Bahn:Stuttgart 21: Höhere Kosten und Sorge vor „Holperstart“

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Blick auf die Baustelle des Dachs des neuen Bahnhofs im Rahmen des milliardenschweren Bahnprojekts Stuttgart 21. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Spötter wussten es ohnehin schon lange, jetzt zeichnet es sich immer konkreter ab: Das milliardenschwere Bahnprojekt Stuttgart 21 wird wohl nochmals teuerer. Sorge bereitet den Beteiligten aber auch der Zeitplan zur Inbetriebnahme.

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Stuttgart (dpa/lsw) - Wird bald die 10-Milliarden-Marke gerissen? Die Projektpartner von Stuttgart 21 gehen davon aus, dass das Bahnprojekt erneut teurer wird. „Die Indizien, dass wir den Kostenrahmen nicht halten werden können, haben sich soweit verdichtet, dass wir jetzt intern dringend darüber diskutieren müssen“, sagte der Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn, Berthold Huber, am Freitag in Stuttgart nach einer Sitzung des Lenkungskreises. Es seien erhebliche Kostensteigerungen in allen Gewerken zu verzeichnen, so Huber. Mit der Kostenentwicklung des Projektes soll sich der Aufsichtsrat der Bahn am 18. Dezember befassen.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann sagte, bei einzelnen Ausschreibungen habe es Kostensteigerungen von 100 bis 200 Prozent gegeben. „Wir reißen die bisherigen Pläne auf jeden Fall“, sagte der Grünen-Politiker. Konkrete Zahlen zur Kostenentwicklung des Bahnprojektes nannten die Projektpartner nicht.

Derzeit plant die Bahn mit Gesamtkosten von 9,15 Milliarden Euro für das Projekt, zuzüglich eines Puffers in Höhe von 640 Millionen Euro. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kostensteigerungen gegeben. Vor Gericht streiten sich die Projektpartner derzeit zudem, wer die Mehrkosten von S 21 bezahlen muss. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt.

Das Projekt Stuttgart 21 steht für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart, nicht nur für den Umbau des Hauptbahnhofs der Landeshauptstadt. Gebaut werden neue Bahnhöfe, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken. Stuttgart 21 soll dazu beitragen, die Reisezeiten im Fern- und im Regionalverkehr erheblich zu verkürzen. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schließt neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits eröffneten Strecke Wendlingen-Ulm ein.

Der neue Bahnknoten soll im Dezember 2025 in Betrieb gehen. Daran halte die Bahn weiter fest, sagte Huber am Freitag. Es gebe aber „ein paar Herausforderungen“. Am meisten Sorgen bereitet den Projektpartnern die Digitalisierung des Bahnknotens. „Das ist der Punkt, der uns am meisten beschäftigen sollte“, sagte Huber. Probleme bereitet der Lieferant der Technik, der gerade von einem anderen Unternehmen übernommen wird. Bestimmte Meilensteine seien nicht erreicht worden, sagte Huber. Die Bahn habe deswegen 60 eigene Mitarbeiter zusätzlich in das Projekt integriert, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen.

Aus Sicht von Hermann wird es nun eng mit der Inbetriebnahme. Es sei „eine Herausforderung, den Zeitplan bis Dezember 2025 einzuhalten“, sagte Hermann. „Stand heute sieht es so aus, dass es zwar eng wird, aber noch möglich ist.“ Aus Sicht des Ministers braucht es eine ausreichend lange Zeit für einen Probebetrieb. Die Infrastruktur sei neu, die Digitalisierung sei neu, die Züge seien teils neu und auch die Fahrpläne seien neu, sagte Hermann. „Einen Holperstart können und werden wir uns nicht leisten.“

Die Entscheidung darüber, ob der Bahnhof wie geplant Ende 2025 in Betrieb genommen wird, muss bis spätestens Juni kommenden Jahres gefällt werden. Grund dafür ist, dass 18 Monate vorher der Fahrplan konkret festgelegt werde, erklärte Huber.

Im Zuge von Stuttgart 21 wird die Region Stuttgart bis Ende 2025 zum ersten digitalisierten Bahnknoten Deutschlands ausgebaut werden. Züge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnen sollen dann mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren - und zwar nur damit. Klassische Lichtsignale werden im Stuttgarter Bahnknoten nicht mehr verbaut. „Wenn es dort nicht gelingt, rechtzeitig fertig zu werden, dann wird man auch nicht in zwei Jahren den Bahnhof eröffnen können“, sagte Hermann.

Schneller fertig als geplant wird hingegen wohl der Bahnhof am Stuttgarter Flughafen. Dieser könne bereits 2026 in Betrieb genommen werden, sagte Huber. Bislang waren die Planer von einer Fertigstellung im Jahr 2027 ausgegangen. Auch die Große Wendlinger Kurve, also die zweigleisige Abzweigung in Richtung Tübingen, wird wohl früher fertig und soll bereits Ende 2025 in Betrieb gehen.

© dpa-infocom, dpa:231201-99-147094/3

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