Südhessen:Einkauf mit Drohne und Rad: „Kiste Bier passt nicht“

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Eine Drohne startet von einer grünen Wiese und rast davon. An Bord eine Bestellung aus dem Supermarkt. Ein Projekt im Odenwald will nicht mehr so mobilen Menschen in Dörfern beim Einkauf helfen.

Von Oliver Pietschmann, Christine Schultze (Wort) und Uwe Anspach (Foto), dpa

Michelstadt (dpa/lhe) - Klopapier, Wurst und Käse fliegen durch die Luft direkt vor die Haustür - so die Vision. In ländlichen Gebieten sollen künftig kommerzielle Drohnen Supermarkteinkäufe zu den Kunden bringen. Die Frankfurt University of Applied Sciences, der Drohnenhersteller und -betreiber Wingcopter, der Telekommunikationskonzern Vodafone und weitere Beteiligte haben am Donnerstag in Michelstadt im Odenwald ein Pilotprojekt für den Einsatz der unbemannten Fluggeräte vorgestellt. Es heißt „Drohnen-Lastenrad-Express-Belieferung“, kurz „DrolEx“, und soll in Zukunft schnell und emissionsfrei Waren zum Endverbraucher bringen.

In einer Gegend, in der es in kleinen Dörfern teils nicht mal einen Laden für das Nötigste gibt, soll ein solches Angebot die Nahversorgung verbessern. Bei dem vom Bundesverkehrsministerium mit 430 000 Euro unterstützten Projekt soll der Warentransport per E-Lastenrad dabei mit dem Drohnentransport kombiniert werden.

Die Drohne des neuen Projekts steht mitten im Odenwald auf einer grünen Wiese. Sie steigt senkrecht auf und saust dann mit der Last davon. Sie werden auf festgelegten Strecken per Mobilfunk über Monitore aus einem Kontrollzentrum überwacht. Auf den vorprogrammierten Flugstrecken ist der Mobilfunk sichergestellt, sagte Tanja Marek vom Anbieter Vodafone. Die mobile Versorgung sei im Odenwald gut, solle mit Förderung von Land und Bund aber weiter ausgebaut werden.

Man fahre die im Internet bestellten Waren mit einem Lastenrad an den Stadtrand, fliege sie dann an den Rand eines Ortsteils und fahre sie mit einem weiteren Lastenrad zum Endverbraucher, sagte Wingcopter-Geschäftsführer Tom Plümmer. Die Drohne könne maximal 4,5 Kilogramm Last tragen. „Langfristig macht es Sinn, bis vor die Tür zu fliegen.“ Dafür müssten aber noch rechtliche Fragen geklärt werden. Das Pilotprojekt mit drei Stadtteilen von Michelstadt soll noch bis 20. Dezember laufen, dann sollen die Daten ausgewertet werden. Die Verantwortlichen haben für vier festgeplante Strecken eine Fluggenehmigung für 25 Monate.

Nach Angaben des Luftfahrtbundesamtes und der Deutschen Flugsicherung ist das Fliegen mit Drohnen an rechtliche Regelungen gebunden. So muss ein Flug beantragt werden und der Betreiber braucht ab einem gewissen Gewicht eine Genehmigung für das Fliegen. Auch sind Drohnenflüge zum Beispiel in der Nähe von Flughäfen oder kritischer Infrastruktur nicht erlaubt. Die Flüge müssen beantragt werden.

„Wir legen alles darauf an, 2024 weiterzumachen, sagte der Projektleiter der University of Applied Sciences, Benjamin Federmann. Derzeit gelte das Angebot mit einem Rewe-Markt, man hoffe aber, dass weitere Läden hinzukommen. Wie das Angebot angenommen wird, wird Wingcopter zufolge die Auswertung zeigen. In der Pilotphase ist der Service kostenlos.

Man habe den Nachweis erbracht, dass man die Drohnen in Deutschland auch ohne Sicht fliegen kann, sagte Uni-Präsident Kai-Oliver Schocke. „Wir können im ländlichen Raum Menschen versorgen, die nicht mehr so mobil sind.“ Aus zulassungstechnischen Gründen sei es noch nicht möglich, direkt vom Parkplatz des Supermarktes zu starten. Und: „Eine Kiste Bier geht nicht rein.“

Der Handelsverband Hessen reagierte zurückhaltend. Zwar begrüße man technische Innovationen grundsätzlich, doch sei schon jetzt eine Reihe anderer Lösungen im Gespräch oder bereits in der Umsetzung, die für die Nahversorgung im ländlichen Raum zunächst geeigneter erschienen, sagte Marcel Rösel, Projektleiter handel.digital bei dem Verband. „Weitaus realistischer erscheinen smarte und möglichst effiziente Logistiklösungen, die bestehende Strukturen zukunftsfähig machen.“ Dazu zähle etwa, dass Taxis auf ihren Fahrten auch Lebensmittelauslieferungen übernähmen. Eine weitere Lösung könne sein, dass Lastwagen an verschiedenen Punkten in ländlichen Regionen kleine Paketstationen absetzen, von denen Kundinnen und Kunden ihre Einkäufe abholen. Auch personallose Supermärkte entwickelten sich zu einem zunehmend gefragten Modell.

Es könne nicht in erster Linie darum gehen, Produkte jeglicher Art noch am selben Tag auszuliefern, sagte Rösel. Vielmehr müsse auch Ziel sein, CO2-Emissionen und Verpackungsmüll herunterzufahren, Leerfahrten zu vermeiden und den Kunden transparent zu machen, wo auf dem Weg sich ihre Einkäufe jeweils aktuell befinden und wann sie mit der Lieferung rechnen können, so der Experte. Andere Branchenexperten verweisen zudem auf eine mögliche Verteuerung der Produkte.

© dpa-infocom, dpa:231005-99-450388/3

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