Transparenz von Provisionen für Bankberater:Wie Schmiergeld

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Stefan Dimitrov/SZ (Foto: N/A)

Banken haben beim Wertpapierverkauf an Kunden jahrzehntelang hintenrum abkassiert. Nun hat der Bundesgerichtshof diese Praxis beendet: Alle Provisionen müssen auf den Tisch.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es war im Jahr 1904. Damals wurde erstmals in Deutschland höchstrichterlich über die Grundsätze einer guten Bankberatung entschieden. Der Tenor der damaligen Geschichte klingt frappierend vertraut. Ein Kunde ärgert sich maßlos über seinen Bankberater, dem er so vertraut hat. Denn dieser verschwieg ihm vorsätzlich, dass die Bank durch den Verkauf eines Wertpapiers an ihn hintenrum zusätzlich mitverdient hatte.

Der Fall ging vor das Reichsgericht in Leipzig, damals das oberste Gericht, und das Urteil fiel eindeutig aus: Das Verhalten des Bankmitarbeiters widerspreche dem Grundsatz von Treue und Glauben. Der Bankier dürfe nicht verschweigen, dass er auch von anderer Seite Geld für den Vertrieb von Wertpapieren beziehe.

Wer nun glaubte, die Institute würden sich fortan an diese klare Anweisung halten, der sah sich getäuscht. Bis zum heutigen Tag versuchen Banken zu verschleiern, dass sie für den Verkauf von Produkten mitunter sehr hohe Provisionen kassieren. Der Kunde weiß daher nie, ob sich der Bankberater bei seinen Empfehlungen nicht auch vom Umsatzinteresse des Kreditinstituts leiten lässt.

Transparenz bei Provisionseinkünften

Erst jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Praxis endgültig beendet. "Eine beratende Bank hat Kunden aufgrund von Anlageberatungsverträgen ab dem 1. August 2014 über den Empfang versteckter Innenprovisionen von Seiten Dritter unabhängig von deren Höhe aufzuklären" (Az.: XI ZR 147/12), heißt es in dem aktuellen Urteil.

Der 110 Jahre dauernde erbitterte Kampf zwischen Kunde und Bank scheint entschieden zu sein.

"Das Urteil ist historisch, weil es festlegt, dass ab 1. August alle Innenprovisionen offengelegt werden müssen und zwar von Banken ebenso wie von den freien Vermittlern", sagt der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp, der 2006 ein wichtiges Grundsatzurteil des BGH zur Rechtmäßigkeit von Provisionen erstritten hat. Der Experte sagt: "Dem Kunden müssen künftig alle Zuwendungen mitgeteilt werden. Das betrifft auch die Margen bei Zertifikaten. Der BGH hat den Sack zugemacht."

Banken, Sparkassen, Volksbanken und freie Finanzvermittler in Deutschland haben über Jahrzehnte hinweg die Kunden über ihre Provisionseinkünfte im Dunkeln gelassen. Verbraucherschützer haben den Missstand schon lange moniert, doch der Gesetzgeber begann erst 2007, die Transparenzregeln zu verschärfen.

Innenprovision, Rückvergütung - beides kassiert der Anlageberater

Es gibt viele Arten von Provisionen. Entweder werden sie dem Kunden als Ausgabeaufschlag direkt in Rechnung gestellt. Oder aber ein Teil der jährlichen Verwaltungsgebühr, die Kunden an Investmentfondsgesellschaften entrichten, wird hinter dem Rücken des Anlegers zurück an die beratende Bank geschleust. In diesen Fällen spricht man von offenen Vertriebsprovisionen oder Rückvergütungen.

Nach Ansicht des BGH waren Banken schon ab Ende der 1980er-Jahre bei der Kundenberatung dazu verpflichtet, über Provisionszahlungen in Form von Ausgabeaufschlägen und Teilen der Verwaltungsgebühr ungefragt aufzuklären. Die Banken haben sich aber nicht daran gehalten.

Der BGH hat die Causa in den vergangenen Jahren selbst verkompliziert, weil die Richter in der Rechtsprechung zwischen Rückvergütungen und Innenprovisionen unterschieden haben. Wenn ein Anleger beispielsweise 50 000 Euro in einen geschlossenen Fonds investierte, ist es durchaus üblich, dass nur 45 000 Euro in das Projekt investiert werden. Der Differenzbetrag fließt in die Tasche des Bankberaters. Diese Innenprovision wird also - anders als beim Ausgabeaufschlag oder der Verwaltungsgebühr - aus dem Anlagebetrag abgezweigt. Der Kunde bekam davon wenig mit.

Bislang gingen Gerichte davon aus, dass Innenprovisionen erst ab einer Höhe von 15 Prozent des Anlagebetrags offengelegt werden müssen. Der BGH hat im aktuellen Fall nun entschieden, künftig jedwede Provision offenzulegen. Dort ging es um den Kauf eines Grundstücks, den eine Bank im Auftrag des Kunden durchführte und dabei unbemerkt eine Provision in Millionenhöhe kassierte.

"Ob Innenprovision oder Rückvergütung: Beides wird mit dem Geld des Anlegers bezahlt. Beides kassiert der Anlageberater. Also beeinflusst ihn beides, seinen Kunden zum Vertragsabschluss zu bewegen", sagt Marc Gericke, Kapitalrechtsanwalt bei der Siegburger Kanzlei Göddecke.

Die Geschichte der Provisionen ist auch eine der Wortschöpfungen: Rückvergütung, Retrozession, Zuwendung und Kickback sind geläufige Begriffe für den Umstand, dass der Verkauf eines Produkts finanziell honoriert wird. In Großbritannien sind Provisionszahlungen in der Bankberatung mittlerweile verboten.

"Die Etymologie des Wortes Kickback bezeichnet auf Englisch ,illegal or improper payment'", sagt Rolf Sethe, Professor am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich. Das bedeutet Schmiergeld. Jürgen Ellenberger, der als Richter am BGH das aktuelle Urteil mitgefällt hat, bezeichnete "Kickbacks" in einer Veranstaltung einmal als "Abrede mit schmiergeldähnlichem Charakter".

Die Banken in Deutschland haben stets argumentiert, dass Verkaufsprovisionen schon immer üblich gewesen seien. Wie sonst sollten die Kreditinstitute ihre kostenlose Finanzberatung finanzieren? Der Kunde wisse das auch, ohne dass man es ihm ausdrücklich mitteilen müsse.

Der BGH hat hingegen den Interessenkonflikt des Kreditinstituts herausgearbeitet: Der Kunde könne nicht wissen, ob die Bank dieses eine Produkt deshalb empfiehlt, weil die Provision so hoch ist oder weil es für den Kunden objektiv das beste ist. Bahnbrechend war da das BGH-Urteil vom 19. Dezember 2006 (XI ZR 56/05). Darin heißt es, der Kunde müsse wissen, dass die Bank an dem empfohlenen Produkt unmittelbar verdient. Zu einer fundierten Entscheidungsgrundlage gehöre nicht nur das Ob, sondern auch die Höhe der Rückvergütung, so die Richter. Im Jahr 2007 ist europaweit die Mifid-Richtlinie umgesetzt worden. Seither müssen alle Institute die Kunden über Rückvergütungen aufklären.

Provisionen sind auch ein politisches Thema

Mit Beginn der Finanzkrise ab 2008 merkten viele Sparer, dass Banken ihnen schlechte Investments verkauft hatten. Als dann noch bekannt wurde, dass die Institute dafür hintenrum noch Provisionen kassiert hatten, war das Thema in Deutschland auf der politischen Agenda. Die Gesetze wurden zuletzt immer mehr verschärft.

Das aktuelle BGH-Urteil ist auch in anderer Hinsicht interessant: Es wirkt so, als ob die Richter den Banken rückwirkend einen Freibrief ausstellen würden, auch wenn die Berater die Innenprovision verschwiegen haben: "Soweit diese Aufklärung im Rahmen von Anlageberatungsverträgen vor dem 1. August 2014 unterblieben ist, handelte die beratende Bank ohne Verschulden." Die Richter sprechen bezüglich der Innenprovisionen von einem "nicht vermeidbaren Rechtsirrtum" der Banken.

Also Schwamm drüber?

"Die Banken würden das gerne so sehen, aber ich halte das Urteil nicht für einen Freibrief für die Vergangenheit", sagt Rechtsanwalt Tilp und verweist darauf, dass die Richter schrieben, die beklagte Bank habe "jedenfalls hier" ohne Verschulden gehandelt, sprich in diesem konkreten Fall. Ein Freibrief für alle Fälle lasse sich daraus nicht ableiten.

© SZ vom 24.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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