Diese Freizeit, mit der viele Toyota-Mitarbeiter am Dienstag plötzlich dastanden, fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Denn normal war das nicht, dass Japans größter Autohersteller zunächst zwölf seiner Werke im Inselstaat schloss und am Abend auch in den beiden letzten tätigen in Fukuoka und Kyoto den Montagebetrieb einstellte. Es gebe ein Problem im Computersystem, nötige Autoteile könnten nicht mehr bestellt werden, teilte das Unternehmen mit und schickte seine Leute nach Hause. "Ich kenne die Ursache nicht, aber ich hoffe, dass der Betrieb bald wiederaufgenommen wird", sagte ein Angestellter, den der Sender NHK am Vormittag vor dem Motomachi-Werk in der Stadt Toyota, Präfektur Aichi, abfing. Und bald kursierte die Spekulation, ein neuer Cyberangriff habe Toyota vorläufig lahmgelegt.
Später teilte Japans Wirtschaftsminister Yasutoshi Nishimura mit, Toyota glaube "zum jetzigen Zeitpunkt nicht, dass das Problem durch einen Cyberangriff verursacht wurde". Aber das änderte nichts daran, dass die Nation durch den Vorgang wieder einen Eindruck davon bekam, wie anfällig selbst ein Gigant der japanischen Wirtschaft sein kann.
Toyota ist Japans größter Steuerzahler und Arbeitgeber
Toyotas Bedeutung ist so groß für Japan, dass für das Unternehmen praktisch eine ganze Stadt reserviert wurde, besagte Toyota City, die bis 1959 Koromo hieß. Toyota ist nicht nur Japans größter Steuerzahler und Arbeitgeber, sondern als größtes Automobilunternehmen der Welt auch der prominenteste Vertreter japanischer Wertarbeit. Wer der Exportnation schaden will, kann leicht auf die Idee kommen, Toyota anzugreifen. Das wiederum könnten Länder wie Russland und China wollen, weil der US-Partner Japan dem Trend zur Aufrüstung folgt. Und der Ärger ist noch gewachsen, seit Japans größtes Stromunternehmen Tepco vergangene Woche damit angefangen hat, behandeltes Kühlwasser aus dem kaputten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ins Meer zu leiten.
Japan sieht sich zunehmend bedroht von Sabotage aus dem Internet. Die nationale Polizeibehörde meldete für 2022 insgesamt 12 369 aufgedeckte Fälle von Cyberkriminalität - ein Rekord. Allein die Zahl der Angriffe mittels sogenannter Ransomware, also Erpressungsprogrammen, durch die Eindringlinge Computernutzer praktisch aus ihrem eigenen System aussperren, stieg im Vergleich zum Vorjahr um 58 Prozent. Den meisten Hackern geht es ums Geld, andere haben mehr im Sinn als nur schnöde Bereicherung. Im August meldete die Cybersicherheitsfirma NTT Security Japan, dass die internationale Hackergruppe Anonymous aus Protest gegen die Einleitung des aufbereiteten Kühlwassers aus Fukushima Daiichi Angriffe auf Gruppen gestartet habe, die mit Kernkraft zu tun haben. Und jüngste Cyberattacken auf Säulen der japanischen Wirtschaft sollten offensichtlich der ganzen Nation schaden.
"Dieser Vorfall macht deutlich, wie ernsthaft wichtige Infrastrukturen im digitalen Zeitalter gefährdet sind"
Schon Anfang März 2022 musste Toyota seine 14 Fabriken in Japan schließen. Grund war damals eine Cyberattacke auf den Zulieferer Kojima Industries. Die Produktion von etwa 13 000 Fahrzeugen war beeinträchtigt. Anfang Juli kam zwischenzeitlich der Betrieb am Hafen von Nagoya zum Erliegen, weil ein Ransomware-Angriff das Be- und Entladen von Containern verhinderte. Auch Toyota war betroffen. Nagoyas Hafen liegt ganz in der Nähe der Stadt Toyota, ist für die Firma ein wichtiger Umschlagplatz und der größte Hafen Japans. Experten deuteten das Geschehen in Nagoya als Mahnung. "Dieser Vorfall macht deutlich, wie ernsthaft wichtige Infrastrukturen im digitalen Zeitalter gefährdet sind", sagte etwa Craig Jones, Vizepräsident für Sicherheit beim amerikanischen Software-Entwickler Ontinue.
Das Thema ist sensibel. Wahrscheinlich wollte Toyota die Spekulationen um einen Cyberangriff deshalb nicht befeuern. Verunsicherung lag am Dienstag über dem Unternehmen wie eine Gewitterwolke. Wann es den Betrieb in seinen Fabriken wiederaufnimmt, war bis zum Abend noch nicht klar. Auf diese Art der Freizeit hätten die Toyota-Arbeiter sicher verzichten können.