Thyssen-Krupp und Steinbrück:Große Politik

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Neue Aufgabe für Peer Steinbrück: Thyssen-Krupp-Legende Berthold Beitz holt den früheren Finanzminister in den Aufsichtsrat des Stahlkonzerns.

H.-W. Bein und J. Käppner

Nachdem er in der Politik nicht mehr mitmischt, wird der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nun ein wichtiges Mandat in der Wirtschaft übernehmen: Der SPD-Politiker soll im Januar für die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung in den Aufsichtsrat der Thyssen-Krupp AG einziehen. Die Stiftung ist mit einem Anteil von über 25 Prozent größte Aktionärin des Stahl- und Industriekonzerns und hat sich per Satzung das Recht zugestehen lassen, drei Mandate im Kontrollgremium zu besetzen.

Peer Steinbrück soll in den Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp einziehen. (Foto: Foto: dpa)

Versicherung gegen feindliche Übernahme

In dem 1999 aus den Stahlriesen Thyssen und Krupp geschmiedeten Großkonzern spielt ein Mann eine Schlüsselrolle, der weit mehr ist als der Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrates: der 96-jährige Berthold Beitz, der Patriarch des Konzerns. Beitz, der im Krieg als Ölmanager hunderte verfolgter Juden gerettet hat, ist nicht nur eine moralische Autorität. Er ist auch Oberhaupt der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und mit seiner Sperrminorität der entscheidende Ankeraktionär. Ohne ihn fällt keine große Entscheidung im Konzern.

Gleichzeitig ist die Stiftung eine Versicherung gegen jede feindliche Übernahme, die Beitz niemals erlauben würde. Er, der noch jeden Morgen zur Arbeit in die Stiftung unweit der Villa Hügel fährt, dem früheren Familiensitz der Krupps in Essen, hat zuletzt immer wieder in die Debatte über die Rolle der Manager und ihrer sozialen Verantwortung eingegriffen. Er verachtet reines Shareholder-Value-Denken, und offen kritisiert er zu hohe Vorstandsbezüge. Vorstände, sagt er, "vergessen manchmal eines: Die Firma besteht nicht nur aus ihnen und den Eigentümern, sondern auch aus den Arbeitern." Beitz setzt, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise, auf die alte Sozialpartnerschaft.

Und er, der das Kruppsche Reich bereits seit 1953 regiert, hat nie gezögert, seine Macht in diesem Sinne zu gebrauchen. Zu Beginn des Jahres, als die Krise den Konzern erfasst hatte und der Konflikt zwischen Vorstand und Belegschaft eskalierte, setzte Beitz die "Essener Erklärung" durch. Diese befriedete beide Seiten und erzwang sozialverträgliche Sparmaßnahmen.

Mit Hilfe der Gewerkschaften und des IG-Metall-Vorsitzenden Otto Brenner, den er in den Aufsichtsrat geholt hatte, eroberte Beitz 1970 die Macht im Unternehmen von den Banken zurück und stieß den Großbanker Hermann-Josef Abs von der Spitze des Krupp-Aufsichtsrates. Ein wenig erinnert die Personalie Steinbrück daran: Auch mit dem Sozialdemokraten und Ex-Finanzminister verbindet Beitz ein gutes persönliches Verhältnis, und als Mitglied des Aufsichtsrates wird Steinbrück ein Schwergewicht sein.

"Gut gemacht, Beitz!"

Beitz sieht sich damit in der Tradition des letzten Alleinbesitzers Alfried Krupp, der bis zu seinem Tode 1967 seine soziale Verantwortung hochhielt. Manchmal, sagt Beitz, "überlege ich: Was hätte Alfried dazu gesagt?" Und bei der Personalie Steinbrück, da ist er sicher, hätte der Alte geantwortet: "Gut gemacht, Beitz!"

Die Vertreter der restlichen Aktionäre werden ihre Vertreter für den Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp auf der Hauptversammlung am 21. Januar neu bestimmen. Neben Peer Steinbrück werden für die Krupp-Stiftung Gerhard Cromme, der Vorsitzende des Thyssen-Krupp-Aufsichtsrats, und der Rechtsanwalt Kersten von Schenck in das Kontrollgremium einziehen. Anders als Steinbrück gehören Cromme und von Schenck bisher bereits sowohl dem Aufsichtsrat des Konzerns wie auch dem Kuratorium der Stiftung an. Die übrigen Kandidaten müssen sich noch der Wahl durch die Aktionäre stellen.

Das gilt erstmals auch für den früheren BDI-Chef Jürgen Thumann sowie den einstigen Henkel-Chef Ulrich Lehner, die bisher von der Stiftung in das Kontrollgremium entsandt worden sind. Thumann und Lehner, die nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auf der Aufsichtsratsitzung in der kommenden Woche als Kandidaten vorgeschlagen werden, sollen die Posten von Martin Kohlhausen und Heinz Kriwet übernehmen. Kohlhausen, 74, und Kriwet, 78, verlassen den Aufsichtsrat aus Altersgründen.

© SZ vom 21.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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