Verhandlungen in Brüssel:Deshalb haken die Griechenland-Gespräche

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Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel kommt Finanzminister Wolfgang Schäuble überraschend mit seinem Kollegen Yanis Varoufakis zusammen. (Foto: dpa)
  • Griechenland braucht ein drittes Kreditpaket - das ist die Schlussfolgerung aus der aktuellen Gemengelage. Die Frage ist, wie die Unterstützung aussehen soll.
  • Darüber sind sich auch die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds nicht einig. Strittig ist etwa, wie viele Schulden für Griechenland überhaupt tragbar sind.
  • Vor neuen Verhandlungen in Brüssel am Montag treffen sich die Finanzminister Schäuble und Varoufakis überraschend zu Gesprächen.

Analyse von Cerstin Gammelin, Brüssel

In sechs Wochen läuft das zweite Hilfsprogramm für Griechenland aus. Und noch immer sind sich Griechenland und die Kreditgeber, auch untereinander, nicht einig, wie es mit dem Land weitergeht.

Zwar haben sich Internationaler Währungsfonds (IWF), Euro-Gruppe und Griechenland jeweils Gedanken gemacht, wie die dramatische Schuldenkrise beruhigt werden kann. Doch weigern sich vor allem die Euro-Minister, aus den Überlegungen einen konkreten, beschließbaren Plan zu erstellen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Vor allem geht es darum, dass keine Seite zuerst ihre rote Linie überschreiten, zuerst Zugeständnisse machen will.

Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel kommt Finanzminister Wolfgang Schäuble überraschend mit seinem Kollegen Yanis Varoufakis zusammen. Aus Athen heißt es, Thema sei der am Dienstag fällige IWF-Kredit. Sollte Griechenland diesen bedienen, könne die Regierung keine Renten mehr auszahlen. Dem Vernehmen nach erwartet sich Athen also Zugeständnisse. Gegenüber dem Sender Euronews beteuerte Varoufakis, Griechenland werde die Rate zahlen.

Der IWF will den Schuldenschnitt, die Euro-Länder auf keinen Fall

Vor dem Treffen der Euro-Finanzminister ist klar, dass die Erwartungen an die Zusammenkunft gering sind. Die griechische Regierung, so sagen sie offiziell, lenke bei nötigen Reformen nicht ein und präsentiere unrealistische Haushaltszahlen. Insgesamt bewege sich Athen zu wenig, um Konkretes wie etwa die Auszahlung finanzieller Hilfen beschließen zu können.

Athen wiederum verweist auf die Kreditgeber: IWF und Euro-Minister streiten sich darum, welcher Schuldenberg für Griechenland mittelfristig tragbar ist. Der IWF geht - bezogen auf die Wirtschaftskraft - von 120 Prozent bis 2020 aus. Diese Quote erscheint aber unerreichbar: Derzeit liegt sie bei 180 Prozent, die Wirtschaft wächst kaum. Deswegen macht der IWF für weitere Unterstützung einen Schuldenschnitt zur Bedingung - freilich bezogen auf Kredite der Euro-Länder und nicht auf die eigenen. Einen solchen Schuldenschnitt lehnen die Euro-Länder ab.

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Aus dieser komplizierten Gemengelage ergibt sich vor allem eine Schlussfolgerung: Griechenland braucht ein drittes Hilfspaket, damit die Rückzahlung aller Schulden gesichert wird.

Wie ein solches Paket aussehen kann, darüber reden Kreditgeber und Schuldner längst. Deswegen geht es in den laufenden Verhandlungen auch nicht zuerst darum, dass die Griechen noch immer keine quantifizierbaren, soliden Reformen vorschlagen oder dass sie dringend Geld für die nächste Kreditrückzahlung brauchen. Vor allem geht es darum, die fiskalischen Daten abzustimmen und die Schuldentragfähigkeit zu errechnen. Daraus muss sowohl ein Abschluss des laufenden Hilfsprogramms und zugleich ein drittes Paket entstehen. Und zwar so, dass der IWF weiterhin dabei bleibt.

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Grundsätzlich nimmt der Währungsfonds eine Sonderrolle unter den Kreditgebern ein. Als die Krise in Griechenland ausbrach, drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel darauf, den Weltwährungsfonds in die Rettung Griechenlands einzubeziehen. Einerseits wegen der Expertise, andererseits, um den politischen Einfluss auf harte wirtschaftliche und fiskalische Entscheidungen zu begrenzen.

Hinzu kommt, dass Griechenland nicht automatisch pleite ist, sollte der Staat die IWF-Schulden nicht bedienen. Würde er eine Rate - wie sie an diesem Dienstag fällig wird - nicht oder verspätet zahlen, dürfte das an den Märkten keine sofortigen Konsequenzen haben. Die Anleihen des IWF sind nicht handelbar. Auch Ratingagenturen dürften sich kaum dafür interessieren.

Konsequenzen hingegen müsste die Europäische Zentralbank aus einem solchen Szenario ziehen. Zahlte Athen den IWF nicht aus, deutete das nach Lesart der EZB auf ernste Zahlungsschwierigkeiten hin. Sie müsste also die Sicherheiten, die die griechischen Banken für die finanziellen Notkredite (ELA) anbieten, neu bewerten. Es ist nicht auszuschließen, dass die EZB zu der Ansicht käme, dass es keine ELA mehr gewähren kann. Die Notenbank in Athen dürfte den griechischen Banken keine ELA-Gelder mehr auszahlen. Die Institute könnten keine kurzfristigen Schuldscheine ihrer Regierung mehr kaufen. Athen wäre binnen Tagen zahlungsunfähig.

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Ein drittes Paket muss also absichern, dass Athen den IWF bedienen kann. Die Schulden, die Athen bei der EZB hat, könnte dagegen der Euro-Rettungsfonds ESM übernehmen - einen einstimmigen Beschluss der Euro-Finanzminister sowie der Zustimmung einiger nationaler Parlamente vorausgesetzt.

Es sind diese Entscheidungen, die Athen und die Kreditgeber jetzt zu treffen haben - und die Zeit brauchen. Zudem muss sich einer der Partner zuerst bewegen, damit der Prozess in Gang kommt. Aus Athen war am Montag zu hören, dass Premierminister Alexis Tsipras fürchtet, ein Entgegenkommen seinerseits könnte von den Kreditgebern nicht ausreichend gewürdigt werden - was zu Zerwürfnissen in seinem Linksbündnis Syriza führen könnte.

Immerhin: Ab Dienstag versuchen die Experten der Kreditgeber und Griechenland wieder, alle Zahlen und Daten für die nötigen Beschlüsse zusammenzutragen.

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