US-Hypothekenfinanzierer:Verlockende Geschwister

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Es scheint die Lösung für viele Probleme Barack Obamas zu sein. Der US-Präsident könnte die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac zwingen, Schulden zu erlassen. Das würde ihm und der Wirtschaft helfen.

Moritz Koch, New York

Das Dementi erfolgte prompt, doch die Spekulationen reißen nicht ab. Gerüchte, die US-Regierung könne die von ihr übernommenen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac anweisen, ein gewaltiges Entschuldungsprogramm für die Mittelschicht aufzulegen, entbehrten jeder Grundlage, ließ das Finanzministerium in Washington zu Monatsbeginn verlauten.

Das Logo des Hypothekenfinanzierers Freddie Mac auf dem Gelände der Hauptverwaltung in McLean im US-Bundesstaat Virginia: 20 Prozent der Hypotheken sind faul. (Foto: REUTERS)

Doch kaum jemand an der Wall Street glaubt ihm. Irgendetwas müsse die Regierung tun, sagen die Banker. Die Konjunktur verliere an Schwung. Es drohe ein Rückfall in die Rezession. Für Dienstag hat die Regierung eine Pressekonferenz zum Thema Fannie und Freddie einberufen und so noch mehr Erwartungen an den Märken geschürt.

Tatsächlich könnte die amerikanische Wirtschaft neue Impulse gut gebrauchen. Mehr als sechs Millionen Amerikaner gelten inzwischen als langzeitarbeitslos. Vor allem der schwache Konsum hält den Arbeitsmarkt zurück. 70 Prozent der US-Wirtschaft sind von der Kauflust der Amerikaner abhängig.

Staatliches Ausgabenprogramm läuft aus

Doch aus Angst davor, selbst den Job zu verlieren, sparen viele Haushalte lieber statt einzukaufen. Viele Ökonomen glauben, dass nur Staatseingriffe das Dilemma lösen können. Doch das Ausgabenprogramm der Regierung läuft aus, und die Zentralbank hat vergangene Woche lediglich beschlossen, ihre Unterstützung zu verlängern. Neue Hilfen wurden nicht auf den Weg gebracht - zumindest bisher.

Es ist kein Geheimnis, dass Präsident Barack Obama gerne neue Konjunkturprogramme auflegen würde. Doch dafür benötigt er die Zustimmung des Kongresses, und dort finden seine Initiativen keine Mehrheit mehr. Nur mit großer Mühe gelang es Obamas Demokraten zuletzt, Haushaltshilfen für klamme Bundesstaaten zu beschließen, um 150.000 Lehrerjobs zu retten.

Fannie Mae und Freddie Mac eröffnen der Regierung ganz andere Möglichkeiten. Sie garantieren für oder besitzen mehr als die Hälfte aller US-Hypotheken. Zugleich unterstehen sie seit ihrer Verstaatlichung im September 2008 den Anweisungen des Finanzministeriums.

Die Regierung könnte die beiden Hypothekenfinanzierer daher verpflichten, eine Teilentschuldung für Hausbesitzer zu beschließen, ohne dass der Kongress ein Mitspracherecht hätte. An der Wall Street wird spekuliert, dass die Regierung trotz ihres Dementis einen Plan vorbereitet, Hypothekennehmer um 800 Milliarden Dollar zu entlasten.

Bereits 150 Milliarden Dollar verschlungen

Jeder Hausbesitzer, der seiner Bank mehr schuldet als sein Haus wegen des Preisverfalls am Immobilienmarkt noch wert ist, könnte davon profitieren. Die Schuldenlast würde auf den Marktwert des Hauses reduziert. Eine neue Belastung für den Etat würde dadurch nicht entstehen, jedenfalls nicht in gleicher Höhe. Schon jetzt muss die Regierung für die Verluste der beiden Hypothekenfinanzierer geradestehen. Mehr als 150 Milliarden Dollar aus dem Staatshaushalt haben sie bereits verschlungen.

Fannie Mae ist ein Relikt aus den Zeiten der Großen Depression, Freddie Mac wurde Ende der 60er Jahre geschaffen. Beide kaufen Banken Hypotheken ab. Die Geldinstitute können dadurch schneller neue Kredite vergeben, und mehr Amerikaner können sich ein eigenes Haus kaufen.

Aus den erworbenen Hypotheken fabrizieren Fannie und Freddie Wertpapiere, für die sie garantieren und die sie in alle Welt verkaufen. In den Jahren vor der Finanzkrise wurde die Konkurrenz durch Wall-Street-Institute immer stärker. Auch sie erkannten in der Verarbeitung von Hypotheken ein lukratives Geschäft. Fannie und Freddie sahen sich gezwungen, immer riskantere Kredite zu kaufen. Heute sind 20 Prozent aller Hypotheken in ihren Büchern faul.

Mehr Geld für Konsum

Eine Teilentschuldung würde das Problem der faulen Kredite lösen. Der Anreiz, die Hypothek nicht mehr zu bedienen, ist für Haushalte nur dann besonders groß, wenn ihr Haus weniger wert ist als der Kredit, der auf ihm lastet. Durch die niedrigeren monatlichen Raten hätten Millionen von Familien zudem mehr Geld für den Konsum zur Verfügung.

Gleichzeitig wären sie wieder mobiler, da sie ihr Haus ohne Verlust verkaufen und Jobs in anderen Städten oder Bundesstaaten annehmen könnten. Darüber hinaus würde ein Nachlass den Immobilienmarkt stützen, sagt Harm Bandholz, leitender US-Volkswirt bei Unicredit, weil er Zwangsräumungen verhinderte. Kritiker wenden ein, dass die finanzielle Unverantwortlichkeit, mit der die Hypothekennehmer in die Schuldenfalle tappten, niemals belohnt werden dürfe.

Doch irgendetwas muss geschehen. Fannie und Freddie sind das ungelöste Problem des amerikanischen Finanzsystems. Die Reform der Wall Street, die Obama durchgesetzt hat, sparte die beiden Institute aus. Jetzt bieten sie dem Präsidenten die Chance, die Konjunktur anzuschieben und sich zugleich als Retter der Mittelschicht zu präsentieren. Welcher Politiker könnte da widerstehen?

© SZ vom 16.08.2010/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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