Börsengang der Telekom:10 000 Tage Volksaktie

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Bundespostminister Wolfgang Bötsch, Bundesfinanzminister Theo Waigel und Telekom-Chef Ron Sommer (v.l.n.r.) im Saal der Frankfurter Börse, beim Börsengang 1996. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Am 18. November 1996 passiert etwas, das es bis dato nicht gegeben hat. Die Deutschen interessieren sich plötzlich für die Börse - bis der Absturz kam.

Von Oliver Klasen

Der 18. November 1996, die Älteren erinnern sich vielleicht, war ein historischer Tag. Dagmar Berghoff verkündete das Ereignis in der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau: Die Telekom wurde zum ersten Mal an der Börse gehandelt. Die Fernsehbilder zeigen den damaligen Telekom-Chef Ron Sommer und den damaligen Finanzminister Theo Waigel (CSU), beide breit grinsend auf dem Frankfurter Parkett, auf dem sich, auch das ist Geschichte, damals der Handel vor allem abspielte.

Genau 10 000 Tage ist das an diesem Donnerstag her - eine halbe Ewigkeit an der Börse - aber da Aktienhändler und jene, die über die Börse berichten, sich gerne an, wie es immer heißt, psychologisch wichtigen Marken orientieren, ist es Zeit für eine Bilanz.

Eine Aktie kostete im Ausgabepreis an jenem historischen Tag vor fast 28 Jahren 28,50 DM, umgerechnet 14,57 Euro also. Am ersten Börsentag, der lief für die Telekom sehr gut, was das breite Grinsen von Sommer und Waigel erklärt, ging es sogleich auf knapp 33 DM nach oben.

Die Telekom-Aktie schaffte etwas, was es bis dato nicht gegeben hatte. Die Deutschen, ein Volk von sparbuchbesitzenden, Bausparverträge abschließenden Kleinanlegern, die nur sehr ungern Risiken eingingen, interessierten sich plötzlich dafür, was da an der Börse los war. Prominenter Werbepate war der inzwischen verstorbene Manfred Krug. "Wenn die Telekom jetzt an die Börse geht, geh' ich mit. Und Sie?", fragte der Schauspieler in einem Spot - und viele hörten auf ihn. Immerhin 1,9 Millionen Deutsche hatten zum Börsenstart Telekom-Aktien gekauft, etwa drei Millionen Aktienbesitzer wurden es später. Für viele war es der erste Wertpapierkauf ihres Lebens.

Die Telekom, das war ein Unternehmen, dass es 1996 erst seit einem Jahr gab. Es ging aus der Privatisierung der Deutschen Bundespost hervor und umfasste das Geschäft für Festnetz- und die damals noch neue Mobiltelefonie.

In der ersten Zeit ging es für die Telekom-Aktie stetig bergauf. 1999 folgte die zweite, 2000 die dritte Tranche des Börsengangs. Im März 2000 erreichte das Papier sein Allzeithoch von 103,50 Euro. Anlegerinnen und Anleger, die am Anfang eingestiegen waren, hatten das Siebenfache ihres Einsatzes erlöst. Theoretisch. Denn jene Phase war dadurch geprägt, dass die meisten Laien nicht wahrhaben wollten, dass jeder Hype einmal zu Ende geht, dass nach den Bullen irgendwann auch wieder die Bären übernehmen, wie es an der Börse heißt.

Der Crash kam, und er kam mit Macht. Die Dotcom-Blase platzte und die Kurse sämtlicher Unternehmen, vor allem jener, die mit der Internetwirtschaft verbunden waren, rutschten brutal in die Tiefe. Weitere Krisen folgten, erst 2013 schaffte die Telekom-Aktie wieder den Sprung über die Zehn-Euro-Marke.

Dass die Telekom-Aktie so abstürzte, sehen Experten bis heute als Grund dafür an, dass die Deutschen noch immer kein Volk von Aktieninvestoren geworden sind. "Viele Telekom-Anleger sind gebrannte Kinder", sagt Frederik Beckendorff von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Manfred Krug bereute seine Werbung für den Börsengang später und entschuldigte sich bei Millionen Kleinanlegern. Doch inzwischen gibt es eine späte Renaissance. Denn derzeit steht die Telekom-Aktie bei etwa 22 Euro und damit so gut bewertet wie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr. Aus dem Risiko-Investment ist eine Anlage für konservative Gemüter geworden, eine richtige deutsche Volksaktie also.

(Mit Material der Nachrichtenagentur KNA)

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