Finanzbranche:In den Führungsetagen deutscher Banken sitzen kaum Frauen

Lesezeit: 2 min

Die Statue "Fearless Girl" stand 2017 dem Wall-Street-Bullen an der New Yorker Börse gegenüber: Es sollte für mehr Frauen in Führungspositionen werben. Getan hat sich bis heute nicht viel. (Foto: dpa)

Damit werden Frauen auch als Kundinnen vernachlässigt, heißt es in einer Studie der Strategieberatung Oliver Wyman. Was sich endlich ändern muss.

Von Felicitas Wilke, München

Etwas mehr als jedes siebte Vorstandsmitglied bei den deutschen Finanzdienstleistern ist eine Frau. Damit ist der Anteil an weiblichen Vorstandsmitgliedern in der Branche in den vergangenen drei Jahren von zehn auf 15 Prozent gestiegen, was deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt von 20 Prozent liegt. Und selbst der Durchschnittswert scheint immer noch zu wenig zu sein, um genügend Frauen als Kundinnen zu gewinnen, heißt es in einer Studie der Strategieberatung Oliver Wyman, die an diesem Montag veröffentlicht wird.

Für ihre Studie haben Berater ausgerechnet, was es für die Finanzbranche bedeuten würde, wenn Frauen im gleichen Umfang wie Männer investieren oder Kredite aufnehmen würden und wenn sie den gleichen Zugang zu Finanzprodukten wie Männer erhielten. Das Ergebnis: Die Finanzdienstleister könnten ihre Umsätze jährlich um 700 Milliarden Dollar weltweit steigern, wenn sie besser auf ihre Kundinnen eingehen würden.

Aktien
:Wie Frauen die Finanzmärkte besser machen können

Die Geldanlage ist immer noch ein Feld der Männer. Dabei legen Frauen meist rentabler und nachhaltiger an.

Von Nils Wischmeyer und Anke Eberhardt

Astrid Jäkel ist Partnerin bei Oliver Wyman und hat an der Studie mitgewirkt. Sie erklärt die hohe Zahl auch damit, dass Frauen in einigen Märkten schwieriger an Kredite kommen als Männer - und das, "obwohl die Historie zeigt, dass Frauen besser darin sind, Kredite zurückzuzahlen", sagt Jäkel. Sie und ihre Kollegen haben auch mit weiblichen Führungskräften in Finanzabteilungen gesprochen, die als Geschäftskunden regelmäßig mit Banken zu tun haben. "Nicht wenige" hätten darauf hingewiesen, dass "sie als Geschäftskundinnen nicht mit dem gleichen Respekt behandelt werden wie ihre männlichen Kollegen", heißt es in der Studie.

Auch im Privatkundensegment machen Frauen solche Erfahrungen. Helma Sick berät mit ihrem Team Frauen zum Thema Geldanlage und spricht immer wieder mit Menschen, die bei der Bank schlechte Erfahrungen gemacht haben. Erst kürzlich hätte eine Kundin berichtet, wie der Angestellte in der Bank sie konsequent aus dem Gespräch ausgeklammert und sich stets an ihren Ehemann gewandt habe. "Dabei war es sie, die geerbt hatte", sagt Sick.

Zumindest in der Werbung vermitteln einige Banken den Eindruck, die Frauen als Kundengruppe entdeckt zu haben. Die Comdirect oder die Sparkasse etwa sprechen in ihren Kampagnen gezielt Frauen an und betonen, in der Beratung auf deren Bedürfnisse einzugehen, da sie oft weniger Geld verdienen als Männer und wegen der Familie länger aus dem Beruf aussetzen.

Dennoch glaubt Finanzberaterin Constanze Hintze, dass sich Frauen bei der Bank "latent unwohl" fühlen. Sie kennen sich in Finanzdingen zwar nicht schlechter aus als Männer, doch Studien zeigen, dass sie öfter unsicher sind, wenn es ums Thema Geld geht. "Sie haben viele Fragen, aber möchten auch nicht zu spüren bekommen, dass sie sich mit Finanzen nicht so gut auskennen", sagt Hintze. Wären bei den großen Banken mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen, würde es besser gelingen, die Hälfte der Bevölkerung besser anzusprechen, sind die Berater von Oliver Wyman überzeugt. Die Marktlücke, die Finanzinstitute ihnen überlassen, nutzen derzeit nicht nur auf Frauen spezialisierte Finanzberaterinnen wie Sick oder Hintze. Auch Bloggerinnen, die Frauen erklären, wie sie sich selbst um ihr Geld kümmern, verdienen an ihren Websites, Büchern und Workshops - und zwar an der klassischen Finanzindustrie vorbei. Für die Anlegerinnen muss das kein Nachteil sein: Wer sich selbst um die Geldanlage kümmert, kommt um hohe Provisionen herum, die bei der Beratung in der Bank anfallen können.

© SZ vom 18.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: