Unicredit: Strategie des neuen Chefs:"Zeit für einen Wechsel"

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Chefaufseher Dieter Rampl und der neue Chef Federico Ghizzoni über die Führung bei Unicredit - und die Zukunft der Hypo-Vereinsbank.

Caspar Busse und Martin Hesse

Von Warschau nach Mailand: In Polen wurde bei einer Verwaltungsratssitzung Federico Ghizzoni zum neuen Chef von Unicredit, der sechstgrößten Bank Europas, gekürt. Am Freitag fing er in Mailand an. Im ersten gemeinsamen Interview erklären der Verwaltungsratsvorsitzende Dieter Rampl, 63, und Federico Ghizzoni, 54, die neue Strategie. An der Hypo-Vereinsbank wollen die beiden nicht rütteln.

Unicredit-Chef Federico Ghizzoni (links, neben Interimschef Dieter Rampl): "Wir müssen noch näher an unsere Kunden heran." (Foto: AFP)

SZ: Herr Ghizzoni, in Deutschland sind Sie bisher noch nicht groß aufgefallen. Sprechen Sie deutsch?

Federico Ghizzoni: Bisher nicht. Aber ich werde mich bemühen, es zu lernen.

SZ: Herr Rampl kann Ihnen helfen?

Dieter Rampl: Aber ich spreche doch selbst nicht perfekt deutsch.

SZ: Dann muss Herr Ghizzoni bayrisch lernen. Sie stehen für die Osteuropa-Strategie der Unicredit-Gruppe. Müssen wir uns Sorgen um die Hypovereinsbank machen?

Ghizzoni: Dazu besteht keinerlei Anlass. Deutschland ist und bleibt für uns ein Schlüsselmarkt, wir sehen es als Heimatmarkt an. Die Hypovereinsbank spielt im Konzern eine bedeutende Rolle. Hier ist das Investmentbanking des Konzerns gebündelt, in dem wir eine sehr gute Marktposition haben. Aber auch das Privatkundengeschäft ist wichtig.

SZ: Aber gerade mit Privatkunden verdienen Sie in Deutschland so gut wie nichts. Halten Sie an dem Geschäft fest?

Ghizzoni: Es stimmt, wir verdienen nicht gerade viel im Privatkundengeschäft. Aber das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in anderen Märkten. Deutschland ist die größte und bedeutendste Volkswirtschaft in Europa. Schon deshalb werden wir das Privatkundengeschäft in Deutschland in keinem Fall aufgeben.

SZ: Herr Rampl, soll die HVB stärker in den Konzern integriert werden?

Rampl: Ich verstehe die Frage nicht. Es gibt keinen Grund, etwas an der heutigen Struktur zu ändern.

SZ: Was muss Unicredit anders machen?

Ghizzoni: Wir halten generell an unserer Strategie fest und brauchen keinen grundlegenden Wandel. In den nächsten Wochen werden wir uns erstmal auf die bereits laufende Integration unserer italienischen Banken konzentrieren. Und natürlich werde ich auch in der Unicredit-Gruppe unterwegs sein.

SZ: Sie wollen sich also wie schon in den vergangenen Monaten vor allem mit der internen Organisation befassen?

Ghizzoni: Alle internen Anstrengungen zahlen sich auch extern aus. Aber natürlich werden wir uns noch stärker auf die Märkte und Kunden konzentrieren. Unicredit hat großes Potential, das es zu heben gilt.

SZ: Was heißt das?

Ghizzoni: Wir haben nicht unbegrenzt Kapital zur Verfügung, also müssen wir uns vermehrt auf Kernmärkte mit Wachstumspotenzial konzentrieren, dazu zählen die Länder in Mittel- und Osteuropa, aber auch Deutschland, Österreich, Polen, Russland oder die Türkei.

SZ: Werden Sie sich aus einigen Märkten zurückziehen?

Ghizzoni: Wir brauchen keinen neuen regionalen Ansatz. Aber wir werden möglicherweise unsere Präsenz in einzelnen Märkten weiter verstärken, während wir in anderen Märkten unser Engagement zurückfahren werden. Aus meiner Sicht ist es wichtiger, dass wir in einem Geschäft in einem Land führend sind, als alles zu machen und dabei die Nummer zehn zu sein.

SZ: Werden Sie noch Banken kaufen?

Ghizzoni: Wir konzentrieren uns zunächst vor allem auf internes Wachstum. Es gibt derzeit keine Übernahmepläne. Aber Akquisitionen sind nicht ausgeschlossen.

SZ: Herr Rampl, was müssen Sie tun, um die Führungskrise der vergangenen Wochen zu überwinden?

Rampl: Das wichtigste haben wir am Donnerstag getan: Wir haben jetzt einen international sehr erfahrenen neuen Vorstandschef. Er steht für Stabilität und wird eine starke Position haben, um die Strategie weiterzuverfolgen. Der Verwaltungsrat hat Federico einstimmig ernannt.

SZ: Aber sollte nicht die gesamte Führungsstruktur geändert werden?

Rampl: Das wird erst in den nächsten Wochen entschieden. Der neue Chef wird ein Modell erarbeiten und das dann im Verwaltungsrat zur Diskussion stellen.

SZ: Was ist der Unterschied zwischen Herrn Profumo und Herrn Ghizzoni?

Rampl: Es geht beim Wechsel an unserer Unternehmensspitze nicht um Stärken und Schwächen, um Plus und Minus. Es war einfach Zeit für einen Wechsel. Federico Ghizzoni ist sehr erfahren, kennt die Bank wie kein Zweiter und hat einen ausgezeichneten Ruf.

SZ: Es gab viel Streit in der Bank. Wie befrieden Sie Unicredit?

Rampl: Unicredit muss nicht befriedet werden. Wir hatten einen Wechsel auf dem Posten des CEO. Nicht mehr und nicht weniger. Das wichtigste ist, dass wir eine unabhängige, internationale Bank sind und bleiben.

SZ: Herr Ghizzoni, Sie haben die Probleme Ihres Vorgängers geerbt. Wie gehen Sie mit den Turbulenzen um?

Ghizzoni: Unsere Pflicht ist es, gute Ergebnisse abzuliefern. Im Übrigen: Die angeblichen Turbulenzen sind eine meiner geringsten Sorgen.

SZ: Was ist denn Ihre größte Sorge?

Ghizzoni: Die Zeiten sind weiterhin nicht einfach, die Krise ist immer noch spürbar. Auch wenn ich inzwischen wieder deutlich besser schlafe als noch vor einem Jahr. Wir müssen unser Geschäft an die neuen Gegebenheiten anpassen.

SZ: Was bedeutet das?

Ghizzoni: Wir müssen noch näher an unsere Kunden heran. Es gibt eine neue Generation, die Bankgeschäfte anders angeht. Wir werden vor allem unsere Servicequalität verbessern.

SZ: Wenn Sie Ihre Strategie in einem Satz zusammenfassen müssten, wie würde der lauten?

Ghizzoni: Spontan gesagt: Less time in, more time out. Das heißt, wir sollten uns weniger mit internen Fragen als vielmehr mit unseren Kunden beschäftigen.

SZ: Einige Ihrer Aktionäre drängen auf höhere Gewinne und Dividenden.

Ghizzoni: Das halte ich für eine selbstverständliche Forderung nicht nur von einigen, sondern von allen Aktionären . . .

Rampl: . . . und auch der Verwaltungsrat fordert das. Die Profitabilität ist schwach, keine Frage. Darauf wird sich das Management konzentrieren.

SZ: Was ist denn das Ziel? Eine Rendite von 25 Prozent, wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sie anstrebt?

Rampl: Nach der Krise muss man sich an andere Zahlen gewöhnen. Konkrete Vorgaben will ich nicht machen.

SZ: Sind Sie mit der Aktionärsstruktur glücklich?

Rampl: Ja, wir haben internationale und langfristig interessierte Investoren, diese brauchen wir auch als europäische Großbank.

SZ: Ist Libyen auch willkommen?

Rampl: Libyen ist ein verlässlicher Aktionär. Wir prüfen jetzt, ob die beiden libyschen Fonds als eine oder zwei Einheiten zu bewerten sind. Sollte es sich um einen Aktionär handeln, wäre sein Stimmrecht auf fünf Prozent beschränkt.

SZ: Herr Ghizzoni, wann kommen sie nach Deutschland, um sich vorzustellen?

Ghizzoni: Ich plane einen baldigen Besuch, sicherlich noch in diesem Monat, aber es gibt noch keinen konkreten Termin. Leider klappt es nicht mehr zum Oktoberfest.

Rampl: Nächstes Jahr gehen wir jedenfalls gemeinsam auf die Wiesn.

SZ: Herr Ghizzoni, Herr Profumo fährt gerne Motorrad. Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ghizzoni: Ich fahre lieber Fahrrad.

© SZ vom 02.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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