Wie weit darf Meinungsfreiheit im Internet gehen? Der Kurznachrichtendienst Twitter hat für sich eine Antwort auf die Frage gefunden: So weit wie nationale Gesetze reichen. Das amerikanische Unternehmen hat in dieser Woche den Account der verbotenen niedersächsischen Neonazi-Gruppe Besseres Hannover für Zugriffe aus Deutschland gesperrt. In anderen Ländern ist das Twitterkonto weiterhin verfügbar. Twitter setzt damit erstmals einen im Januar bekannt gegebenen Strategiewechsel um.
Damals hatte das Unternehmen angekündigt, Inhalte fortan unter Umständen nur für den Zugriff aus einzelnen Länder zu sperren. Bislang war die Neuregelung aber nicht zum Einsatz gekommen. Politische Aktivisten hatten Zensur befrüchtet. Der Grund für die neue Blockadepolitik ist, dass etwa rassistische oder volksverhetzende Inhalte nicht in allen Ländern der Welt illegal sind. Zuvor hatte Twitter fragwürdige Inhalte entweder weltweit oder gar nicht gesperrt. "Es ist gut, Werkzeuge zu haben, um es punktuell und transparent zu machen", schrieb Twitter-Manager Alex Macgillivray am Donnerstag.
Mit der Blockade vom Mittwoch reagierte Twitter auf ein Schreiben der Polizeidirektion Hannover vom 25. September, das Twitter auch im Internet veröffentlicht hat. Darin fordert die Polizei den Kurznachrichtendienst auf, das Twitterkonto der Tags zuvor verbotenenen Neonazi-Gruppe Besseres Hannover "umgehend und ersatzlos zu schließen". Dieser Aufforderung kam Twitter mit der jetzt umgesetzten, national begrenzten Sperrung nur eingeschränkt nach. Das niedersächsische Innenministerium teilte auf Anfrage mit, sich noch heute zur Sperrung äußern zu wollen.
Besseres Hannover war bis zum Verbot die aktivste Neonazi-Gruppe Niedersachsens. Ende September war sie wegen Volksverhetzung und Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda verboten worden. Die Gruppe mit rund 40 Mitgliedern hatte seit 2008 ausländerfeindliche Aktionen gestartet, rechte Zeitschriften an Schulen verteilt und Hetze im Internet betrieben. Der letzte Tweet der Gruppe stammt vom 25. September, dem Tag als 100 Beamte bei einer Razzia 27 Wohnungen und Fahrzeuge in Hannover und Umgebung durchsuchten.
Update um 16.25 Uhr: Niedersachens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nannte die Sperrung des Twitter-Accounts in einer Stellungnahme "einen ganz wichtigen Schritt." Er begrüße es, dass Twitter so schnell reagiert habe. Für Rechtsextremisten gewinne gerade das Internet als Kommunikationsmittel und Anwerbeplattform für junge Menschen zunehmend an Bedeutung, sagte Schünemann zu Süddeutsche.de.
Die Neonazis nutzen die weltweite mediale Aufmerksamkeit derweil für ihre Zwecke. Am Nachmittag wurde erstmals nach mehrwöchiger Pause wieder ein Tweet über den in Deutschland gesperrten Account veröffentlicht. Darin vergleichen die Neonazis Deutschland mit Russland und China und fordern auf Englisch: "Freiheit für Deutschland".
Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.