Verkauf der Energietochter Dea:RWE-Deal verschärft Abhängigkeit von Russland

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Ölförderung in Deutschland: die Bohrinsel Mittelplate. RWE betreibt sie zusammen mit Wintershall. (Foto: REUTERS)

Ausgerechnet an einen russischen Investor will RWE seine Gas- und Öltochter Dea verkaufen. Es ist der bisher heikelste Kauf des zweitreichsten Oligarchen Michail Fridman.

Von Markus Balser

Geschäft, Geschäft und noch mal Geschäft - die Devise des russischen Milliardärs Michail Fridman spricht Bände. Intelligent, aggressiv, knallhart kalkulierend: Fridman hat sich als internationaler Investor den Ruf erarbeitet, zuzuschlagen, wenn keiner mehr mit ihm rechnet. Seine ersten Rubel verdiente der heute zweitreichste Oligarch Russlands mit einer Fensterputzfirma, später mit Computer- und Teppichhandel. Inzwischen hat sich Fridman auf eine andere Branche verlegt, die noch mehr Geschäft verspricht: Den Öl- und Gassektor.

Am Sonntagabend wurde der jüngste und wohl heikelste Deal Fridmans publik: Eine Investorengruppe um ihn will für mehr als fünf Milliarden Euro die Öl- und Gastochter des deutschen Energiekonzerns RWE übernehmen. Kaum jemand hatte für möglich gehalten, dass RWE angesichts der in der Krim-Krise wachsenden Sorgen um eine zu große Abhängigkeit Europas von den Rohstofflieferungen aus Moskau Fridman den Zuschlag für RWE Dea geben könnte. Doch nun gab RWE die Einigung mit Fridmans Firma Letter One bekannt - ausgerechnet am Tag jenes Krim-Referendums, das den politischen Streit des Westens mit Moskau durch Sanktionen eskalieren lassen könnte.

Offenbar entschied nicht politisches Kalkül, sondern das höchste Gebot. Als wahrscheinlich galt bislang der Verkauf an den zweiten ernsthaften Bieter - die BASF-Tochter Wintershall. Doch Fridman soll schon in der ersten noch unverbindlichen Runde mit gut fünf Milliarden Euro die höchste Offerte eingereicht haben. Winterhall soll die RWE-Tochter dagegen nur auf rund 3,5 Milliarden Euro taxiert haben. Zu wenig, befand RWE-Chef Terium.

RWE benötigt dringend Geld für Firmen-Umbau

Für Fridman ist das Geschäft trotz des hohen Kaufpreises ein Leichtes. Unter seiner Führung hatte ein russisches Oligarchenkonsortium erst 2013 den russischen Ölkonzern TNK-BP an Rosneft verkauft - für 55 Milliarden Euro. Seither suchte Fridman mit seiner Alfa Group weltweit fieberhaft nach neuen Investitionsmöglichkeiten. Erst im Juni hatte er die Investmentfirma LetterOne aus dem Boden gestampft, die sich vorrangig um Investitionen in den Energiesektor kümmern sollte.

Der angeschlagene und hochverschuldete Energiekonzern aus Essen stand dagegen unter enormem Zeitdruck. Er hatte seine profitable Tochter vor einem Jahr zum Verkauf gestellt. Das Ziel von Konzernchef Peter Terium: Endlich an Geld für den dringend nötigen Umbau des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns zu kommen. "Diese Vereinbarung ist ein wichtiger Meilenstein in der strategischen Weiterentwicklung von RWE", sagte Terium. "Darüber hinaus ist sie ein weiterer wesentlicher Schritt zur Stärkung der Finanzkraft unseres Unternehmens." RWE hatte vor knapp zwei Wochen einen Verlust von 2,8 Milliarden Euro für 2013 bekannt gegeben, nach einem Gewinn von 1,3 Milliarden Euro im Jahr zuvor.

RWE Dea fördert Öl und Gas vor allem in Deutschland, Norwegen, Großbritannien und Ägypten. Es ist einer der wesentlichen Gasförderer in Niedersachsen und betreibt gemeinsam mit der BASF-Tochter Wintershall die Ölförder-Plattform Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Dazu sind einige Projekte in verschiedenen Ländern Nordafrikas und in den Ölregionen des Kaspischen Meeres in Arbeit.

Der Verkauf an einen Investor aus Russland gilt als politisch hoch brisant. Denn mit dem Milliardengeschäft wächst die Rohstoff-Abhängigkeit Deutschlands von Russland. Der Verkauf sei noch nicht endgültig in trockenen Tüchern, teilte RWE am Sonntag allerdings mit. RWE und Letter One "werden zügig die weiteren Details klären, um den Kaufvertrag abzuschließen", heißt es in der Pflichtmitteilung vom Sonntag. Der Handel steht zudem unter dem Vorbehalt, dass der RWE-Aufsichtsrat sowie Behörden in verschiedenen Ländern zustimmen. Zwar soll Fridman den deutschen Dea-Standorten - etwa der Zentrale in Hamburg - nach Angaben von Konzernkreisen eine Beschäftigungsgarantie zusichern. Doch ob etwa deutsche Behörden der Übernahme zustimmen, scheint offen.

© SZ vom 17.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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