Ukraine-Krieg:Sanktionen könnten Russland die Pleite bringen

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Kann der Kreml seine Schulden bedienen? Theoretisch ja, praktisch aber eher nein. (Foto: Jens Kalaene/picture alliance/dpa)

Russland droht der Zahlungsausfall, obwohl das Land seine Verbindlichkeiten bedienen will und kann. Woran das liegt.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es wäre eine ungewöhnliche Pleite: Russland könnte Ende des Monats in die Zahlungsunfähigkeit schlittern, obwohl das sanktionierte Land genügend Reserven hätte, seine Euro- und Dollar-Schulden zu bezahlen. Bislang gingen die Zins- und Tilgungszahlungen immer durch - eine zeitlich befristete Ausnahme des US-Finanzministeriums machte es möglich. Bis zum 25. Mai um Mitternacht war es den amerikanischen Banken erlaubt, entsprechende Zahlungen der russischen Zentralbank durchzuleiten - aber nur zur Bedienung der russischen Staatsschulden. Doch die zuständige Behörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) hat diese Frist nun auslaufen lassen. Das bedeutet: Das Geld Russlands erreicht die Anleihegläubiger nicht mehr.

Die internationale Gemeinschaft hat klare Regeln aufgestellt, wann ein Staat zahlungsunfähig ist. Grundsätzlich werden dem säumigen Schuldner 30 Tage Frist eingeräumt, das Geld nachzureichen. Diese Frist läuft nun für eine russische Anleihe, deren fällige Zinsen die russische Zentralbank am 27. Mai angewiesen hat. Wenn US-Banken das Geld nicht durchleiten, gehen die Anleihegläubiger leer aus. Bleibt es dabei, ist Russland nach Ende der 30-Tages-Frist Ende Juni zahlungsunfähig. Eigentlich. Doch es ist gut möglich, dass hier das letzte Wort nicht gesprochen ist. Russland, davon gehen US-Fachleute aus, werde die "Pleite" nicht einfach hinnehmen und dagegen vor ein US-Gericht ziehen. Ein Land, das zahlungsunfähig ist, gilt als nicht kreditwürdig. Das Argument: Man habe das fällige Geld ja angewiesen - wenn es vom US-Bankensystem nicht durchgeleitet werde, so sei das nicht Russlands Fehler. Ein solcher Prozess könne sehr lange dauern und die Entscheidung, ob Russland zahlungsunfähig ist oder nicht, lange hinauszögern.

Laut Prospekt könnten Anleihegläubiger, die zusammen 25 Prozent der ausstehenden Bonds halten, selbst den Zahlungsausfall feststellen. Das ist auch noch bis zu drei Jahre nach dem Zahlungstermin möglich. "Ich gehe davon aus, dass die Anleihegläubiger im Laufe der Zeit zunächst einen Zahlungsausfall melden und dann rechtliche Schritte einleiten werden, um ihre Ansprüche festzustellen", sagte Dennis Hranitzky von der Anwaltskanzlei Quinn Emanuel der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Es wäre das erste Mal seit der Oktoberrevolution von 1917, dass das Land seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen würde. Damals hatten die Bolschewiki Schulden aus der Zarenzeit nicht anerkannt. Mit einer Schuldenquote von nur etwa 20 Prozent der Wirtschaftsleistung vor dem Krieg gilt Russland als einer der am wenigsten verschuldeten Staaten der Welt. Wegen seiner Rohstoffexporte hat das Land einen hohen Leistungsbilanzüberschuss. Die im Ausland gehaltenen Staatsschulden betragen sogar nur vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts - was angesichts der Devisenreserven Russlands fast irrelevant wäre. Dennoch droht dem Land wegen der Sanktionen die Pleite: Diese Maßnahmen des Westens machen es schwierig bis unmöglich, Dollar- oder Euro-Anleihen zu bedienen. Zwar hatte Russland nach der Krim-Invasion im Jahr 2014 auch Staatsanleihen ausgegeben, die es in Rubel begleichen darf, für die meisten Auslandsschulden gilt das allerdings nicht.

Die aktuell in Frage stehende Anleihe könnte Russland laut Wertpapierprospekt zwar auch in Rubel bedienen, allerdings müssten die Anleihegläubiger eigentlich 15 Werktage vor der Zahlung darüber informiert werden. Für andere bald fällige Bonds ist die Rubel-Zahlung nicht möglich.

Für betroffene Anleihegläubiger gibt es auch noch die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens. Der Schiedsspruch eines solchen Schlichtungsverfahrens könnte vollstreckbar sein. Eine weitere Option, die sich in anderen Zusammenhängen bewährt hat: Man einigt sich außergerichtlich. Dieser Weg scheint in diesem Fall angesichts der sich daraus ergebenden Reputationsrisiken kaum gangbar zu sein: Welcher Investor möchte sich mitten im Ukraine-Krieg mit dem Aggressor an einen Tisch setzen?

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