Ungeeignete Finanzprodukte:Beraten und verkauft

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Altersvorsorge, Sparen fürs Eigenheim: Viele deutsche Anleger investieren ihr Vermögen völlig falsch. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Verbraucherzentrale. Und auch die Profis aus der Bankberatung sind keine echte Hilfe: Der Großteil der angebotenen Finanzprodukte passt nicht zum Kunden.

Von Daniela Kuhr

Ein Häuschen in Schweden - davon träumt das Ehepaar. In etwa zwei bis fünf Jahren wollen der Beamte und die Frührentnerin es kaufen. Bis dahin soll eisern gespart werden. 2600 Euro monatlich wollen sie anlegen, und zwar sicher. Denn ihr Traum soll ja nicht in letzter Sekunde noch platzen. Aus diesem Grund suchten sie mehrere Banken auf und baten um Angebote. Doch bevor sie sich für eines entschieden, brachten sie alle Unterlagen zur Verbraucherzentrale, um sie prüfen zu lassen. Die aber stellte fest: alles Mist. Keines der Angebote passte zu dem, was das Ehepaar vorhatte. Die Produkte waren entweder zu teuer (Rentenversicherung), zu unflexibel (Sofortrente) oder zu riskant (Aktienanleihe). Und das ist kein Einzelfall.

Jedes zweite angebotene Anlageprodukt entspreche nicht dem Bedarf des jeweiligen Verbrauchers, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. 298 Fälle hat er sich gemeinsam mit Kollegen angesehen. Ihnen allen war gemeinsam, dass ein Einzelner oder ein Ehepaar sich an eine Verbraucherzentrale gewandt hatte mit der Bitte, zu überprüfen, ob die Anlageprodukte, die er oder sie besitzt, sinnvoll sind.

Bei den aktuellen Produkten fallen 87 Prozent durch

In einigen Fällen - wie dem des eingangs erwähnten Ehepaars - ging es nicht um bereits abgeschlossene Finanzverträge, sondern um solche, die aktuell von Banken oder Finanzvertrieben angeboten wurden. Nauhauser und seine Kollegen untersuchten, ob die Produkte dem individuellen Bedarf des Verbrauchers in seiner jeweiligen Situation entsprachen.

Das zentrale Ergebnis: Bei den bereits erworbenen Produkten entsprachen 42 Prozent nicht dem Bedarf, häufig lag dies an zu hohen Kosten. Bei den aktuell angebotenen Produkten fielen sogar 87 Prozent durch. Auch hier war der Grund ganz überwiegend, dass sie zu teuer sind. "Unsere Beobachtungen sind alarmierend", sagte Nauhauser am Donnerstag bei der Präsentation der Studie in Berlin. Dorothea Mohn, Finanzexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), warnte: "Wenn Verbraucher langfristig ihr Vermögen ineffizient aufbauen, werden wir dafür die Rechnung in der Zukunft erhalten."

In einem weiteren Fall wollte ein 29-Jähriger, der knapp 2000 Euro verdient, für den Umbau einer Immobilie in sieben Jahren sparen. Bei der Überprüfung seiner Finanzen stellten die Verbraucherschützer fest: Das Tagesgeldkonto, auf dem er einen Teil seiner Ersparnisse geparkt hatte, war zu unrentabel, es gab bessere Angebote am Markt. Die beiden fondsgebundenen Rentenversicherungen, die ihm sein Finanzberater angedreht hatte, waren völlig ungeeignet, dazu unflexibel und zu teuer. Nauhauser schätzt die Abschlusskosten allein für diese Produkte auf 9000 Euro.

Den Hauptgrund dafür, dass viele Menschen ihr Geld falsch anlegten, sehen die Verbraucherschützer in schlechter Beratung. "Finanzberater sind heute in Wirklichkeit keine Berater, sondern schlicht Verkäufer", sagte Mohn - mit Blick auf die weitverbreitete Praxis, dass Banken oder freie Vermittler für jedes Produkt, das sie verkaufen, vom Entwickler des Produkts eine Provision erhalten. Verbraucherschützer kritisieren schon seit Langem, dass deshalb häufig Anlegern nicht das Produkt angeboten werde, das für sie am besten geeignet sei, sondern das, für das sie die höchste Provision kassieren.

Das Provisionsverbot gilt nur für bestimmte Produkte

Schwarz-Gelb hatte deshalb in der letzten Legislatur das Berufsbild des Honorarberaters geregelt, der ausschließlich vom Kunden bezahlt wird, und zwar allein für die Beratung. Provisionen darf er nicht annehmen. Doch gilt das Provisionsverbot nur für bestimmte Produkte, etwa für Wertpapiere, Zertifikate und Staatsanleihen oder für Investmentfonds, Unternehmensbeteiligungen sowie geschlossenen Fonds. Eben das kritisieren Verbraucherschützer. Denn es bedeutet, dass der Kunde sich schon vor einer Beratung entscheiden muss, welches Produkt für ihn in Betracht kommt.

Stellt sich heraus, dass es eine Versicherung oder ein Bausparvertrag ist, muss er unter Umständen zweimal bezahlen: erst für die Honorarberatung und anschließend noch mal für die Abschlussprovision. Die künftige Bundesregierung müsse daher dafür sorgen, dass Beratung und Verkauf strikt getrennt werden, forderte Mohn. Die Studie fand im Rahmen der Initiative Finanzmarktwächter statt. Ziel ist, anhand der bei Verbraucherschützern eingehenden Fragen und Beschwerden der Bürger ein Frühwarnsystem für Missstände am Finanzmarkt zu entwickeln.

© SZ vom 13.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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