen hat sich auch der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) zu Wort gemeldet und den Passagieren für ihren Einsatz gedankt: „Sie haben in einer gefährlichen Situation genau das Richtige getan und womöglich Leben gerettet“. Er erwarte eine gründliche Aufklärung des Vorfalls.

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