Ausbildungsumfrage der DIHK:Fast jeder zweite Betrieb findet nicht genug Azubis

Lesezeit: 2 min

30 000 Ausbildungsbetriebe haben gar keine Bewerbungen erhalten. Das Bild zeigt einen Azubi in einem Lager für Kühlschläuche in der Automobilbranche. (Foto: Christian Charisius/picture alliance/dpa)

Nur die Hälfte der Unternehmen konnte laut einer DIHK-Umfrage im vergangenen Jahr alle Ausbildungsplätze besetzen. Vor allem kleinere Betriebe erhielten oft keine einzige Bewerbung.

Von Jens Többen

Auf dem Fensterbrett des Büros steht ein Sternzerstörer, das große Raumschiff aus Star Wars. Ein Spielautomat schmückt die kahle Wand, die Schreibtische und Stühle sehen eher nach Cafeteria als nach hartem Arbeitsleben aus. Zu sehen ist das in einem der Videoclips auf dem Tiktok-Kanal namens "Die Azubis". Sie zeigen den Alltag junger Auszubildender, geben Tipps für Bewerbungsgespräche oder spielen mit Stereotypen wie dem nerdigen IT-Büro. Ziel des Kanals: Mehr junge Leute für eine Ausbildung zu begeistern. Denn das ist dringend nötig.

Aktuell fehlen so viele Azubis wie noch nie. Das bestätigt eine aktuelle Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), an der 14 278 Unternehmen teilnahmen. Das Ergebnis: Fast jeder zweite Betrieb konnte 2022 nicht alle Ausbildungsplätze besetzen.

(Foto: SZ-Grafik: Mainka; Quelle: DIHK)

Damit erreicht die Quote der vollbesetzten Betriebe ein Allzeittief. "Insgesamt betrachtet sind es eher die größeren Betriebe, die ihre Plätze nicht vollständig besetzen können", erklärt Ulrike Friedrich, DIHK-Referatsleiterin für Ausbildungsanalysen. Mehr als jeder dritte Betrieb, in dem Stellen offen blieben, hat nicht eine einzige Bewerbung erhalten. Hochgerechnet sind das deutschlandweit 30 000 Firmen - laut Friedrich oft kleinere Firmen.

Die Pandemie verstärkte einen Trend, der sich schon vorher abzeichnete. Durch die Corona-Einschränkungen wurde vor allem Praktikanten der Zugang in den Beruf erschwert, weil sie nicht in die Betriebe schnuppern konnten. Die Unternehmen setzen daher jetzt besonders darauf, die Zahl der Schülerbetriebspraktika zu erhöhen; mehr als 60 Prozent haben sich das laut DIHK-Umfrage vorgenommen.

Aber auch Betriebe, die Home-Office ermöglichen, bekommen weniger Bewerbungen. Zumindest relativ, denn durch den steigenden Bedarf an Fachkräften seitens der Unternehmen erhöhen viele Unternehmen in der IT- und Handelsbranche ihr Kontingent an Plätzen. So kann die IT-Branche zwar prozentual weniger Stellen füllen, aber gleichzeitig auch zehn Prozent mehr Ausbildungsverträge vorweisen.

Schon seit 2008 gibt es mehr Ausbildungsplätze als potenzielle Bewerber

Dass das Angebot an Ausbildungsplätzen die Nachfrage übersteigt, ist nicht nur ein Erbe der Pandemie. Schon seit 2008 gab es einem Bericht des Bundesinstituts für Berufsbildung zufolge mehr Plätze als potenzielle Bewerber. Auch der demografische Wandel spielt eine wichtige Rolle. Während immer mehr Menschen den Arbeitsmarkt verlassen, sinkt die Zahl der Absolventen allgemeinbildender Schulen jährlich. Dieser Trend wird sich nach Berechnungen der Kultusministerkonferenz bis 2026 fortsetzen.

Dennoch erhält längst nicht jeder, der sich bewirbt, eine Ausbildungsstelle. Die Regionen sind unterschiedlich gut mit Stellen versorgt. Der Bundestag hat aus diesem Grund im Juni die Ausbildungsgarantie verabschiedet. Wer in einer unterversorgten Region lebt, sich erfolglos beworben hat und auch von der Agentur für Arbeit nicht vermittelt werden konnte, soll künftig Anspruch auf einen Ausbildungsplatz erhalten. Diese Ausbildung soll dann auch außerbetrieblich stattfinden können.

Die DIHK sieht diese Ausbildungsgarantie kritisch. Ein großer Teil der befragten IHK-Unternehmer befürchtet laut der Umfrage, dass die außerbetrieblich Qualifizierten nicht dem Bedarf in der Praxis entsprechen. Stattdessen spricht sich die DIHK für eine sogenannte Chancengarantie aus, bei der jedem unvermittelten Jugendlichen drei Angebote für betriebliche Ausbildungsplätze gemacht werden.

Kurze Tiktok-Clips sind nicht die einzige Maßnahme, mit der Betriebe mehr junge Menschen anzusprechen versuchen. 62 Prozent der Unternehmen geben an, flache Hierarchien im Betrieb etabliert zu haben, um sich für Azubis attraktiver zu machen. Auch moderne IT-Technik haben sich die Hälfte der Unternehmen nach eigener Angabe zugelegt. Damit liegt die Maßnahme noch vor finanziellen Anreizen, die etwas mehr als 40 Prozent von ihnen potenziellen Azubis bieten.

Ob all das den Trend umkehren kann, ist ungewiss. Einen "Silberstreif am Horizont" nennt der stellvertretende DIHK-Geschäftsführer Achim Dercks den Fakt, dass sich die Zahl der Ausbildungsverträge in diesem Jahr um 3,7 Prozent erhöht habe. Im IHK-Bereich waren das Ende Juli knapp 207 000. Dercks warnt aber, das sei "noch lange keine Entspannung".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAltersvorsorge
:Das ist die neue digitale Rentenübersicht

Wie steht es um die eigene Altersvorsorge? Das können Versicherte jetzt auf einen Blick prüfen. Was es mit dem neuen Internetportal auf sich hat und wie man es für sich nutzt.

Von Thomas Öchsner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: