Überwachung im Netz:Diese Aktivisten zeigen, wie viel Geheimdienste über Internetnutzer wissen

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Nach den Snowden-Enthüllungen protestieren Demonstranten in Hannover gegen die Überwachung durch die NSA. (Foto: dpa)

Niederländische Hacker haben sensible Daten von Millionen Menschen gesammelt - alle standen frei verfügbar im Netz. Die NSA hat noch ganz andere Möglichkeiten.

Von Hakan Tanriverdi, Austin

Erik, Robin, Frank-Jan, Marco und Beau. Ellen Bijsterbosch zeigt dem Publikum fünf Vornamen, sie werden auf eine Leinwand projiziert. Die Nachnamen sind ausgeblendet, das Geburtsjahr ist zu lesen. "Sucht einen aus", sagt sie, "alle fünf haben Geburtstag." Keine der Personen weiß, dass Bijsterbosch ihre Nummer hat.

Das Publikum entscheidet sich für Frank-Jan. Bijsterbosch nimmt ihr Smartphone in die Hand, stellt den Lautsprecher auf laut und ruft den Mann an, der nicht weiß, dass er hier auf dem Tech-Festival SXSW in Austin im Zentrum eines Experiments über die Macht der Datensammler steht.

Bijsterbosch ist Teil von Setup, einem Kollektiv niederländischer Digital-Aktivisten. "Wir machen lustige Dinge mit Computern", beschreibt sich die Gruppe. Sie setzt auf Aktionen, die wie ein guter Stunt im Film wirken, den maximalen Effekt erzeugen sollen.

Ein Geheimdienst zum Selbermachen

Der Anruf bei Frank-Jan ist Teil ihres aktuellen Projekts, das Bijsterbosch gemeinsam mit ihrem Kollegen Tijmen Schep in Austin präsentiert. Sie wollen eine "nationale Geburtstagsdatenbank" aufbauen. In den Niederlanden leben mehr als 17 Millionen Menschen. Über alle will Setup persönliche Informationen herausfinden und zeigen, wie leicht es ist, anhand von Daten aus dem Netz Profile von Millionen Menschen zu erstellen.

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Deshalb haben Bijsterbosch und Co. eine " Do-it-yourself-NSA" aufgebaut. Einen Geheimdienst zum Selbermachen. An sechs Wochenenden haben 35 Personen so viele Daten wie möglich gesammelt. Teilgenommen haben größtenteils Hacker; eine Person habe aber auch einfach nur "richtig gut googeln" können, sagt Bijsterbosch.

Das Internet vergisst nicht

Die Daten fanden die Aktivisten in Telefonbüchern, Facebook-Accounts und auf Webseiten, die zwar seit 20 Jahren offline, aber über das Internet-Archiv archive.org noch zugänglich sind. "Ihr dachtet, das alles wäre längst verschwunden, aber es ist immer noch da", sagte Bijsterbosch. Durch so genanntes Webseiten-Scraping konnten sie Daten auslesen.

Es ist Setup gelungen, Adressdaten herauszufinden und mit der Einkommensverteilung in der Gegend zu kombinieren. Das Internet sei ein "All-you-can-eat-Buffet", erklärt Bijsterbosch. Ihr Kollege Schep ergänzt, dass man zwar mittlerweile wisse, dass Daten das neue Öl seien, doch intransparent bleibe, wie dieses Öl verwendet würde.

793 251 Niederländer sind im National Birthday Calendar bislang eindeutig identifiziert. Etwa acht Millionen Datensätze sollen noch verifiziert werden. Setup will mit dem Kalender auf Tour gehen und ihn auf Festivals und in Bibliotheken ausstellen und Vorträge halten. Besucher sollen ihre Daten prüfen, korrigieren oder löschen können.

Hacken kann eine Straftat sein, daher mussten die Aktivisten nach Rücksprache mit der Datenschutzbehörde ein paar Regeln befolgen: Die Daten müssen frei verfügbar sein und dürfen keine intimen Informationen enthalten. In einem Fall war aus ihnen ersichtlich, dass eine Person ihren Job verloren hatte, nachdem bei ihr Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden war.

Das wurde ebenso gelöscht wie Informationen, die auf die sexuellen Vorlieben der Erfassten schließen ließen. Als weitere Sicherheitsmaßnahme muss Setup die Daten auf einem verschlüsselten Server speichern; die Datenbank darf nicht online stehen.

Dass die Aktion mit der NSA in Verbindung gebracht wird, ist eher Effekthascherei. Das Budget der Geheimdienste beträgt mehrere Milliarden Dollar, die Mitarbeiter arbeiten nicht nur am Wochenende und beschränken sich vor allem nicht auf frei verfügbare Daten. Wie man mittlerweile weiß, holen sie sich auch private Informationen per Anordnung von Geheimgerichten oder auf andere intransparente Weise. Umso eindrücklicher ist die Botschaft: Wenn es schon einem Haufen Freiwilliger gelingen kann, derart einfach an so viele Daten zu kommen, stehen Menschen Geheimdiensten schutzlos gegenüber.

Das Publikum singt einem Fremden Happy Birthday

Frank-Jan nimmt den Anruf von Ellen Bijsterbosch an. Das Publikum beginnt, Happy Birthday zu singen. In den Niederlanden ist es zehn Uhr nachts. Frank-Jan klingt verwirrt. Bijsterbosch sagt ihm, dass sie sich später bei ihm melden werde, um ihn aufzuklären. Das Publikum johlt.

"Er dachte, dass seine Freunde ihm einen Streich spielen", schreibt Bijsterbosch nach dem Vortrag in einer E-Mail. Sie hätten ihm erklärt, was es mit dem Anruf auf sich habe: "Er hat gesagt, er findet das Projekt sympathisch, aber auch ein bisschen verrückt." Frank-Jan hätte nicht gedacht, dass ihn persönliche Informationen noch einmal heimsuchen würden, die er vor Jahren online gestellt hatte.

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