Japan:Welcher Skandal?

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Der japanische Handelsminister Hiroshi Kajiyama. (Foto: Charly Triballeau/AFP)

Das japanische Wirtschaftsministerium und Toshiba sollen gemeinsam Aktionäre unter Druck gesetzt haben. Der zuständige Minister sieht kein Problem.

Von Thomas Hahn, Tokio

Hiroshi Kajiyama schien wirklich nicht zu wissen, worüber er sich aufregen sollte. Japans Wirtschaftsminister sollte am Dienstag in einer Pressekonferenz etwas zu dem sogenannten Toshiba-Skandal sagen. Ein unabhängiger Bericht hatte enthüllt, dass Beamte seines Ministeriums METI und Vertreter des Technologie-Konzerns Toshiba ausländische Anteilseigner mit Absprachen und Indiskretionen auf Linie bringen wollten. Solche Kungeleien passen schlecht zu einer Weltfirma der freien Marktwirtschaft und sind auch in Japan nicht rechtens. Aber Hiroshi Kajiyama sah kein Problem. Im Gegenteil. "Das Ministerium hat richtig gehandelt", sagte Kajiyama, es sei die Politik seines Hauses, "die stabile Entwicklung von wichtigen Geschäftsfeldern und Technologien, die Toshiba ausführt, zu pflegen".

Deutlicher hätte der Minister kaum bestätigen können, dass die rechtskonservative Politikelite in Japan immer noch der Meinung ist, dass Politik und Wirtschaft eine nationale Einheit seien, die sich vor äußeren Einflüssen schützen muss. Ob sie sich damit noch ganz auf der Höhe der japanischen Unternehmenswirklichkeit befindet, ist allerdings eine andere Frage. Der Toshiba-Skandal weist darauf hin, dass die alte Japan-Corporation nicht mehr unangefochten ist.

Toshiba ist traditionell eng verbunden mit Japans Regierung. Das liegt auch an den Geschäftsfeldern des Unternehmens: Toshiba baut Atomkraftwerke und Rüstungsequipment. Aber 2017 war Toshiba geschwächt von Bilanzskandalen und Minusgeschäften. Man brauchte schnell Geld. Aktive Investoren aus dem Ausland wurden zu einer wichtigen Finanzstütze. Die Folge: Der nicht-japanische Einfluss wuchs. Besagter unabhängiger Bericht, den Aktionäre in Auftrag gaben, zeichnet detailreich nach, wie japanische Führungskräfte und hohe Regierungsvertreter dagegen vorgehen wollten.

Manche halten schon den Bericht für eine Revolution

Gegner war demnach der größte Toshiba-Aktionär, der in Singapur ansässige Hedgefonds Effissimo Capital Management. Beamte des Ministeriums sollen Effissimo aufgefordert haben, einen Personalvorschlag für die Aktionärsversammlung im Sommer 2020 zurückzunehmen. Sie sollen auch Aktionäre gedrängt haben, gegen Effissimos Vorschlag zu stimmen. Ministerium und Firma sollen Informationen über Aktionäre augetauscht haben, um Druck auszuüben. Die Ermittler zitieren aus einer E-Mail zwischen Toshiba-Managern zum Thema Effissimo. Darin heißt es: "Wir werden das METI bitten, sie für eine Weile zu verprügeln." Sogar Premierminister Yoshihide Suga kommt in dem Bericht vor. Seinerzeit war er noch Kabinettschefsekretär. Er soll einen hohen Toshiba-Manager ermutigt haben, den Druck auf die Investoren zu erhöhen. Suga hat das mittlerweile dementiert.

Auch der Wirtschaftsminister Kajiyama sagt, in dem Bericht stimme einiges nicht. Aber bei Toshiba herrscht dicke Luft. Die vier unabhängigen, nicht-japanischen Verwaltungsräte Jerome Black, Paul Brough, Ayako Weissman und George Zage schrieben in einer Art Protestnote, der Bericht zeige, dass die Handlungen einiger Vorstandsmitglieder "unakzeptabel und direkt gegen die Interessen unserer Aktionäre" seien. Toshibas Vorstandsvorsitzender Osamu Nagayama gab einen "Mangel an rechtlicher Compliance und Corporate Governance" zu und entschuldigte sich. Vier Führungskräfte mussten gehen. Das Unternehmen gelobte, "die Transparenz des Managements noch weiter pflegen".

Skandale bilden. Unabhängige Beobachter sehen die jüngsten Vorgänge bei Toshiba als Zeichen eines Fortschritts. Japans steifer, staatlich gesteuerter Kapitalismus bekommt Gegenwind. "Vor fünf Jahren wäre das noch unmöglich gewesen, dass so ein objektiver Bericht so detailliert in die Öffentlichkeit kommt", sagt Nicholas Benes, Chef der Non-Profit-Organisation Board Director Training Institute of Japan. Nur in der japanischen Regierung scheint man keine Lehren ziehen zu wollen aus dem Gewitter. Wirtschaftsminister Hiroshi Kajiyama wirkt in dem Skandal jedenfalls wie ein gut gelaunter Anwalt des japanischen Klüngels.

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