Ursula Piëch und das VW-Erbe:Die Frau an seiner Seite

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Ferdinand Piëch, wichtigster Automanager der Welt, vertraut ausschließlich sich selbst und seiner Uschi. Aber nur zu Lebzeiten.

Thomas Fromm

Mit Paris fing es an. Und mit Autos. Vor genau 26 Jahren, da waren sie das erste Mal zusammen in Paris. Es war direkt nach der Hochzeit, und weil im September geheiratet wurde, ging die Hochzeitsreise - wohin sonst - zur Pariser Automesse. Ein paar Tage Autos gucken, das war's. Heute sagt Ursula Piëch, dass Autos eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen. Ist ja auch kein Wunder, wenn das Leben zu zweit schon mit Autos beginnt. 26 Jahre später wieder Paris, wieder Automesse. Ferdinand Piëch ist heute 73 Jahre alt. Vieles hat sich verändert, einiges ist noch wie 1984.

Ferdinand Piëch vertraut seiner Ehefrau Ursula sein milliardenschweres Konzernerbe an. (Foto: dpa)

Piëch hat seinen Weg gemacht, vom Audi-Technikvorstand zum Aufsichtsratsvorsitzenden des VW-Konzerns. Der mächtigste Automanager Europas, vielleicht sogar der ganzen Welt. Ursula Piëch ist noch immer seine Frau. Seit einem Vierteljahrhundert. Und nun stehen sie hier in einer großen Halle in Paris. Es ist eine große Party, VW stellt seine neuen Modelle vor, wie jedes Mal am Vorabend einer Automesse.

Und Ursula, genannt Uschi, ist wie immer dabei. Schwarze Stola, schwarze Samtjacke, grauer Rock. Weißes Armband um die Uhr, eine braune Lederhandtasche. Ein gemeinsamer Rundgang durch die Halle, Autos schauen. Er vorne, sie hinterher. Oft, vor allem am späten Abend, ist es anders herum. Noch aber ist es früh. Piëch prüft einen Bugatti, pumpt am Gaspedal, ruckelt auf dem Sitz herum, Ursula schaut zu. Sie weiß: Wenn ihr Mann erst einmal anfängt, ein Auto zu inspizieren, kann das länger dauern. Irgendwann kommt er wieder raus, zupft sie leicht am Arm. "Jetzt setz du dich mal rein." Dann schaut er lange und ruhig zu, wie sie in den Wagen steigt, alles berührt, und wieder herauskommt. Er lächelt. Und streicht ihr liebevoll über die Backe.

Vielleicht stimmt ja, was viele in Wolfsburg sagen. Dass sie schon längst mehr als seine Ehefrau ist, ihren Mann schon seit langer Zeit in Autofragen berät. Natürlich, die gelernte Kindergärtnerin soll das in ihrer Sprache tun, wenn sie dem Ingenieur Piëch ihre Sicht der Dinge erklärt. Zwischendurch ist sie dann wieder die Fürsorgliche. Jemand bringt ein Glas Wasser für ihren Mann, sie soll es weiterreichen. Stilles oder mit Kohlensäure? "Für ihn bitte Sprudel", sagt sie.

Rücken an Rücken

Ursula Piëch lacht sehr viel an diesem Abend, aber nicht zu viel. Die Frau aus Oberösterreich ist natürlich. Sie und ihr Mann sind verschiedene Menschen. Er verschmitzt, wortkarg, sibyllinisch-bissig, manche meinen sogar listig. Sie herzlich, offen, eine begabte Smalltalkerin. Die Frau als Gegenpol ihres Mannes. Dass sie ihn schon so oft für verrückt erklärt haben, für misstrauisch, für nachtragend, findet sie ungerecht. "Dabei ist er viel verzeihender, als man ihm zutraut", sagt sie und zwinkert.

Wahrscheinlich stimmt es doch, dass niemand auf der Welt einen so guten Zugang hat zum Menschen Piëch wie seine Ehefrau. Sie sagt: "Ich lebe doch gut mit meinem Mann, oder nicht?" Gibt es eine Rollenverteilung im Hause Piëch? "Mein Mann arbeitet, ich halte ihm den Rücken frei." Dann stellt sie sich demonstrativ hinter ihn, Rücken an Rücken, und lacht ihr offenes Ursula-Piëch-Lachen.

Eigentlich ist alles wie immer. Und doch ist heute etwas anders als sonst. Jeder im Saal weiß: Ursula Piëch ist heute mehr als die Begleiterin ihres Mannes, und schuld daran ist ein 73 Seiten starker Nachlass, den der "Alte", wie sie ihn hier nennen, schon vor langer Zeit aufgesetzt hat. Die Sache ist kompliziert, und sie macht auch das bisherige Leben der Ursula Piëch komplizierter. Es kam erst vor zwei Wochen ans Tageslicht.

Schon vor einiger Zeit hatte Ferdinand Piëch sein industrielles Vermächtnis auf zwei Privatstiftungen in Österreich übertragen, und für den Fall seines Todes sein milliardenschweres Konzernerbe der Ehefrau anvertraut. Um zu verhindern, dass seine zwölf Kinder aus mehreren Beziehungen sein Erbe einfach verscherbeln und damit die Zukunft von VW aufs Spiel setzen. Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta heißen die Stiftungen, denen Piëch heute persönlich vorsteht. Stirbt er, soll seine Frau hier Nachfolgerin werden - eine große, eine immense Verantwortung. Es geht um ein Sieben-Prozent-Paket an der Porsche Holding, die wiederum die Mehrheit an den Autoherstellern Porsche und VW hält. Außerdem ist Piëch mit zehn Prozent an der Salzburger Porsche Holding, Europas größtem Autohändler, beteiligt.

Die Pakete können nicht verkauft werden, ohne dass Vorsitz und Beirat der Stiftung sowie ein Großteil der Kinder zustimmen. Und Uschi Piëch, die Ratgeberin, soll alles lenken, wenn ihr Mann einmal nicht mehr da ist. Und verhindern, dass die zwölf Kinder irgendwann zu viel Einfluss auf die Stiftungen bekommen - und damit auf den Autokonzern, der, so die Planung, bis 2018 der größte der Welt sein soll.

Nie wieder heiraten

Sie will nicht sprechen darüber, und tut es dann doch. "Wir reden über etwas, was in 30 bis 40 Jahren passiert", sagt sie. Und lacht wieder. Immerhin, dann wäre Piëch 110 Jahre alt. "Schauen Sie sich meinen Mann doch an", sagt sie und lacht. Da lacht auch Piëch. "Niemand muss sich Gedanken über meine Gesundheit machen", sagt er. "Höchstens ich, und ich tue es nicht." Da passen die beiden gut zusammen. Ein bisschen schwarzer Humor, vielleicht auch ein wenig Fatalismus. Wer weiß schon, was passiert? Dann spricht sie über den Nachlass. "An erster Stelle steht für ihn das Unternehmen, an zweiter Stelle die Familie", sagt sie. "Da verstehe ich die ganze Aufregung nicht." Die Familie, der Konzern, zwei Eheleute.

Auch Ursula ist weit gekommen. Die Geschichte der beiden beginnt mit einem Inserat, 1982. Piëch, damals 45 Jahre alt, ist Technikvorstand bei Audi und sucht per Annonce ein Kindermädchen. Ursula Plasser, eine Kindergärtnerin aus Oberösterreich, ist gerade 25 und sucht etwas Neues. Als beide zwei Jahre später heiraten, erinnert das an die Geschichte der Verlegerwitwe Friede Springer. Das gleiche Muster. Älterer Mann, jüngere Frau. Reicher Unternehmer, einfaches Kindermädchen. Und irgendwann vertrauen die Männer ihren Frauen mehr als irgendeinem der eitlen Manager um sie herum. Die Frauen werden zur wichtigsten Vertrauensperson im Leben eines einsamen Herrschers.

Und doch, es gibt klare Regeln für die Zukunft Ursula Piëchs. Festgelegt hat sie ihr Mann, so wie er es gewohnt ist, vieles festzulegen. Zum Beispiel, dass sie nicht mehr heiraten darf nach seinem Tod. Dass sie nur als Piëch-Witwe sein Erbe verwalten darf. "Da macht man die einfache Regelung, dass sie die starke Stellung nur so lange hat, wie sie ungebunden ist", sagt Piëch. Man wisse ja nie - "der Einfluss von zweiter Seite könnte sehr groß sein".

Und noch etwas: Könnte Ursula irgendwann die gleiche Autorität haben wie er, der große VW-Patriarch? Piëch denkt lange nach. Blickt nach oben, dann wieder nach unten. Beißt sich auf die Unterlippe. So wie es seine Art ist. Dann sagt er: "Das glaube ich, ja!" Irgendwann dreht sie sich um, zieht ihren Mann, der gerade in eine Fernsehkamera spricht, sanft am Ärmel. "Ich werde ihn jetzt hier rausholen", sagt sie. Als sie gehen, dreht sich Ursula Piëch noch ein letztes Mal um. "Noch 30 bis 40 Jahre", sagt sie und hebt die Hand. Piëch lächelt und murmelt: "So lang geht das nicht." Er hat das letzte Wort an diesem Abend.

© SZ vom 01.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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